Seniorenimmobilien schicken sich an, die Investoren mehr als zu begeistern. Und die Aussichten im Sinne der Nachhaltigkeit versprechen Gutes.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im Jahr 2035 werden 3,8 Millionen Menschen pflegebedürftig sein. Zum Vergleich: 2015 waren es 2,9 Millionen. Der Pflegeheim-Atlas von Wüest Partner stellt dar, dass der Bedarf an Pflegedienstleistungen bis 2050 überproportional steigen wird, denn die sogenannte Babyboomer- Generation tritt ab 2020 schrittweise ins Rentenalter ein. Die rasante Alterung der Gesellschaft ist eine der Aufgaben für die kommenden Jahrzehnte. Da wundert es kaum, dass das Investitionsvolumen 2018 in der dazugehörigen Assetklasse bei 2,1 Milliarden Euro lag. Der deutsche Investmentmarkt für Pflegeheime und Seniorenzentren übertraf das Transaktionsvolumen des Vorjahres um 149 Prozent, vermeldete CBRE.
Dazu passen dann Sätze wie: „Wir sehen für den Senioren- und Pflegeimmobilienmarkt weiterhin hohes Potential und planen den weiteren Erwerb von Objekten innerhalb dieser wachstumsstarken Assetklasse.“ Diese Aussage stammt von George Salden, CEO von CapitalBAY. Sebastian Reccius, Vorstandsmitglied der DI Deutschland.Immobilien AG, sagt: „Pflegeimmobilien bieten aufgrund der stetig steigenden Nachfrage an Plätzen eine lukrative Investition für die Zukunft: Besitzer sichern sich einen kontinuierlichen Mietzins, denn bei eventuellen Zahlungsausfällen springt die Sozialkasse ein. Ein weiterer großer Vorteil liegt darin, dass sich der Betreiber um die Mietersuche, Verwaltung und Instandhaltung kümmert. Im Falle einer Pflegebedürftigkeit des Immobilienbesitzers oder eines nahen Verwandten erhalten sie ein bevorzugtes Belegungsrecht ohne lange Wartezeiten.“
Und neben den schönen Worten liefern zahlreiche Transaktionen einen weiteren Beweis: Das schwedische Unternehmen Hemsö Fastighets AB erwarb über ein Tochterunternehmen im brandenburgischen Zeuthen ein Pflegeheim. Das Objekt ist voll belegt, verfügt über rund 8.700 Quadratmeter Nutzfläche, verteilt auf 55 Einzelzimmer sowie 87 betreute Wohnungen. Investitionssumme: rund 13 Millionen Euro. Die PATRIZIA Immobilien AG bringt den PATRIZIA Social Care Fund III und damit ihren dritten Health Care Fund auf den Markt. Zielvolumen: zunächst 300 Millionen Euro; erste Investition: drei neue, wertige Pflegeheime mit hohem Wohnanteil in Deutschland.
Jan-Hendrik Jessen, Head of Fund Management Operated Properties bei PATRIZIA, schätzt ein, dass der Markt eine „weiterhin starke Investorennachfrage verzeichnet“. Das erworbene Portfolio biete nachhaltige, langfristige Einnahmen und decke gleichzeitig die wachsende Nachfrage nach Betreuungseinrichtungen ab. Im Januar wurde bekannt, dass die ActivumSG Capital Management Ltd. (ASG) über den eigenen Fonds ASG V einen zweiten Bauträger von Pflegeimmobilien in Deutschland übernommen hat. Nach dem 2016 getätigten Kauf der WI-IMMOGroup durch einen anderen ASG-Fonds übernahm das Unternehmen nun die Projektentwicklungs- und Vertriebsaktivitäten der WirtschaftsHaus AG. Ziel: jährliche Fertigstellung von 1.500 Senioren- und Pflegewohnungen; das Projektvolumen wird auf 1,2 Milliarden beziffert.
