Investmentmarkt: „Deutschland wird vom Ausland mit großen Fragezeichen gesehen“

Investmentmarkt: „Deutschland wird vom Ausland mit großen Fragezeichen gesehen“

Investmentmarkt: „Deutschland wird vom Ausland mit großen Fragezeichen gesehen“
Deutsche Städte wie Hamburg verlieren an Attraktivität für Investoren. Copyright: Reinhold Silbermann auf Pixabay

Das Urban Land Institute und PwC initiierten die Studie Emerging Trends in Real Estate® Europe. Die Ergebnisse zahlen nicht unbedingt auf den Investitionsstandort Deutschland ein und zeigen ein sehr differenziertes Befinden innerhalb der Immobilienbranche.

Agentur

Die Vorreiterrolle Deutschlands als Liebling der Investoren steht in Frage. Das ist – grob zusammengefasst – eine ernüchternde Erkenntnis aus der Studie Emerging Trends in Real Estate® Europe, die gemeinsam vom Urban Land Institute (ULI) und dem Beratungshaus PwC erstellt wurde. Basis dafür ist die Befragung von mehr als 1.000 Experten der Immobilienbranche.

„Deutschland wird durch das Ausland mit einem großen Fragezeichen gesehen“, sagt Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI Deutschland/Österreich/Schweiz. „Der Realitätscheck und die derzeitige Performance werfen die Frage auf, ob wir weiter dem Nimbus des sicheren Hafens gerecht werden können.“

Attraktivität deutscher Städte sinkt für Investoren

Das zeigt sich unter anderem an der Bewertung deutscher Städte im Vergleich zu anderen Metropolen. Die Attraktivität von London und Paris ist weiterhin ohne Makel, auf dem dritten Platz folgt Madrid. Die spanische Hauptstadt verdrängt Berlin auf Platz vier. München (7), Frankfurt am Main (9) und Hamburg (11) rutschen ebenfalls ab.

In den Ausführungen von ULI und PwC finden sich auch Zahlen von Oxford Economics: Danach stehen die deutschen Städte vor stagnierenden wirtschaftlichen Wachstumsaussichten mit einem durchschnittlichen realen Wachstum des Bruttoinlandproduktes von nur 0,1 Prozent im Jahr 2023. Daten von MSCI zeigen, dass das Investitionsvolumen in Deutschland in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 um 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. „Einige Interviewpartner, die für die Studie befragt wurden, weisen zudem darauf hin, dass sich die Immobilienpreise in Deutschland langsamer angepasst haben als in den meisten anderen europäischen Ländern“, heißt es in der Studie.

Branchenexperten befürchten in ein offenes Messer zu laufen 

„Zukunftsfähigkeit ist das Stichwort“, sagt Thomas Veith, Head of Real Estate PwC Deutschland und Global Leader Real Estate. „Der Verkaufsdruck wird 2024 weiter steigen, wir werden ein erhöhtes Angebot sehen. Die Frage ist, ob das Pricing dann passt.“ 75 Prozent der Führungskräfte der Immobilienbranche sind laut der Studie der Meinung, dass die aktuellen Bewertungen „nicht alle Herausforderungen und Chancen im Immobilienbereich widerspiegeln", da weiterhin ein deutlicher Abstand zwischen Marktpreiserwartungen von Käufern und Verkäufern besteht. Viele befürchten, „in ein offenes Messer zu laufen", da der Markt in Europa nach wie vor von großer Unsicherheit geprägt ist.

Lichtblicke und Eintrübungen

Doch es gibt auch Lichtblicke. So ist ein Drittel der Befragten optimistisch, dass die Rentabilität im Jahr 2024 steigen wird. Die Verbesserung des Geschäftsvertrauens steigt im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent. Aber: „Die Aussichten werden durch das schleppende Wirtschaftswachstum in Europa und die 'realistische Sorge' vor einer drohenden Rezession eingetrübt“, so Sabine Georgi.

Eine differenzierte Betrachtung macht ein Positiv-Negativ-Gefälle auf. „Die Ergebnisse der Studie zeigen zwar, dass die Branche noch abwartet, aber die Erfahrung aus vergangenen Marktzyklen lehrt, dass diese Phasen sehr gute Einstiegschancen für antizyklische Investoren bieten. Dabei werden die Investoren am meisten profitieren, die gleichzeitig die ESG- und Digital-Transformation mitdenken und am Ende die marktgängigsten Immobilien schaffen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es dafür einen einheitlichen Zeitplan für die verschiedenen europäischen Märkte gibt“, sagt Thomas Veith.

Dr. Harald Heim, German Head of Real Estate Deals & Construction PwC sowie PwC EMEA Real Estate Deals Leader, ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass die Verfügbarkeit von Fremd- und Eigenkapital in den kommenden Jahren deutlich eingeschränkt sein wird und zeitgleich erhebliches Kapital für Refinanzierungen und die Transformation von Immobilien benötigt wird. Der Effekt der Kapitalknappheit wird insbesondere im Bereich der institutionellen Immobilienallokation verstärkt, da konkurrierende Asset Klassen (wie beispielsweise Rentenpapiere) deutlich an Attraktivität gewonnen haben."

Sorgenkinder deutscher Investoren und Projektentwickler: Finanzierung und Refinanzierung

Dazu kommt: Die Stimmung der deutschen Investoren und Projektentwickler gehört zu den schlechtesten in Europa trotz bestehender Investitionsmöglichkeiten. Großes Thema: Finanzierung und vor allem Refinanzierung. „Das haben wir deshalb auch in der Studie gehighlightet“, so Sabine Georgi. 65 Prozent der Befragten machen sich genau dazu Sorgen, im Jahr 2022 waren es 30 Prozent. Die eintretende Kette erscheint logisch: Die Verfügbarkeit von Eigenkapital geht zurück, mehr Cashflow fließt in den Schuldenabbau, die Dividenden fallen geringer aus, eine Unzufriedenheit der in- und ausländischen Investoren ist die Folge.

Darüber hinaus wirke sich in Deutschland die Kombination von nicht einfachen Marktbedingungen auf den Zugang zu Kapital aus. Die Beleihungsquote sinke derzeit von 60 auf 50 Prozent, was dazu führt, „dass Immobilien mit geringer Energieeffizienz ein höheres Risiko für den Cashflow darstellen und daher ohne ausreichendes Eigenkapital keine Finanzierung erhalten“, so die Studie. „Insgesamt sieht sich die deutsche Immobilienbranche mit einem schleppenden Wachstum und schmerzhaften Investitionsanforderungen konfrontiert, um die ESG-Konformität neuer und bestehender Immobilien zu gewährleisten. Bei der für 2025 erwarteten Erleichterung bleibt Skepsis“, so die Studienmacher.

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