Die Forderungen nach Enteignungen im linken Spektrum werden immer schriller. Längst geht es nicht mehr nur um Immobilienkonzerne. Die verschiedenen Initiativen vernetzen sich.
Drei Worte standen auf einem Plakat: „Enteignen, Enteignen, Enteignen“. So lautete das Mantra am Pfingstwochenende auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Das Bündnis „Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“ hatte als Reaktion auf den Fall des Mietendeckels zu einer Großdemonstration getrommelt. 10.000 Demonstranten waren angekündigt, weit weniger dann wirklich gekommen. Doch medienwirksam hatten sich die Aktivisten der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ in einem Block inszeniert. Sie forderten: „Wir wollen nicht nur den Deckel, sondern den ganzen Topf.“
Enteignungsinitiative sammelt knapp 200.000 Unterschriften
Für die DW-Enteigner bildete die Demonstration den Höhepunkt eines langen Wochenendes mit einem bundesweiten Camp in der Hauptstadt: Rund 300 Unterstützer waren aus dem Bundesgebiet angereist, um beim Unterschriftensammeln für das Volksbegehren zur Enteignung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu helfen. Circa 197.000 Unterschriften wurden bislang bei der Landeswahlleiterin eingereicht. Laut Landeswahlleitung wurden bislang rund 138.500 Stimmen geprüft, davon sind rund 97.000 gültig. Der Anteil ungültiger Stimmen liegt bei 29,9 Prozent.
Bis zum 25. Juni müssen die Aktivisten 175.000 gültige Stimmen zusammenbringen, damit es am 26. September zu einem Volksentscheid kommen kann. Nach dem Bekanntwerden der geplanten Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen veröffentlichte die Enteignungsinitiative eine Pressemitteilung unter der Überschrift: „Miethai frisst Miethai. Raider heißt jetzt Twix, aber ohne Enteignung ändert sich nix.“ Die Kampagne werde fortgeführt. Ihr Sprecher Michael Prütz erklärte: „Unterschriftensammlung wird nochmals verstärkt. Volle Kraft auf den Volksentscheid.“
„Enteignung ist mittlerweile en vogue“
Doch es geht längst nicht mehr nur um Wohnungen. Im Rahmen des Camps fand auch eine Podiumsdiskussion unter der Überschrift „Mein. Dein. Das sind doch bürgerliche Kategorien“ statt. Moderiert wurde die Veranstaltung im Du-Modus von Sanna, Vertreterin der Interventionistischen Linken (IL), einer Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und offen den Systemwechsel propagiert. Sie ist als linksextrem eingestuft. Die Nähe zur Kampagne wird damit deutlich. Und die Ansage ist klar: „Enteignung ist mittlerweile en vogue.“
Die Aktivisten diskutieren darüber, wie sich das Thema Enteignung auf andere Felder wie Energie, Mobilität und Gesundheit übertragen lässt. Die Initiativen vernetzen sich. Timo aus Frankfurt war als Vertreter von „Wer hat, der gibt“ dabei. Die Initiative fordert die Umverteilung von Reichtum, Vermögensabgabe, Vermögensteuern und höhere Erbschaftsteuern. „Wir müssen darüber reden, dass es keinen Ausgleich für die Unternehmen gibt, wenn wir sie enteignen“, erklärte er und weiter: „Mir fallen da noch Hunderte Unternehmen ein, die wir enteignen könnten.“ Von Aldi bis Amazon. Julia, Mitglied der AG Gesundheit der IL, referierte über das Fallpauschalensystem, den Kostendruck und Gewinne im privaten Krankenhaussektor. Die Enteignung privater Klinikkonzerne sei deshalb ein Thema. Die Klimaaktivisten wiederum haben die Energieunternehmen wie RWE & Co auf ihrer Liste. „Unsere Rolle ist es, das miteinander zu verbinden“, betonte Timo.
FDP hält dagegen
Während Linke wie Caren Lay und Grüne wie Katrin Schmidmerger das Mietenwahnsinns-Thema für den Wahlkampf nutzen und sich auf die Seite der Enteignungsfans stellen, hielt Sebastian Czaja (FDP) mit einem Plakat auf der Demonstration seine Antwort in der Menge. Darauf standen auch drei Worte: „Bauen statt klauen.“