Saul Goldstein, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von ASG, sagt: „Deutschland steht vor der Aufgabe, bis 2030 Pflegeplätze für etwa 300.000 Senioren zu schaffen. Wir sehen das als Chance, einen spezialisierten Bauträger zu etablieren. Die Übernahme ist ein weiterer großer Schritt bei der Umsetzung dieser Strategie.“
Die französische Orpea-Gruppe shoppte sieben bestehende Pflegeheime, betreibt in Deutschland 165 Pflegeeinrichtungen mit knapp 17.500 Betten. Zudem geht das Unternehmen ein Joint Venture mit der Axion Holding GmbH ein, einem Hamburger Spezialisten für die Beratung, den Betrieb sowie die Verwaltung von Pflegeimmobilien. Ziel: Schaffung von Premium-Seniowrenwohnungen. Der börsennotierte Konzern Deutsche Wohnen besaß laut aktuellem Halbjahresbericht 2018 12.000 Pflegeplätze. Im ersten Halbjahr 2018 wurden im Segment Pflege 69,8 Millionen Euro erlöst und ein Betriebsgewinn von 23,8 Millionen Euro erzielt.
Die CORPUS SIREO Real Estate aus Köln beteiligt sich ebenfalls an diesem Trend: Für zwei ihrer Gesundheitsimmobilien-Spezialfonds sicherte sich das Unternehmen die Kölner Ärztehäuser in Bremen und in Neumarkt (Bayern) sowie eine Seniorenresidenz in Blankenfelde (Brandenburg). Das gesamte Healthcare-Immobilienportfolio umfasst damit insgesamt 35 Liegenschaften, die sich auf drei Fonds verteilen. Diese wurden zwischen 2011 und 2016 aufgelegt und richten sich an institutionelle Investoren. Sie umfassen aktuell ein Anlagevolumen von mehr als 450 Millionen Euro. Nikolai Schmidt, Head of Healthcare Investment der CORPUS SIREO Real Estate, hebt einen wichtigen Punkt hervor: „Für diese Fonds fokussieren wir Ankäufe von Ärztehäusern, Pflegeheimen und Betreutem Wohnen in Deutschland. Mit diesen Anlageprodukten greifen wir zudem das unternehmensweite Leitthema von Swiss Life – des längeren, selbstbestimmten Lebens – auf.“
Ein Ansatz, der nicht neu ist: Genau jene Selbstbestimmung propagiert beispielsweise einer der renommiertesten Projektentwickler im Bereich Seniorenwohnen. Die TERRAGON AG erweitert in Reinickendorf beispielsweise Bauten, es entstehen 54 barierrefreie und betreute Neubauwohnungen. Ende 2019 sollen dann auch die Neubauten fertig sein. Insgesamt hat das Projekt 101 Service-Wohnungen. Mit dem dazugehörigen Betreuungskonzept solle den Bewohnern ein hoher Grad an Eigenständigkeit gewährt werden, heißt es.
Laut einer TERRAGON-Studie entwickelt sich das Service-Wohnen zum bedeutendsten Segment der alternativen Versorgung. Das Projekt RIVIERA sorgte in den letzten Monaten für große Aufmerksamkeit: An geschichtsträchtigem Ort (dem Standort des einstigen Ausflugs- und Tanzlokals „Riviera“) in Treptow-Köpenick sollen bis 2021 für etwa 80 Millionen Euro 208 barrierefreie und hochwertig ausgestattete Seniorenwohnungen entstehen – mit Service. „Die Residenz in der Regattastraße entspricht in ihrer Struktur und Ausstattung einem sehr guten Hotel“, sagt Dr. Michael Held, Vorstandsvorsitzender der TERRAGON AG. Den Bewohnern stehen Service- und Begegnungsflächen wie Empfang, Clubraum und Wellnessbereich zur Verfügung. Weitere Pflege- und Betreuungsangebote sind auf dem Gelände vorgesehen und können optional in Anspruch genommen werden.
Der Wellnessbereich umfasst neben Schwimmbad, Saunaanlage und Kneipp-Pfad auch einen Fitnessraum für Kurse und individuelles Training. Das Residenzentgelt für eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Größe von etwa 60 Quadratmetern liegt bei 1.650 Euro. Darin enthalten sind sowohl die Miete als auch die Nebenkosten und eine Servicepauschale. Der Blick zum Großen Müggelsee kostet extra: dann 1.990 Euro. Die Bandbreite solcher Senioren-Anlagen ist breit gefächert, „so differenziert wie der Hotelmarkt“, sagt Dr. Michael Held.
