Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hat mehr als 350.000 Unterschriften gesammelt. Die formalen Voraussetzungen für die Durchführung des Volksbegehrens liegen damit vor. Dennoch wird es zu einer Sozialisierung von 240.000 Wohnungen nicht kommen, da dies weder verfassungsgemäß noch finanzierbar ist.
Die Initiatoren berufen sich auf Art. 15 Satz 1 Grundgesetz (GG). Danach gilt: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Die Initiatoren vertreten unter Berufung auf einen führenden Kommentar zum Grundgesetz, dass die Sozialisierung einfach auf Grundlage eines Gesetzes erfolgen kann, das die Entschädigung regelt. Dieses Gesetz müsse sich keinen weiteren inhaltlichen Anforderungen stellen.
Präzedenzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Enteignung fehlen
Zur Anwendung gekommen ist diese seit 1949 in der Verfassung stehende Vorschrift bisher noch nicht. Damit fehlt es an jeglicher Erfahrung und insbesondere entsprechender Präzedenzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes. Umstritten ist, ob Wohnungsunternehmen in den Anwendungsbereich des Art. 15 GG fallen. Gestritten wird weiter, ob Art. 15 GG im Land Berlin überhaupt zur Anwendung kommen kann. So sprechen sich gewichtige Stimmen dagegen aus, da die Berliner Verfassung die Eigentumsfreiheit garantiert, ohne eine dem Art. 15 GG entsprechende Sozialisierungsmöglichkeit zu schaffen.
Entscheidend dürfte aber vor allem sein, dass nach dem in Art. 20 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip „die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung“ gebunden ist. Kernelement des Rechtsstaatsprinzipes sind die Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot, wonach jede Maßnahme, die in die Grundrechte eingreift, einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgen und überdies geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinn („angemessen“) sein muss. Während der Schutz der Mieter, insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur sogenannten Mietpreisbremse, einen legitimen öffentlichen Zweck darstellt, dürfte der Sozialisierung die Erforderlichkeit und Angemessenheit fehlen. Schließlich hat es der Staat vor allem selbst in der Hand, mit einer verstärkten Ausweisung von Bauland die Angebotsknappheit zu beseitigen.
Diskussion um Höhe der Entschädigung im Falle einer Enteignung
Diskutiert wird weiter über die Höhe der Entschädigung. Die amtliche Kostenschätzung schätzt die Entschädigungskosten auf 28,8 bis 36 Milliarden Euro. Die Initiatoren gehen dagegen von einer Billigkeitsentschädigung in Höhe von nur rund zehn Milliarden Euro aus. Unabhängig davon, welche Zahl hier im Endeffekt richtig ist, sprengt dies jeglichen Rahmen: Der Haushalt des Landes Berlin umfasst aktuell ein Haushaltsvolumen von 32 Milliarden Euro. Viele Mittel davon sind langfristig gebunden. Finanzierbar ist das Ansinnen folglich nur mit einer dramatischen Verschuldung.
In der aktuellen Niedrigzinsphase mag das vielleicht irgendwie darstellbar sein. Doch dass die Zinsen ewig niedrig bleiben, kann niemand garantieren und Wohninvestments müssen langfristig orientiert sein. Vor zwanzig Jahren führte die dramatische Überschuldung der Kommunen und Wohnungsunternehmen jedenfalls zu einer Vernachlässigung der Bestände und zu den massiven Verkäufen städtischer Wohnungen. Dabei handelte es sich übrigens um genau die Wohnungen, die heute im Wege der Sozialisierung für ein Vielfaches zurückgekauft werden sollen.
Sozialisierung als Hirngespinst von Enteignungsinitiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen"
Festzuhalten bleibt: Die Sozialisierung von Wohnungsunternehmen kann man getrost als Hirngespinst abtun. Weder ist es verfassungsrechtlich zulässig noch praktisch finanzierbar. Doch einer Fehlvorstellung sollten weder Politik noch Immobilienwirtschaft unterliegen: 350.000 Unterschriften sind ein Statement, dass die heutige Situation nicht weiter tragbar ist. Schuldzuweisungen helfen hier nicht weiter, auch nicht der Verweis auf einzelne Akteure und deren Brandmarkung als schwarze Schafe. Weder handelt es sich nur um ein Marktversagen noch kann dem Staat allein die Schuld zugewiesen werden. Politik und Immobilienwirtschaft sind vielmehr gemeinsam aufgerufen, bessere Antworten auf den „Mietenwahnsinn“ zu finden und endlich ausreichend Wohnraum für die breiten Schichten der Bevölkerung zu angemessenen Konditionen zur Verfügung zu stellen.
Aufmacherfoto: Es wird zu keinen Enteignungen kommen, sagt Dr. Mathias Hellriegel. Copyright: (li) Deutsche Wohnen & Co. enteignen! (re) HELLRIEGEL RECHTSANWÄLTE