Wirtschaft und Bevölkerung in den ostdeutschen Städten sind in den vergangenen Jahren merklich gewachsen – und mit ihnen die Immobilienmärkte. Das im Vergleich oftmals bessere Flächenangebot und die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte sind wesentliche Gründe dafür, dass sich heute internationale Konzerne wie Tesla oder Intel im Osten ansiedeln. Geplante Expansionen großer Unternehmen geben den ostdeutschen Bundesländern weiter Rückenwind, sodass auch für das zweite Halbjahr 2023 steigende Flächenumsätze zu erwarten sind.
Von dieser Entwicklung profitieren Städte wie Chemnitz, Erfurt, Frankfurt (Oder) und Magdeburg: Dort sorgt ein nach wie vor knappes Angebot an modernen Flächen dafür, dass die Mieten für Büro und Logistik trotz der herausfordernden Wirtschaftslage stabil bleiben oder moderat steigen. Dies sind einige wesentliche Ergebnisse einer Online-Pressekonferenz von RUECKERCONSULT mit dem Titel „Hidden Champions im Osten – aufsteigende Sterne am Immobilienmarkt“.
Chancen für Gewerbemieter und Investoren im Immobilienmarkt Ostdeutschland
„Der Markt in Ostdeutschland bietet derzeit in allen Bereichen Chancen für Gewerbemieter und Investoren. Das liegt auch daran, dass die Preisbildung hier, nach den Kaufpreisrückgängen im vergangenen Jahr, fortgeschrittener ist als an den deutschen A-Standorten“, sagte Steffen Sauer, Managing Director bei Colliers in Leipzig und Dresden. Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung sagte der Experte: „Auch jenseits von Leipzig und Dresden ist die Nachfrage nach Grundstücken für Büro- und Logistikprojekte bei Investoren und Eigennutzern in Ostdeutschland ungebrochen hoch. Geplante Ansiedlungen und Expansionen großer Unternehmen wie Intel, Beiersdorf oder Deutsche Aircraft geben dem Osten weiter Rückenwind, sodass wir auch für das zweite Halbjahr 2023 steigende Flächenumsätze erwarten.“
Insbesondere Industrieunternehmen haben meist spezifische Gebäudeanforderungen und investieren daher 'selber', greifen also nicht auf externe Projektentwickler zurück. Für diese Unternehmenmüssen Grundstücke zur Verfügung stehen. (Steffen Sauer)
Zwar wurde im Kernmarkt Leipzig im ersten Quartal 2023 ein Büroflächenumsatz von lediglich etwa 20.000 Quadratmetern registriert, doch zeigten sich die Büromärkte in den ostdeutschen Oberzentren insgesamt in robuster Verfassung. Dies sei vor allem darin begründet, dass die Märkte weniger von Großvermietungen abhängig sind und die kleinen sowie mittleren Flächengesuche weiterhin in verfügbaren Bestandsimmobilien platziert werden können.
Büromärkte Chemnitz und Erfurt verzeichnen stabile Spitzenmieten
Auf diese Entwicklung setzt die Berliner DVI Gruppe, die als Bestandshalterin von Wohn- und Büroimmobilien in den vergangenen Jahren überwiegend durch den Ankauf von Büroimmobilien in Chemnitz und Erfurt gewachsen ist. In beiden Städten verfügt die Unternehmensgruppe über ein Portfolio von mehr als 170.000 Quadratmetern Mietfläche, die sich auf größere und modernisierte Objekte verteilen.
„Die Kombination aus wachsender Bevölkerung, prosperierender lokaler Wirtschaft und geringer Neubautätigkeit bietet uns ideale Rahmenbedingungen für unsere Akquisitionen in Erfurt und Chemnitz“, sagte Karsten Kluge, Geschäftsführer der DVI Gruppe. „Beide Städte werden sich weiter positiv entwickeln. Chemnitz mit seiner robusten mittelständischen Wirtschaft und Hightech-Unternehmen im Umfeld der Technischen Universität. Erfurt als Landeshauptstadt, neuer ICE-Knotenpunkt und Logistikstandort in der Mitte Deutschlands“, blickte Kluge optimistisch in die Zukunft.
