Nur acht Prozent der deutschen Immobilienunternehmen zählen sich laut ZIA und EY zu rundum digital aufgestellten Branchenakteuren. Digitalisierung gilt zwar als notwendiger Prozess. Doch in der Umsetzung hapert es nicht selten. Immer mehr Beratungsgesellschaften bieten sich daher als Helfer in der Digitalisierung an.
Digitalisierung ist und bleibt eine Herausforderung. Besonders gilt dies für die Immobilienwirtschaft. Die Selbsteinschätzung der Branche spiegelt dies wider: Auf einer Skala von einem bis zehn Punkten – zehn bedeutet höchster Digitalisierungsgrad – geben sich die Immobilienunternehmen laut dem Beratungsunternehmen Pom+ eine Note von 4,9. Zum Vergleich: In einer branchenübergreifenden Bitkom-Umfrage von Juni 2022 attestierten sich die über 600 befragten Unternehmen innerhalb einer Schulnotenskala eine starke drei.
Probleme struktureller Art
Mangelnde Software-Angebote stellen gleichwohl nicht das Problem dar. Mit über 400 PropTechs belegt Deutschland europaweit Rang zwei. Hinzu kommen die Produkte der großen ERP-Anbieter, die sich zumindest für größere Unternehmen mehr und mehr zu Full-Service-Plattformen entwickeln. Entsprechend steigt die Nachfrage, wie Sarah Schlesinger, Geschäftsführerin des Netzwerkes blackprint, treffend darlegt: „Proptech ist von einem Nice-to-have zu einem Must-have für Immobilienkonzerne geworden.“ Doch Digitalisierung trifft immer noch auf ein Problem struktureller Art. Beim Übergang von der analogen in die digitale Welt wissen viele Unternehmen weder um einen geeigneten Startpunkt noch um die richtige Lösung innerhalb eines weiterhin intransparenten Anbietermarktes.
Beratermarkt noch vergleichsweise klein
In diese Marktlücke sind Beratungsunternehmen gestoßen, die sich mit branchenspezifischen Digitalservices an die Immobilienbranche wenden. Noch ist der Markt relativ überschaubar; selbst die Big4 der Unternehmensberatungen haben nicht in Gänze eigene Geschäftsbereiche aufgebaut. Heike Gündling, Geschäftsführerin des PropTechs 21st Real Estate für Standortanalyse, erklärt warum: „Die großen Beratungshäuser sind für die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft nicht zwangsläufig am besten aufgestellt. Denn gerade bei der Digitalisierung ist neben strategischem Knowhow auch eine tiefe Kenntnis der technologischen Möglichkeiten notwendig.“
So veröffentlichen Deloitte, PwC, EY und KPMG zwar regelmäßige Studien zur Digitalisierung der Immobilienbranche. Doch mit einem expliziten Beratungsprodukt positionieren sich nur KPMG und PwC. Die Berater von PwC haben sogar eine digitale Plattform im Portfolio, das verschiedene PropTech-Partner zu einem Ökosystem vereint. Mit Blick auf die allgemein beklagten Datensilos resümiert PwC-Partner Thomas Veith: „Die aktuell noch sehr starren und monolithischen Strukturen gehören der Vergangenheit an.“ Diese Position teilen Beratungshäuser wie Ritterwald oder brickalize, die sich mit ihren Services speziell an Immobilienunternehmen wenden.
Doch warum bleiben Digitalisierungsberater in der Immobilienwirtschaft Mangelware? Dr. Dominique Hoffmann, Partner bei der Unternehmensberatung Grant Thornton, erklärt: „In vielen Fällen haben Immobilienunternehmen ein Problem ad hoc zu lösen. Sie benötigen dafür einen Berater, der über Branchen- und Digitalisierungserfahrung verfügt, aber auch die Prozesse und gesetzlichen Anforderungen kennt. Aktuell sehen wir das bei der Neubewertung der Grundsteuer oder der Konzeption sowie dem Controlling von ESG-konformen Fonds. Ist in diesen Bereichen der Mehrwert von digitalen Lösungen einmal erkannt, besteht eine viel größere Bereitschaft zur generellen Digitalisierung im Unternehmen im Sinne einer Breitenwirkung.“
Mit diesem Ansatz und eigenen Lösungen hat Dr. Dominique Hoffmann den Bereich Digital Real Estate in den letzten fünf Jahren auf rund 30 Mitarbeiter anwachsen lassen. Wie andere Berater auch beginnt Grant Thornton mit einer umfassenden Status-Quo-Analyse, um dann innerhalb eines Fahrplans schrittweise die Digitalisierung der Geschäftsbereiche – vor allem prozess- und softwareseitig –voranzutreiben.
Bereitschaft zum holistischen Denken eingefordert
Die Engführung von Digitalisierung als Problemlöser anstelle einer Gesamtstrategie ist kein Spezifikum der Immobilienwirtschaft. In der Bitkom-Umfrage aus 2022 war Zeitmangel mit 61 Prozent das meistgenannte Hindernis für eine digitale Transformation. Mit anderen Worten: Digitalisierung genießt erst dann Priorität, wenn es akuten Handlungsbedarf gibt. Wenn der Bedarf einmal erkannt ist, mangelt es gleichwohl nicht an Geld. Wie der ZIA und EY in ihrer jährlichen Digitalisierungsstudie ermittelten, stieg der Anteil der Unternehmen, die mehr als ein Fünftel ihres Umsatzes in Digitalisierung investieren – von 2021 auf 2022 – von drei auf zehn Prozent.
Bei der Auswahl der richtigen Berater können auch Softwareentwickler unterstützen. IRM Management Network zum Beispiel, ein Anbieter für Budget- und Projektplanung im Immobiliensegment, führt Beratung als eigenes Produkt auf. Möglich machen dies gemischte Teams aus IT-Experten und Immobilien-Fachleuten. 21st Real Estate-Chefin Heike Gündling begrüßt dieses Vorgehen: „Ich denke, das Zusammenspiel von erprobten, interdisziplinären Experten mit den verschiedenen Beratungsschwerpunkten ist die Idealkonstellation.“