BFW-Präsident Dirk Salewski spricht im Interview mit IMMOBILIEN AKTUELL über Maß und Mitte, Regulierung, eine auskömmliche Förderkulisse und den Bestand als „des Pudels Kern“.
Beginnen wir mit einem Zitat von Ihnen: „Die Branche spürt die neue Lage in allen Bereichen. Leider macht die Politik zu wenig, um die Rahmenbedingungen für den dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu verbessern. Wir brauchen schnell Lösungen für diese ganz konkreten Herausforderungen.“ Sollte die Branche nicht besser aus dem Forderungsmodus rausgehen, den sie seit Jahren als Strategie gewählt hat?
Dirk Salewski: Wir verstehen uns als ein Partner der Politik und Verwaltung. Uns geht es darum, die Perspektive der Praktiker aus den Immobilien- und Wohnungsunternehmen in die Debatte einzubringen – wenn Sie so wollen, den Realitätscheck. Unsere Mitglieder erleben jeden Tag die Auswirkungen der Entscheidungen, die getroffen werden in Bezug auf Rohstoffe, Energie und Nachhaltigkeit. Oftmals sind die beteiligten Politikerinnen und Politiker nicht vom Fach. Das müssen sie auch nicht unbedingt sein. Sie können bestimmte Zusammenhänge und Sachverhalte aber nur durchdringen, wenn sie die Praxis einbeziehen. Und am Ende sind wir es, die bauen wollen und sollen. Wenn die mittelständische Immobilien- und Wohnungsbranche mit ihren vielen Arbeitsplätzen nicht mit ihren Forderungen gehört wird, dann ist das schon mehr als traurig.
Die Politik macht zu wenig für bezahlbaren Wohnraum
Noch ein Zitat von Ihnen, das Ihre Vision in aller Kürze zusammenfasst: „Kurzfristiges Renditedenken durch nachhaltige Wertschöpfung ersetzen“. Wie kann das gehen?
Dirk Salewski: Als mittelständische Unternehmen sind wir in der jeweiligen Region verwurzelt und übernehmen Verantwortung für unser Unternehmen, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unsere Kunden. Es geht uns darum, langfristige Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Viele sind Familienunternehmen, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Das funktioniert nur, wenn auch das Interesse und der Fokus auf nachhaltiger Wertschöpfung liegt.
Sie sind seit Mai 2022 Präsident des BFW, Andreas Ibel hatte diesen Posten seit 2014 inne. Welche Akzente wollen Sie setzen, wo sehen Sie Ihre Schwerpunkte?
Dirk Salewski: Ich freue mich sehr über die Wahl und möchte den von Andreas Ibel eingeschlagenen erfolgreichen Weg für unsere Mitgliedsunternehmen fortführen. Wir brauchen echten Fortschritt sowie Maß und Mitte auch bei den Anforderungen an die Immobilienwirtschaft. Die Rahmenbedingungen für die Immobilien- und Wohnungsunternehmen haben sich nicht erst in den letzten Wochen und Monaten deutlich verschlechtert. Lieferketten sind unterbrochen, Baumaterialpreise steigen dramatisch und Energiekosten explodieren. Zudem wachsen die Anforderungen an den Klimaschutz stetig. Die Branche spürt die neue Lage in allen Bereichen. Leider macht die Politik zu wenig, um die Rahmenbedingungen für den dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu verbessern. Wir brauchen schnell Lösungen für diese ganz konkreten Herausforderungen.
Gefahren für den Wohnungsmarkt
Hohe Grundstückspreise, immer weiter steigende Baukosten, Regulatorik, Fachkräftemangel heißen die Probleme der Gegenwart. In welchem der vier Punkte sehen Sie die größte Gefahr?
Dirk Salewski: Die Anforderungen an unsere Mitgliedsunternehmen steigen und steigen. Dabei sind viele Verschärfungen nicht zielführend im Sinne des Klimaschutzes. Es ist nichts gewonnen, wenn wir bei den Neubaustandards nur noch überoptimieren und den eigentlich wesentlichen Teil, der uns Einsparungen bringen könnte, vergessen. Und um Ihre Frage zu beantworten: Es ist die Summe der Themen, die uns Probleme bereitet. Die Herausforderung liegt darin, dass alles zusammenkommt. Ein Grund mehr für Entschlossenheit und Mut.