Die bislang positive Mietenentwicklung in Erfurt und Chemnitz könne sich zwar aufgrund von Konjunktur und Energiepreisen abflachen – angesichts des anhaltend knappen Angebots an modernen Flächen mit hoher Energieeffizienz rechnet Kluge aber mit stabilen Spitzenmieten um 13 Euro. So traut sich das Unternehmen auch an neue Projekte mit Strahlkraft heran: Bis zum Sommer dieses Jahres soll das „Forum am Anger“ in der Erfurter City mit einem Nutzungsmix aus Büro, Einzelhandel, Gastronomie und Entertainment eröffnen – nach erfolgtem Umbau durch Generalunternehmer Goldbeck.
Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt in Magdeburg nimmt zu
Strahlkraft, sogar über Ostdeutschland hinaus, sieht George Salden, CEO der Capital Bay Group, bei der Quartiersentwicklung „Klinkeviertel“ in Magdeburg. An der Halberstädter Straße im beliebten Stadtteil Sudenburg baut Capital Bay ein gemischt genutztes Wohnquartier mit etwa 500 Wohnungen und einer Gesamtwohnfläche von rund 36.000 Quadratmetern. Verschiedene Wohnformen – von Co-Living für Jüngere bis zur stationären Pflege – sowie gewerbliche Nutzungen sollen künftig ein vielfältiges Angebot für alle Altersklassen bieten.
„Wir schaffen mit dem Klinkeviertel den Pionier eines gemischtgenutzten Gebäudeensembles, das unter ESG-Gesichtspunkten Maßstäbe setzen wird“, sagte Salden. 40 Prozent der Wohnfläche ist für betreutes Wohnen und stationäre Pflege vorgesehen; die Wärmeerzeugung soll mit einer neuen Technologie aus dezentralen Luft-Wärmepumpen erfolgen.
Das Klinkeviertel ist eines der ersten Projekte, das Capital Bay gemeinsam mit seinem Joint-Venture-Partner Daiwa House Modular Europe, dem Marktführer für modulares Bauen, verwirklicht. „Durch große Unternehmen wie Intel, Hello Fresh und Nokera, die sich in und um Magdeburg ansiedeln, wird sich mittelfristig auch die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt in der Stadt vergrößern und weiter ausdifferenzieren. Wir sehen daher mittelfristig eine wachsende Nachfrage nach Wohnraum in Magdeburg.“
Frankfurt an der Oder als Knotenpunkt zwischen Ost- und Westeuropa
Zu den Hidden Champions bei Logistik und Industrie zählt inzwischen auch die Region Ostbrandenburg und Frankfurt (Oder). „Die Region hat einen enormen Wandel hingelegt und in den vergangenen 20 Jahren den Nährboden für eine positive Entwicklung geschaffen. Nicht nur in Ludwigsfelde, Eisenhüttenstadt und Großbeeren passiert viel, sondern auch in Grünheide und der Doppelstadt Frankfurt Oder / Slubice. Im Gegensatz zu früher gibt es nicht ein großes Vorzeigeprojekt, sondern eine Vielzahl verschiedener Industrie- und Logistikansiedlungen an unterschiedlichen Standorten. Ganze Lieferketten aus den Bereichen Automobil- und Energieproduktion haben sich inzwischen hier niedergelassen“, sagte Peter Bergmann, Projektleiter bei ALCARO Invest, bundesweit aktiver Spezialist für Entwicklung, Vertrieb und Vermietung von Logistik- und Gewerbeimmobilien.
„Die Liste der Standortvorteile ist lang: Es gibt moderne Glasfasernetze, ein gut ausgebautes Verkehrsnetz aus Straßen, Schienen, Wasserwegen und KV-Hubs, belastbare Stromnetze und sehr viel regenerative Energie. Häufig kann sich Brandenburg schon heute mit Energie aus Sonne und Wind selbst versorgen“, so Bergmann weiter.
Auch Bergmanns Ausblick fällt positiv aus: „Ostbrandenburg und Frankfurt an der Oder sind ein Knotenpunkt zwischen Nord und Süd, Ost und West. Die Bedeutung von Brandenburg als Industrie- und Logistikstandort wird zunehmen, das Potenzial in direkter Nachbarschaft zur Metropolregion Berlin und zu Polen ist groß. Das Interesse an Flächen im Osten Brandenburgs wächst erkennbar, die geplanten Standorte nehmen ebenso zu wie die Anfragen.“