Interview: Wie schafft es die Wohnungswirtschaft ihren Kohlendioxid-Ausstoß abzusenken?

Interview: Wie schafft es die Wohnungswirtschaft ihren Kohlendioxid-Ausstoß abzusenken?

Interview: Wie schafft es die Wohnungswirtschaft ihren Kohlendioxid-Ausstoß abzusenken?
Wie kann man den CO2-Fußabdruck verringern? Copyright: Gerd Altmann auf Pixabay

Die Energiewende bedeutet große Herausforderungen für den Gebäudebereich. Neben den Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Industriebauten hat die Wohnungswirtschaft eine zentrale Bedeutung für das Gelingen des notwendigen Wandels. Dazu Stellung nehmen in einem Interview Thomas Hummelsbeck, Geschäftsführer der Rheinwohnungsbau GmbH Düsseldorf, und Dirk Prüter, Geschäftsführender Gesellschafter bei PRÜTERPLAN Planungsbüro für Energie- und Haustechnik GmbH Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Agentur

Ist die Wohnungswirtschaft bereit und in der Lage, ihren Teil zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen?  

Thomas Hummelsbeck: Davon bin ich absolut überzeugt – auch wenn wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Aber die Wohnungswirtschaft ist mitentscheidend dafür, dass die deutschen Klimaziele im Gebäudebereich erreicht werden.  Ich bin sicher, dass wir diese Herausforderungen meistern können. Wir bei der Rheinwohnungsbau GmbH überlegen schon seit einiger Zeit, wie wir unseren CO2-Ausstoß verringern können. Denn das ist die neue Kenngröße. War es bisher der Primärenergieverbrauch, der ausschlaggebend war für einen bestimmten KfW-Standard, den das Gebäude erreichen sollte, so erleben wir gerade einen Paradigmenwechsel hin zu einer Bewertung auf Grundlage des CO2-Ausstoßes.

Der Kohlendioxid-Ausstoß und die Wohnungswirtschaft

Warum ist der CO2-Ausstoß so entscheidend?

Thomas Hummelsbeck: Weil die Verringerung des CO2-Ausstoßes maßgeblich ist für die Erreichung der Klimaziele. Ein KfW-55-Haus mit Gaskessel als Heizsystem verbrennt halt immer noch fossile Brennstoffe, und die sind das Problem. Zudem werden die Preise für Gas und Öl weiter steigen, auch getrieben durch die CO2-Abgabe.

Die CO2-Abgabe zahlt aber doch der Mieter über die Betriebskosten?

Thomas Hummelsbeck: „Die Wohnungswirtschaft ist mitentscheidend dafür,
 dass die deutschen Klimaziele im Gebäudebereich erreicht werden.“ Copyright: Stiebel Eltron
Thomas Hummelsbeck: „Die Wohnungswirtschaft ist mitentscheidend dafür, dass die deutschen Klimaziele im Gebäudebereich erreicht werden.“ Copyright: Stiebel Eltron

Thomas Hummelsbeck: Derzeit schon, aber das kann und wird auf Dauer nicht so bleiben, zumindest nicht in vollem Umfang. Hier sind wir als Wohnungswirtschaft gefragt, gemeinsam mit der Politik, Lösungen zu entwickeln, um das Kosten-Nutzen-Dilemma ein Stück weit aufzuheben. Unternehmen, die ihren CO2-Ausstoß stark senken, sollen davon auch stärker profitieren können.

Wie weit ist die Wohnungswirtschaft mit diesbezüglichen Überlegungen?

Thomas Hummelsbeck: Wir arbeiten auf verschiedenen Ebenen an dem Thema. Ich war beispielsweise Mitglied der Ad-hoc-Arbeitsgruppe 42 beim GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.), die sich mit dieser Thematik detailliert vor dem letzten GdW-Verbandstag auseinandersetzte. Aber ich merke in Gesprächen, dass einige die Notwendigkeit des Handelns immer noch nicht verinnerlicht haben. Da kommen Aussagen wie: „Das wird schon nicht so schlimm werden“ oder „Wie kommen wir irgendwie daran vorbei?“ Beide Einstellungen sind natürlich nicht hilfreich und schon gar nicht zukunftsfähig. Zum Glück werden diese Stimmen immer weniger. Es überwiegen diejenigen, die selbst etwas tun und gestalten wollen.

CO2-Ausstoß als neue Kenngröße

Zurück zum CO2-Ausstoß als neuer Kenngröße – wie genau funktioniert das?

Thomas Hummelsbeck: Beim GdW wurde ein energetischer Leitwert noch anhand des Primärenergieverbrauchs festgelegt: Die CO2-Abgabe bei Gebäuden mit mehr als 190 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr soll danach komplett beim Vermieter verbleiben. Alles, was darunterliegt, würde anhand eines Skalierungssystems unterschiedlich auf Vermieter und Mieter verteilt. Damit sollen jene Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit viel in die energetische Ertüchtigung ihrer Gebäudebestände investiert haben, entlastet werden.

Spannender ist jedoch die Idee, den CO2-Ausstoß zu ermitteln. Im Schnitt liegt dieser beispielsweise in unserem Unternehmen bei rund 24 Kilogramm Kohlendioxid pro Quadratmeter im Jahr. Um die Pariser Ziele zu erreichen, müsste er auf sechs bis zwölf Kilogramm sinken. Die Rheinwohnungsbau GmbH hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Kohlendioxid-Ausstoß auf sechs Kilogramm pro Quadratmeter im Jahr zu verringern!