Ansprüche, Lebenserwartung und gewohnte Standards sorgen für eine Dynamik in Ansichten und Theorien: Welches Konzept ist denn nun das Beste für die Silver Society? In einem Statement der BelForm GmbH & Co. KG heißt es dazu: „Mit dem neuen Selbstverständnis verändern sich die Lebensmodelle und Ansprüche. Mit 55 aufwärts noch in einer WG wohnen? Wieso nicht? Konzepte wie das Co-Living können auch für die ältere Generation interessant sein.“ Ein Schlagwort kann beispielweise generationenübergreifendes Wohnen sein. Die Menschen werden nicht nur älter, sondern bleiben auch länger fit. Das Pestel-Institut fokussiert sich auf die „graue Wohnungsnot“. Die Experten sind sich einig, dass genau jene kommen wird: 24 Millionen Menschen werden zwischen 2035 und 2040 zur Altersgruppe 65plus gehören. Das sind sechs Millionen mehr als heute.
Momentan benötigen nur drei Prozent dieser Generation staatliche Unterstützung hinsichtlich ihrer Wohnungen. Diese Zahl wird sich den Prognosen zufolge in den kommenden 20 Jahren auf 25 bis 35 Prozent erhöhen. „Steigende Wohnkosten prallen dann auf sinkende Haushaltskassen“, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Institutes. Die Folge: notwendige Umzüge in kleinere Wohnungen. Genau diese gibt es aber nicht in der vorhergesagten Größenordnung. Sagenhafte Forderung: drei Millionen altersgerechte Wohnungen bis 2030, wofür zwischen 40 und 50 Milliarden Euro notwendig wären. „Der Staat muss eine eigene Senioren-Wohnoffensive starten und dazu eine auf Dauer angelegte Sonderförderung auflegen“, so Matthias Günther.
Die Anzahl des benötigten Wohnraumes halten verschiedene Experten für zu hoch, da bereits jetzt viele Wohnungen barrierearm seien. Michael Voigtländer, Immobilienökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, warnt in der „Welt“ gar vor einem „Barriere-Wahn“. Komplett barrierefrei gestaltete Wohnungen, die für Rollstuhlfahrer geeignet sind, seien bei Mietern und Käufern nämlich oft gar nicht gefragt. „Projektentwickler schildern immer wieder, dass sie zum Teil erhebliche Probleme haben, Erwerber oder Mieter für solche Wohnungen zu finden.“
Es gibt verschiedene Gründe also, warum Seniorenwohnen immer weiter vom klassischen Altenpflegeheim abrückt, so die Theorie des Unternehmens BelForm. Letztere sind stark nachgefragt, noch vor Jahren gab es genügend Objekte. Das zeigt sich nun anders wie an den eingangs erwähnten Zahlen zu sehen ist. Als größte Bremse des Marktes macht CBRE die nur geringe Neubauaktivität aus. Laut dem Makler sank die Spitzenrendite erstmals unter die Fünf-Prozent-Marke und lag Ende 2018 bei 4,75 Prozent. Markus Bienentreu, Geschäftsführer der Terranus Real Estate GmbH, weist darauf hin, dass das Renditeniveau damit trotzdem höher als in anderen Immobiliensegmenten ist. Hinzu komme eine solide und langfristige Perspektive. „Pflegeimmobilien sind kaum konjunkturanfällig und weniger volatil als beispielsweise die Segmente Wohnen oder Gewerbe. Und die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen wird steigen.“
Mit dieser Meinung steht er nicht allein da, auch wenn immer wieder sehr unterschiedliche Zahlen von verschiedenen Instituten oder Institutionen veröffentlicht werden. Das betrifft auch die Bedarfe und die Gegebenheiten hinsichtlich stationärer versus ambulanter Pflege. Markus Bienentreu rechnet in einem Kommentar für eine Fachzeitschrift vor: „Die Quote der stationär Gepflegten liegt in der Altersgruppe der über 85-Jährigen aktuell bei 18,13 Prozent. Setzt man voraus, dass diese Quote in den nächsten Jahrzehnten gleich bleibt, bräuchten wir im Jahr 2040 rund 433.000 zusätzliche Pflegeplätze, um den aktuellen Standard zu halten.“ Das Institut für Wirtschaftsforschung RWI geht dabei von einem Volumen von 53 bis 85 Millionen Euro bis 2030 aus.
Markus Bienentreu ist überzeugt: „Auch wenn von der Politik immer wieder der Abgesang auf die stationäre Pflege angestimmt wird und sich das Investitionsklima in den letzten Jahren verschlechtert hat: Der Markt wird langfristig weiter wachsen.“