In diesem Jahr stand die Jahrestagung des Vereines crenet unter dem Motto „Bausteine der Zukunft: Transformation, KI und die neue Assetklasse Data Center”. In Bremen präsentierten unterschiedliche Stakeholder unter anderem Best Practices.
Betriebsimmobilien sind die DNA des Vereines crenet, der zu seinem Jahreskongress nach Bremen einlud. Die interdisziplinäre Wissens- und Kommunikationsplattform für Corporate Real Estate Management sieht sich als Impulsgeber, das Programm spiegelte diese Intention wider. Verschiedene Best Practices und Diskussionsrunden gaben Einblicke in Neuentwicklungen, Herausforderungen, die verschiedenen Herangehensweisen von Stakeholdern. IMMOBILIEN AKTUELL war vor Ort und fast einige der Programmpunkte zusammen.
Lune Delta in Bremerhaven: „Paradebeispiel für die Quartiersentwicklung der Zukunft“
„Lune Delta – Ein nachhaltiges Gewerbegebiet als Leuchtturmprojekt“ hatte Nils Schnorrenberger, Geschäftsführer der BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH, seinen Vortrag überschrieben und stieg gleich provokativ ein: „Ich kann nicht über eine Energiewende sprechen, es ist eher ein Energieslalom.“ Er wünschte sich mehr Verlässlichkeit hinsichtlich der Umgebungsvariablen, legte den Finger in die Zukunfts-Wunde: „Nachhaltigkeit schreiben alle groß, immer mehr meinen es ernst.“ Aber eben noch nicht alle. Und er zeigte die großen Herausforderungen auf, die mit der Entwicklung eines Projektes wie Lune Delta im Süden von Bremerhaven einhergehen.
Das nachhaltige Gewerbegebiet gilt als Vorbild: 150 Hektar groß ist das Areal, knapp 94 Hektar davon werden in unterschiedlichen Flächengrößen vermietet, knapp über 28 Hektar groß sollen Gemeinschaftsflächen einnehmen, wie Kita oder Kantine. Zielgruppen sind, laut der Projektbroschüre, „‘grüne‘ Unternehmen aus Energie- und Umwelttechnik, Abfall- und Kreislaufwirtschaft, Mobilität und Logistik, Kommunikations-und Informationstechnologie oder Betriebe aus anderen Bereichen, die eine nachhaltige Geschäftsphilosophie verfolgen“. Es wird zirkulär gedacht, es gibt nichts anderes als erneuerbare Energien, ein zentrales Regenwassersystem, der Netzwerkgedanke wird integriert. Kurzum: Es ist alles angerichtet für die Zukunft.
Doch auch Leuchtturmprojekte dürfen in Deutschland keine Ausnahme sein und müssen sich einem langen Prozedere aus Genehmigungen beugen. 2017 wurde begonnen, 2024 gab es nun für die ersten Hektar Baugenehmigungen. „Wir mussten fast 40 Gutachten liefern, bis hin zu einer Lichtemissions-Prognose“, so Nils Schnorrenberger. In dem umfangreichen Bebauungsplan seien teilweise sehr rigide Maßnahmen eingearbeitet, Kästen für Mauersegler dabei eher noch harmlos.
Lune Delta wird durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) begleitet. „Die konsequente Verfolgung von Nachhaltigkeitsaspekten macht sich bemerkbar“, so Nils Schnorrenberger. „Die Identifikation des Teams mit diesem Projekt ist sehr groß.“ Erfreulicher ‚Nebeneffekt‘: Das Recruiting gestaltet sich einfacher. Oder wie es Prof. Dr. Wolfgang Schuster, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung sowie Oberbürgermeister a. D. der Stadt Stuttgart, ausdrückt: „Lune Delta ist ein Paradebeispiel für die Quartiersentwicklung der Zukunft.“
SPURWERK I Der Neustadtsgüterbahnhof in Bremen: „Aus Schandfleck Quartier machen“
„Wir als Bremer Unternehmen wollten das unbedingt entwickeln“, sagte Marco Dibbern, Leiter Projektentwicklung & Geschäftsführer Dänemark bei Peper & Söhne. „Aus diesem Schandfleck soll ein neues Quartier werden, auch wenn es sehr viele Herausforderungen gibt.“ Für das 90.000 Quadratmeter große Gelände des ehemaligen Neustadtsgüterbahnhofs ist ein modernes Areal für Gewerbe, Handwerk und urbane Manufakturen geplant. Unter den drei ‚D’s: Dezentralisierung, Dekarbonisierung, Digitalisierung. Mit architektonisch anspruchsvollen Fassaden, viel Grün, ein in sich lebendiges Quartier. „Häuserschluchten sollten es nicht sein“, so Marco Dibbern. Der eigenständige Charakter des SPURWERKS wird zudem durch flexible Gebäude mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten, Energieeffizienz, Barrierefreiheit, Sharing-Angeboten, einem durchdachten Leitsystem unterstrichen. Es gibt bereits ein DGNB-Vorzertifikat in Gold. Für 2028 ist die Fertigstellung geplant.
