Herausforderungen und Chancen der Bestandssanierung

Herausforderungen und Chancen der Bestandssanierung

Herausforderungen und Chancen der Bestandssanierung
Stephan Winn im Interview über die Chancen in der Bestandssanierung. Copyright: apoprojekt

Stephan Winn, Geschäftsführer der apoprojekt GmbH, spricht im Interview über die Chancen in der Bestandssanierung, die Initiative ECORE, kurzfristige Schritte, um ESG besser umzusetzen, und über die Vorteile von Lean Management.

Agentur

Die Branche muss sich, so fordern Sie, um die High Potentials kümmern, Bestandsgebäude der Baujahre um 1949 bis etwa 1990. Ist das nicht eine Selbstverständlichkeit?

Stephan Winn: Nein, denn die dafür notwendigen hohen Investitionen müssen sich auch rechnen. Da trauen sich noch nicht alle ran. Es gibt sehr viel Potential, um schnell viel CO2-Emissionen einzusparen und so die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Bauen im Bestand hat einen viel besseren ökologischen Fußabdruck als neu zu bauen, hier können wir substanziell beeinflussen. Allein 60 Prozent der 1,9 Millionen gewerblich genutzten Bestandsgebäude wurden vor 1987 gebaut – vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung.

Was macht Sanierungen so schwierig?

Sanierungen gelten gemeinhin als schwierig. Sie haben sich darauf spezialisiert, machen das seit mehr als 15 Jahren. Wie kann man sich diesem Thema angstfrei nähern?

Stephan Winn: Warum gelten Sanierungen als schwierig? In der Regel, weil – anders als beim Neubau – während der Realisierungsphase viel Unerwartetes passiert. Die Gebäudesubstanz ist häufig nicht sichtbar, versteckt sich hinter ‚alten Kleidern‘, die die statisch wirksamen Bauteile verhüllen. Wir sprechen von verdeckten Mängeln. Eine komplett leerstehende Immobilie, bereit für eine Kernsanierung, erlaubt uns im Zuge einer detaillierten Bestandsaufnahme Licht ins Dunkel zu bringen. Bei vollvermieteten Objekten wird das in den meisten Fällen schon schwieriger.

Frühzeitig Transparenz sicherzustellen ist ein Schlüssel zum Erfolg bei der Bestandssanierung. Zusätzlich haben wir es mit einer wirtschaftlichen Herausforderung zu tun. Meist finden wir die Objekte mit Baujahren vor 1990 in B- und C-Lagen, bei denen aufgrund geringerer Mieten als in Toplagen weitaus weniger Sanierungsbudgets zur Verfügung stehen. Außerdem finden wir dort schwierige Raumgeometrien vor, die den heutigen Anforderungen für moderne Büroflächen nicht immer gerecht werden. 

Komplex ja, aber doch nicht unmöglich. Wie wird mit Fehlern umgegangen?

Stephan Winn: Wir lernen bei jedem Projekt dazu. Jedes Bestandsobjekt ist ein Unikat. Das erlaubt bei der Sanierung nur einen geringen Standardisierungsgrad. Und das bedeutet auch, dass wir Fehler machen. Mit einer entsprechenden Fehlerkultur und einem transparenten Umgang damit partizipieren alle davon. Beim Bauen im Bestand ist es enorm wichtig, möglichst schon während der Beratungs- und Planungsphase die bautechnische Kompetenz am Tisch zu haben. Ich betrachte daher den Design & Build Ansatz heute mehr als je zuvor als eine der größten Chancen für erfolgreiche Kundenprojekte.

Nachhaltigkeit und ECORE – ESG-Circle of Real Estate

In welchen Assetklassen ist apoprojekt unterwegs?

Stephan Winn: Integrierte Projektabwicklung ist unabhängig von Ort und Assetklasse. Vor allem findet man uns im gewerblichen Immobilienbereich, also Büro, Gastronomie, Hotellerie sowie Einzelhandel. Deutschlandweit sind mehr als 500 Mitarbeiter tätig und leben unsere DNA: das Bauen im Bestand.

