Im Interview spricht Oberkirchenrätin und Architektin Deike Möller, Leiterin des Baudezernates im Landeskirchenamt der Nordkirche, über Erbbaurecht, Stau bei der Bestandssanierung und finanzielle Hürden.
Die Nordkirche umfasst im Wesentlichen die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Wie groß ist Ihr Immobilienbestand?
Deike Möller: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) unterhält rund 2.400 Kirchen, Kapellen, Friedhofskapellen und Gemeindehäuser, in denen Gottesdienste gefeiert werden. Davon stehen über die Hälfte unter Denkmalschutz, in Mecklenburg-Vorpommern sind es sogar über 90 Prozent. Dazu kommen weitere rund 3.000 Gebäude wie Kindergärten, Weiterbildungseinrichtungen oder Pastorate. Auch von Letzteren stehen allein über 450 unter Denkmalschutz. Ich glaube, diese Zahlen machen die Herausforderungen deutlich, vor denen wir als Nordkirche in diesem Bereich stehen.
Gibt es derzeit aktuelle Neubauprojekte?
Deike Möller: Neubauprojekte werden in der Regel von den jeweiligen Kirchengemeinden und Kirchenkreisen verantwortet, die in der Nordkirche den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht zur Selbstverwaltung innehaben. Neu gebaut wird derzeit das Söderblomhaus in Sassnitz (Mecklenburg-Vorpommern). Das alte Gebäude wurde im Juni 2018 durch einen Brand zerstört. Im Neubau entstehen ein Kindergarten sowie multifunktionale Räume, die von der Kirchengemeinde für verschiedene Veranstaltungen genutzt werden können. Träger der Einrichtung wird das Kreisdiakonische Werk Stralsund.
Stiftung Kirchliches Bauen: Erhalt der Kirchen und ihrer Ausstattung
Deike Möller hat in Dresden Architektur und anschließend Denkmalpflege und Stadtentwicklung studiert. Ihre berufliche Tätigkeit begann sie in einem Architekturbüro in Dresden. Seit 2013 ist Deike Möller Referentin im Baudezernat des Landeskirchenamtes der Nordkirche in der Außenstelle Schwerin. Dort war sie zuständig für die Begleitung sowie die denkmalrechtliche und kirchenaufsichtliche Genehmigung von Bauvorhaben an Kirchen und Baudenkmalen im Kirchenkreis Mecklenburg.
Anfang 2017 wurde sie zunächst stellvertretende Dezernentin und später mit Wirkung vom 1. August 2019 von der Kirchenleitung zur Dezernentin berufen.
Im Jahr 2012 wurde die Stiftung Kirchliches Bauen in Mecklenburg ins Leben gerufen. Damit werden Arbeiten an kirchlichen Bauten und gottesdienstlich genutzten Gebäuden finanziert. Wie viele Projekte profitieren durchschnittlich pro Jahr davon?
Deike Möller: Die Stiftung Kirchliches Bauen in Mecklenburg dient vor allem dem Erhalt der 664 mecklenburgischen Dorf- und Stadtkirchen. Gerade für die Kirchengemeinden im ländlichen Raum ist diese Unterstützung ein wichtiger Baustein, um den Erhalt der Kirchen und ihrer Ausstattung zu sichern. Insgesamt werden jährlich 25 bis 30 Projekte gefördert. Rein auf Bauvorhaben bezogen sind es etwa acht bis zwölf im Jahr.
Können Sie zwei Beispiele nennen und kurz beschreiben, was da gemacht wird.
Deike Möller: Im letzten Jahr wurde zum Beispiel die Sanierung des Fachwerkturmes der Kirche Ganzkow (Mecklenburgische Seenplatte) unterstützt, aber auch die Kunstgutinventarisierung in der Propstei Parchim. Die Projekte sind sehr verschieden. Eine Auswahl der Förderprojekte der letzten Jahre können Interessierte unter folgendem Link gern nachschlagen und sich informieren.
Sanierungsstau und ESG Anforderungen
Sanierungsstau ist in vielen Kommunen ein sehr großes Problem: Wie sieht das bei Ihnen aus?
Deike Möller: Wir stellen fest, dass die eigentlich notwendigen Aufwendungen für den Bauunterhalt der kirchlichen Gebäude doch bei weitem die Mittel übersteigen, die uns tatsächlich zur Verfügung stehen. Hier war und ist es notwendig, zusätzlich zu den eigenen Mitteln auch Unterstützung aus Gesellschaft und Politik zu erhalten. Auch, damit wir in der kirchlichen Arbeit nicht ‚Steine gegen Menschen‘ ausspielen müssen. Wir sind den Fördermittelgebern, Stiftungen und zahlreichen Spendern außerordentlich dankbar für ihre Unterstützung. Trotzdem werden wir uns mittelfristig der Entscheidung stellen müssen, welche Gebäude wir auf welche Art in die Zukunft tragen können.
Welche Rolle spielen ESG-Anforderungen?
Deike Möller: Wir achten in der Nordkirche generell darauf, dass ESG-Belange angemessen berücksichtigt werden. Dies verstehen wir auch als Auftrag, der aus der Botschaft des Evangeliums hervorgeht. Für den Bereich Bau ist dies ausdrücklich im Kirchbaugesetz unserer Nordkirche festgeschrieben. Dort heißt es, dass bei allen Bau- und Gestaltungsmaßnahmen sowie beim Betrieb kirchlicher Gebäude auf Barrierefreiheit, Teilhabeförderung und Umweltschutz einschließlich Klimaschutz, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sowie auf die einschlägigen Vorschriften des Denkmal-, Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu achten sei.
Erbbaurecht und der Verkauf ungenutzter Flächen
Auf der Homepage kirchengrundstuecke.de stehen Häuser, Grundstücke, leer gezogene Kindergärten zum Verkauf: Von welchen Immobilien trennen Sie sich?
Deike Möller: Die Entscheidung, für welche Immobilien neue Nutzungen gesucht werden, treffen die Kirchengemeinden in Abstimmung und Beratung mit den Kirchenkreisen. Diese Beratungsprozesse ziehen sich oft über längere Zeit hin. Im Idealfall gibt es ein zukunftsgerichtetes Konzept der regionalen Kooperation, auf dessen Grundlage entschieden werden kann, welche Immobilien in einer Region weiterhin für die kirchliche Arbeit benötigt werden.
Täuscht der Eindruck oder ist es so: Fast alle Immobilien werden per Erbbaurecht vergeben. Warum?
Deike Möller: Die Vergabe im Erbbaurecht ist eine Möglichkeit, bebaute Grundstücke der Obhut anderer zu überlassen. So kann ein Teil der Gebäudelast abgegeben werden und dabei gleichzeitig die geltende Grundstücksrechtsverordnung eingehalten werden. Diese untersagt nämlich die Veräußerung von Grundeigentum der Körperschaften der Nordkirche, mit wenigen Ausnahmen.