Unternehmensimmobilien im Check: „Grüner, dynamischer und lebendiger“
Ralf-Peter Koschny, Sprecher des Vorstandes der bulwiengesa AG, unterzog die Unternehmensimmobilien einem Datencheck. „Die Preise sind trotz der Krise nicht zusammengebrochen“, sagte er zu Beginn und verkündete damit direkt die frohe Botschaft. Das spreche für eine Stabilität. Die Renditespreizung reiche deutschlandweit betrachtet von unter vier bis acht Prozent. Der Flächenumsatz zeigt sich ähnlich konstant, der Leerstand ist im Gegensatz zu anderen Assetklassen gering. „Die Mieten steigen leicht, wir werden da in den kommenden Jahren keinen Stillstand haben.“ Noch sei die Pipeline voll, allerdings mit einem leichten Rückgang. Im Investmentmarkt spielen Unternehmensimmobilien eine Rolle vor allem für Family Offices. „Es wird grüner, dynamischer und lebendiger“, schaute Ralf-Peter Koschny auf die Zukunft.
„Transformation der Wirtschaft auch für Unternehmensimmobilien relevant“: Diskussion zu KI, Daten, Bedarf und kommunalen Bau
Tariq Hussain, Client Growth & Innovation bei JLL, zeigte zuerst ein Ranking aus dem Jahr 2023, in dem die Reihenfolge Nachhaltigkeit, Kostenreduzierung, Transformation und Arbeitswelten lautete. „Das sieht 2024 etwas anders aus: Die Kostenreduzierung ist auf Platz eins, Nachhaltigkeit fällt auf Platz drei zurück und als zusätzlicher Punk kommt noch die Künstliche Intelligenz dazu. Die spielte vorher kaum eine Rolle.“ Mark Klausen, National Real Estate Manager bei Kuehne + Nagel, die etwa 2,6 Millionen Quadratmeter bewirtschaften, stimmte zu: „Daten sind heute unser Thema. Wir brauchen gar nicht über KI zu sprechen, wenn wir nicht an die Daten rankommen und sie nicht verstehen, Datentransfers sind ein Top-Thema.“ Er arbeite beispielsweise an einem Use case, wie das in Mietverträge implementiert werden könne. Oliver Schirp, Bereichsleiter Immobilien bei der STRABAG BRVZ und für Corporate Real Estate zuständig, sah alles sehr pragmatisch: „Gewerbepark ist nicht sexy und deshalb nicht zwingend ‚investable‘, also bauen wir viel für uns selbst.“ Insgesamt verantwortet er mehr als 320 Immobilien, die alle bis 2040 klimaneutral sein müssen. Johannes F. Hirzebruch, Head of Corporate Real Estate Management und Vice President bei der LEONI AG lenkte die Aufmerksamkeit noch auf ein ganz anderes Thema. „Die Automobilindustrie ist zwar wichtig für Deutschland, das kann man im Moment nicht wegdiskutieren. Wir sehen aber eine Transformation der Industrie, die Deutschen sind auch in diesem Bereich nicht mehr die relevanten Player.“ Was passiere also, wenn beispielsweise chinesische Investoren nach Deutschland kommen, was bedeutet das für die Immobilien? Was für eben jene Player, die aus viel stärker transaktionsbezogenen Ländern kommen? Fragen, auf die man für die Zukunft Antworten finden müsse. Die kommunale ‚Brille‘ hatte in dieser Runde Payam Dehghani auf. Er leitet die Bauabteilung der Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH, die etwa 30.000 Kinder betreut und ebenfalls Immobilien fit für die Zukunft machen muss. „Bisher war das eher kein finanzielles Problem, sondern wir hatten ein Problem damit, die PS auf die Straße zu bringen.“ Nicht nur, aber auch wegen eines akuten Fachkräftemangels.
Beispiele aus der Historie: „Welche Visionen haben wir?“
Hanns Kastner, Geschäftsführender Gesellschafter bei kai.plan, erinnerte an die Geschichte. An die Konversion der Uffizien, an die Giardini Publicci in Venedig, an die Transformation von Paris, in eine Stadt mit einem ausgeklügelten Kanalsystem, Alleen, modernen Stadthäusern. Und wer liebe Paris heute nicht? „Es gab massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur im Zuge der Industrialisierung, überall standen davor Visionen. Heute müssen wir uns fragen: Welche Visionen haben wir?“ Es bedürfe beispielsweise einer Strategie, wie mit Denkmalpflegern verhandelt werden könne, wie auch in diesem Bereich Transformation funktioniert. „Das Gute ist nicht, immer alles gut zu lassen, also nichts zu machen. Der Barock hat es vorgemacht, da wurde mit Denkmälern anders umgegangen.“ Hanns Kastner sieht auch außerhalb Deutschlands eine „frischere, dynamischere Auseinandersetzung“ mit diesen Themen. Und natürlich durfte bei der crenet Jahrestagung das Thema nicht fehlen: „Die Regulatorik schlägt uns immer engere Korridore. Wenn wir es richtig machen, kann das einem zu Fortschritt werden, da wir denken müssen und nur mit Kreativität vorankommen.“ Den ganz großen Bogen aber auch er zu China. „Die Kreislaufwirtschaft muss hier passieren, nicht dort. Wir brauchen hier leistungsfähigere Verkehrsnetze, neue Verteilnetze und wenn wir die haben, müssen wir uns fragen: Stehen unsere Logistikimmobilien noch an der richtigen Stelle? Osteuropa wird eine wichtigere Rolle spielen.“