Dirk Salewski: „Jetzt ist die Zeit, mutig voranzugehen. Wir haben keine Zeit, zu zaudern.“
400.000 Wohnungen sollten jährlich entstehen, schon jetzt ist klar, dass das nichts wird. Wollen Sie eine Prognose wagen, wie viele Einheiten in den kommenden fünf Jahren entstehen?
Dirk Salewski: Das wäre unseriös. Die vergangenen Monate haben doch gezeigt: Vieles ist im Umbruch und manches hatte noch niemand auf dem Schirm wie den Angriffskrieg in der Ukraine. Richtig ist aber auch: Wir brauchen mehr Wohnungen in Deutschland. Mit verlässlichen Rahmenbedingungen und einer auskömmlichen Förderkulisse können wir unseren Beitrag leisten, um den Bedarf auf dem Wohnungsmarkt zu decken.
Bestand ist des Pudels Kern beim Thema ESG
ESG ist eine riesige Aufgabe und das auch im Bestand. Wie kann der in der jetzigen Situation revitalisiert und hin zu modernen Ansprüchen bearbeitet werden?
Dirk Salewski: Der Bestand ist bekanntlich des Pudels Kern. Hier können wir die größten CO2-Einsparungen erreichen. Dazu braucht es allerdings enorme Investitionen. In der momentanen Lage fehlt es aber nicht nur an Fachkräften. Lieferketten sind unterbrochen und erhöhen so die Kosten für Sanierungen, da Baumaterial teurer ist. Es wird nur mit einer verbesserten, verlässlichen Förderung gehen. Es braucht Rahmenbedingungen, die Investitionen möglich machen.
Vor allem im ländlichen Raum tun sich viele Fragezeichen auf: Die Mieten sind sehr niedrig, die Baukosten aber genauso hoch wie in den Metropolen. Wie kann dieses Dilemma gelöst werden?
Dirk Salewski: Die Kosten für Rohstoffe und Baumaterialien sind sehr hoch und für alle gleich. Das führt natürlich zu höheren Preisen. Klar ist, dass Wohnen teurer wird, sowohl auf dem Land als auch in Metropolen. Ich komme bekanntlich aus Westfalen und erreiche deshalb unsere niederländischen Nachbarn in einer guten Stunde. Dort habe ich mit Freude beobachtet, wie es ein Mitglied der EU mit einem radikalen Schnitt schaffen konnte, ein verfilztes und in vielen Gesetzen und Verordnungen verworrenes Baurecht auf ein ordnungsrechtliches Mindestmaß zurückzustutzen, den Bürgerinnen und Bürgern Eigenverantwortung zurückzugeben und die Bau- und Immobilienbranche in einer Zeit der Krise massiv zu unterstützen. Wie gesagt: durch weniger Regeln. Ein Ansatz, über den es sich nachzudenken lohnt.
Wohnen, Wohnen, Wohnen, oder?
Der BFW vertritt derzeit etwa 1.600 mittelständische Immobilienunternehmen. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht immer Wohnen. Verliert Deutschland hier nicht den Blick darauf, dass es als Wirtschaftsland auch moderne Bürostandorte braucht? Oder intakte Innenstädte mit funktionierenden Einzelhandelsangeboten?
Dirk Salewski: Der Mix macht es. Moderne Quartiere sind eine Mischung aus Wohnen und Arbeiten, Freizeit und Kultur. In der Corona-Zeit der vergangenen Jahre haben wir eine Veränderung des Büroalltags erlebt. Aber das führt nicht zu einem geringeren Bedarf an Büroflächen insgesamt. Die Flächen, die modernen Anforderungen genügen, werden immer ihre Abnehmer finden.
Wenn Sie einen Wunsch hinsichtlich der Immobilienbranche für Ihre Tätigkeit als Präsident frei hätten: Welcher wäre das?
Dirk Salewski: Mein Wunsch wäre es, die Scheuklappen abzulegen und aufeinander zuzugehen, um technologieoffen und kreativ die sich uns stellende Herausforderung zu meistern. Mehr Wohnraum schaffen. Energiefragen lösen. Jetzt ist die Zeit, mutig voranzugehen. Wir haben keine Zeit, zu zaudern.