Kommt jetzt das starke rechtssichere Vorkaufsrecht?

Kommt jetzt das starke rechtssichere Vorkaufsrecht?

Kommt jetzt das starke rechtssichere Vorkaufsrecht?
Das Terrain der ehemaligen Esso-Häuser auf St. Pauli dient als Paradebeispiel. Quelle: muhme-photography

Rechtsanwalt Prof. Dr. Andreas Koenen hat für IMMOBILIEN AKTUELL aufgeschrieben, warum der gezielte Einsatz des kommunalen Vorkaufsrechts in Zeiten steigender Bodenpreise und wachsender Verdrängungsprozesse in Großstädten wie Hamburg, München, Berlin und Leipzig zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Agentur

Gehen die zukünftigen Regierungsparteien jetzt gerade erste Schritte in Richtung Baugesetznovelle? Diesen Eindruck vermittelt zumindest der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Bau. Dieses Papier kommt den Vorstellungen von Mietervertretern sowie der Wohnungs- und Bauwirtschaft erstaunlich nahe. So steht dort unter anderem festgeschrieben, dass Kommunen in Milieuschutzgebieten und bei Problemimmobilien künftig leichter selbst kaufen können.

Mit einem starken Vorkaufsrecht gegen Wohnraumverknappung und Verdrängung. Das wäre ein Fortschritt, den insbesondere die Verantwortlichen in deutschen Großstädten laut begrüßen würden. Ungenutzter Baugrund in zentraler Lage ist mehr als ein Ärgernis, es ist oftmals ein gesellschaftspolitisches Desaster. Das Terrain der ehemaligen Esso-Häuser auf St. Pauli dient als Paradebeispiel: Eine gewichtige Bebauungsfläche mitten in der Stadt liegt jahrelang brach. Wo früher 110 Wohnungen für Geringverdiener sowie Läden, der berühmte Molotow-Club und die namensgebende Tankstelle zu finden waren, klafft seit dem Abriss der einsturzgefährdeten Häuser 2014 ein Loch – sie Baustelle zu nennen, wäre übertrieben. In den nun mehr als zehn Jahren erfolgte keinerlei Umsetzung einer neuen Bebauung. Durch Proteste, Einwirken der Stadt und Ansprüche der Mieter und Initiativen entstand jedoch zumindest ein Plan dafür. Doch der Eigentümer des Grundstücks, die Bayerische Hausbau, baut nicht. Stattdessen erwarben im November 2024, also zehn Jahre später, die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA und die Quantum Immobilien AG das Grundstück direkt von der Bayerischen Hausbau Development. Durch diese Übernahme soll nun bis 2028 ein Projekt mit 100 Prozent öffentlich gefördertem Wohnraum, Kreativflächen und einem Hotel entstehen.

Solche ungenutzten, hitzig diskutierten Flächen gibt es in vielen Städten. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter kritisierte im August 2024 in diesem Kontext, dass selbst die zuletzt entworfene Baugesetznovelle das Wiedererstarken des kommunalen Vorkaufsrechts nicht zum Thema machte. