Katrin Williams, Vorstandsvorsitzende des Vereins Frauen in der Immobilienwirtschaft, spricht im Interview über Gleichberechtigung, den Frauenanteil in Vorständen, den Vorteil von gemischten Führungsteams und das Mentoring-Programm mit der EBZ Business School.
Mitten in der Corona-Pandemie bleibt Digitalisierung eines der Hauptschlagworte. Auch für den Verein Frauen in der Immobilienwirtschaft: Wie gestaltet sich der Kontakt zu den Mitgliederdamen?
Katrin Williams: Da geht es uns wie vielen anderen Vereinen, Verbänden und Unternehmen: Wir haben uns zu Beginn der Krise sehr schnell mit den Möglichkeiten der Digitalisierung befasst und sind mit unseren 13 Regionalgruppen auf digitale Veranstaltungsformate umgestiegen. Diese finden nun mehrmals pro Woche statt. Das Gute dabei ist, dass sich viele unserer bundesweiten Mitglieder erst dadurch kennenlernen konnten. Denn eine Immofrau in Hamburg kann jetzt ganz unkompliziert an einem Online-Vortrag unserer Stuttgarter oder Leipziger Regionalgruppe teilnehmen, was bei den früheren Präsenz-Veranstaltung zeitaufwendiger war. Auch mit den internationalen Vereinen der Women in property treffen wir uns in diesem Jahr online statt auf unseren traditionellen MIPIM-Events. Trotzdem fehlen die persönlichen Treffen ganz ungemein. Deshalb hoffen wir sehr, dass ein persönliches Treffen auf der EXPO REAL wieder möglich sein wird.
Von Gleichberechtigung kann in der Immobilienbranche noch keine Rede sein
„Der Fortschritt beim Frauenanteil in den Vorstandspositionen ist eine Schnecke." So begann der Artikel in einer Branchenzeitschrift vor zwei Jahren. Was hat sich geändert und was soll noch geschafft werden?
Katrin Williams: Unser Verein wurde vor 21 Jahren auf der MIPIM gegründet, da dort der Exotenstatus von Frauen in führenden Positionen in der Immobilienwirtschaft besonders sichtbar wurde. Inzwischen hat sich natürlich schon einiges getan. Von einem Durchbruch in Punkto Gleichberechtigung kann aber noch keine Rede sein. Bei 60 Prozent der Immobilienunternehmen sind die gesamten Vorstände ausschließlich mit Männern besetzt. Auch die Zielgröße Null ist noch immer omnipräsent.
Deshalb halte ich persönlich es für einen richtigen Weg, den die Bundesregierung nun mit dem Gesetzentwurf für mehr Frauen in Führungspositionen (kurz FüPoGII) geht. Hierzu gibt es aber unterschiedliche Meinungen in unserem Verein. Wichtig ist, dass endlich ein flächendeckendes Umdenken, ein Mentalitäts- und Kulturwandel in den Unternehmen einsetzt: Angesichts der riesigen Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung und des War for Talents kann es sich die Branche schlichtweg nicht leisten, auf hochqualifizierte und hochmotivierte weibliche Expertinnen zu verzichten.
2012 hat der Verein gemeinsam mit IVG Immobilien in einer Studie Kennzahlen erarbeitet: Damals stellten demnach Frauen knapp die Hälfte der Beschäftigten in der Immobilienwirtschaft, zumindest bei den Befragungsteilnehmern. Im Top-Management allerdings besetzten sie nur knapp jede zehnte Stelle. Im Mittel-Management schwankte der Anteil zwischen 21 und 24 Prozent. Gibt es hier aktuelle Zahlen?
Katrin Williams: Die Immofrauen veröffentlichen regelmäßig Studien und Umfragen zum Thema Frauenkarrieren in der Immobilienwirtschaft, beispielsweise auch 2016 mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Derzeit arbeiten wir an einer gemeinsamen, repräsentativen Studie mit PwC (PricewaterhouseCoopers GmbH), die im Frühsommer veröffentlicht werden soll. Darin untersuchen wir den Frauenanteil in unterschiedlichen Segmenten der Immobilienwirtschaft und auf unterschiedlichen Karrierestufen.
Aber werfen Sie jetzt schon mal einen Blick auf den Frauenanteil in den Vorständen der 24 börsennotierten Immobilienunternehmen: Der liegt noch immer bei nur zehn Prozent. Das sind absolut ernüchternde Zahlen, zumal seit Jahren etwa 50 Prozent der Studierenden in vielen immobilienwirtschaftlichen Studiengängen Frauen sind. Es geht also darum: Wo gehen die Frauen auf dem Weg an die Spitze verloren – und warum?
Helfen solche Befragungen bei der Justierung von geeigneten Maßnahmen?
Katrin Williams: Ja, denn sie liefern einen ungeschminkten, empirisch untermauerten Blick auf die Realität, der keine Schönfärberei erlaubt. Und somit verdeutlichen sie den dringlichen Handlungsbedarf und bringen das Thema auf die Agenda! Dass daraus entsprechende Handlungsschritte abgeleitet werden müssen, ist klar. Und die müssen auf vielen Ebenen und von vielfältigen Akteuren initiiert werden: Von Unternehmen, von der Politik, von Bildungseinrichtungen und Branchenverbänden.
Vorstände von börsennotierten Unternehmen zu 93 Prozent männlich besetzt
Es gibt viele Studien darüber, dass gemischte Führungsteams die Idealbesetzung sind. Was ist so schwierig an der Umsetzung?
Katrin Williams: Vielleicht haben Sie schon vom sogenannten „Thomas-Kreislauf“ gehört: Die AllBright Stiftung hat herausgefunden, dass in deutschen Vorständen mehr Männer mit den Vornamen Michael und Thomas vertreten sind als Frauen. Die Vorstände von börsennotierten deutschen Unternehmen sind zu 93 Prozent mit Männern besetzt, die sich in Alter, Herkunft und Ausbildung stark gleichen. Diese rekrutieren – bewusst oder unbewusst – jüngere Kopien von sich selbst und schaffen so extrem homogene Vorstände. Dadurch geht jedoch sehr viel innovatives, aber auch selbstkorrigierendes Potenzial verloren, das Unternehmen extrem nach vorne bringen könnte. Zudem sind gemischte Führungsteams nachweislich profitabler.
Welche Mentorinnen-Programme bietet der Verein an?
Katrin Williams: Am 21. April ging die zweite Runde des Frauen-Mentoring-Programms an den Start, dem gemeinsamen Projekt der Immofrauen und der EBZ Business School. 19 Mitglieder unseres Vereins begleiten ein Jahr lang 19 Studierende (die Mentees) an der Hochschule. Die Schirmherrschaft hat die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach übernommen.
Unser Ziel ist es, dass die Mentees die bestmögliche Unterstützung erhalten und auf die Erfahrung und das Netzwerk der Mentorinnen zurückgreifen können. Wie macht man die eigenen Fähigkeiten sichtbar, was sind ungeschriebene Regeln beim Aufstieg in der Arbeitswelt und wie kann man die für sich nutzen? All das ist entscheidend für die Karriere und kann man in keiner Ausbildung, in keinem Studium lernen. Deshalb ist Mentoring so wichtig.
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