Maßnahmen zur Verringerung des Kohlendioxid-Austoßes

Was sind denn konkrete Maßnahmen?

Thomas Hummelsbeck: Etwa die Hälfte unserer Bestandswohnungen sind bereits saniert, dabei haben wir immer versucht, mindestens den KfW-Standard 100 zu erreichen. Noch neu ist aber diese Erkenntnis: Um CO2-Emissionen zu vermeiden, muss man elektrifizieren. Weg von fossilen Brennstoffen hin zu Strom – grünem Strom.  Dabei darf es nicht nur darum gehen, möglichst viele Dächer mit Photovoltaik zu belegen, sondern dieser grüne Strom muss sinnvoll im Quartier genutzt werden.

So planen wir aktuell die Sanierung eines unserer ältesten Wohnquartiere im Duisburger Süden. Dabei geht es um 800 Wohnungen in rund 130 Gebäuden, allesamt aus den 50er Jahren. Der CO2-Ausstoß liegt dort aktuell bei rund 40 Kilogramm pro Quadratmeter im Jahr. Würden wir einfach alle Dächer mit Photovoltaik belegen, würden wir anfangs bei nur noch 24 Kilogramm pro Quadratmeter im Jahr liegen. Mit der Dekarbonisierung des bundesweiten Stromnetzes nimmt dieser Positiveffekt aber zunehmend ab. Also kein wirklich sinnvolles Ziel.

Dirk Prüter,
 Gesellschafter PRÜTERPLAN,
 über die Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes. Copyright: Stiebel Eltron
Dirk Prüter, Gesellschafter PRÜTERPLAN, über die Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes. Copyright: Stiebel Eltron

Wir planen, alle Gebäude wirtschaftlich sinnvoll energetisch zu sanieren und die Wärmeversorgung auf regenerative Energien umzustellen – mit Wärmepumpen. Und den Strom zum Betrieb der Wärmepumpen beziehen wir aus den Photovoltaik-Anlagen. Bereits modernisierte Gebäude sollen konsequent auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Nach Abschluss aller Maßnahmen ergeben die Gebäudesimulationen einen Wert von deutlich unter sechs Kilogramm Kohlendioxid pro Quadratmeter im Jahr.

Dirk Prüter: Wir haben exemplarisch für verschiedene Gebäude durchgerechnet, wie die Sanierung konkret aussehen könnte, welchen Effekt die Maßnahmen haben – und natürlich auch, welche Kosten entstehen. Daraus ist ein „Standard-Sanierungspaket“ entstanden, das je nach Gebäudegröße entsprechend skaliert wird. Wir dämmen die Gebäudehülle und die unterste Geschossdecke, außerdem werden die Fenster ausgetauscht. Die Wärmeerzeugung wird in allen Gebäuden auf Wärmepumpe umgestellt – so können wir den Anteil des grünen Stroms maximieren und dabei noch ein Vielfaches zusätzliche Umweltenergie einkoppeln. 

Wärmepumpen als zentraler Schlüssel für umweltfreundliche Heiztechnik

Welche Wärmepumpen kommen zum Einsatz?

Dirk Prüter: Wir planen mit der WPL 20/25 von STIEBEL ELTRON, einer sehr effizienten, leisen und dennoch leistungsstarken Luft-Wasser-Wärmepumpe. Je nach Größe wird pro Gebäude ein Gerät oder eine Kaskade mit zwei oder drei Geräten genutzt. An der ein oder anderen Stelle sind Nachbesserungen am Verteilsystem notwendig. Dabei geht es aber nur um einzelne Heizkörper. Wir haben untersucht, welche Vorlauftemperatur mit welchem Aufwand erreicht werden kann. Eine Frage war beispielsweise: ‚Mehr Dämmung und mehr Heizkörpervergrößerung bringen noch einmal drei oder fünf Kelvin, aber ist die Effizienz der Wärmepumpe dann so viel besser, dass sich der finanzielle Mehraufwand dafür lohnt?‘ Aus den Ergebnissen ist dann die energetisch und wirtschaftlich sinnvollste Lösung erarbeitet worden. 

Thomas Hummelsbeck: Luft-Wasser-Wärmepumpen sind meiner Meinung nach ein zentraler Schlüssel, wenn man auf umweltfreundliche Heiztechnik umsteigen will.

Wahrscheinlich fließen die Erfahrungen aus diesem Projekt in die Planung für weitere Sanierungen ein?

Thomas Hummelsbeck: Ja, natürlich. Wir erarbeiten hier eine Art Blaupause für später notwendige energetische Ertüchtigungen. Die Erkenntnisse werden uns wieder ein Stück weiterhelfen, den Kohlendioxid-Ausstoß unserer Bestandsbauten und damit unserer Gesellschaft insgesamt massiv zu senken. Das sind wir nicht nur unseren Mietern schuldig, sondern es entspricht auch unserem Selbstverständnis. Nicht zuletzt ist die Wahrung der Schöpfung ein wichtiger Aspekt in der Weiterentwicklung des Gebäudebestandes unseres Unternehmens.