Wenn über Bestandssanierung gesprochen wird, dauert es nicht lange, bis das Wort Nachhaltigkeit fällt. Sie sind Gründungsmitglied der ECORE – ESG-Circle of Real Estate. Was verbirgt sich dahinter?

Stephan Winn: ECORE ist eine Initiative, die ein einheitliches Performance Scoring entwickelt hat, um Nachhaltigkeit in Immobilienportfolios transparent, messbar und vergleichbar zu machen. Etwa 120 Mitglieder – Investoren, Immobilienunternehmen, Banken und Verbände – sind dabei. Wir, als einer der Solution Partner, unterstützen unsere Immobilieninvestoren als Möglichmacher mit Expertise und Realisierungskompetenz, um die gesetzten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Das Scoring-Modell ist dynamisch, kann also jederzeit an aktuelle regulatorische Anforderungen angepasst werden. Stakeholder können anhand eines Prozentwertes von Null bis 100 erkennen, wie gut eine Immobilie oder ein Immobilienportfolio die Klima-Ziele und ESG-Kriterien erfüllt.

ESG ist immer noch sehr schwammig. Welche konkreten Schritte braucht die Branche kurz- und mittelfristig?

Stephan Winn: In solchen Phasen ist es wichtig, dass große Unternehmen, die in den letzten Jahren nachhaltig gewirtschaftet haben und entsprechend Geld verdient haben, als Vorbilder voran gehen. Jetzt geht es darum, Kompetenzen in der Branche weiter aus- und aufzubauen. Dafür braucht es Vertrauen, verlässliche Partnerschaften und darauf basierende gemeinsame Projekterfolge. Stichwort Vertrauen und Verlässlichkeit: Das gilt natürlich auch für die taktgebende Politik und Regulatorik. Solange es hier zu viel Grauzone und Spielraum gibt, bleibt es kompliziert. Das bremst die Transformation.

Lean Management oder die Vorteile der Schwarmintelligenz

Gerade in der aktuellen Situation – hohe Zinsen, Inflation, Fachkräftemangel – spielen die hohen Baukosten und ein effizienter Bauprozess eine bedeutendere Rolle. Sie haben sich auf Lean Management spezialisiert. Was verstehen Sie darunter?

Stephan Winn: Eigentlich ist das ganz einfach: Der Mensch und das Team als wesentliche Erfolgsfaktoren stehen im Fokus. Lean Management bedeutet, die Kompetenzen aller Projektbeteiligten zu bündeln. Weg von der Einzelkompetenz des alles überstrahlenden Projektleiters mit 20 Jahren Berufserfahrung hin zur Schwarmintelligenz, die sich aus beispielsweise 20 x 20 Jahren Berufserfahrung und damit insgesamt 400 Jahren speist. Bei komplexen Refurbishments sitzen sogar mehr als 20 Wertschöpfungspartner am Tisch – also können wir uns gemeinsam mehr als 400 Jahre Berufserfahrung zu Nutze machen.

Wo sehen Sie die Vorteile?

Stephan Winn: Neben der Bündelung von Kompetenzen ist Lean Management – methodisch richtig angewendet – ein sehr machtvolles Tool und verhilft nicht nur zu Prozessstabilität und gesteigerter Produktivität, sondern reduziert auch das Stresslevel aller Beteiligten. Die notwendige transparente Zusammenarbeit im Team, über Unternehmensgrenzen hinweg, kann für Lean Unerfahrene aber eine Herausforderung sein. Wichtig ist, dass das Mindset bei allen stimmt. Dann verwandelt sich das Team im Zuge der Projektarbeit zu einem High Performance- Team.

Wenn Lean Management so viele Vorteile hat, müsste es doch jeder nutzen.

Stephan Winn: Die Einführung von Lean Management ist nicht von einem auf den anderen Tag gemacht. Dass geht nur mit viel Konsequenz und Beharrlichkeit. Die Zahl derjenigen, die die Vorteile bereits erfahren haben, wächst.

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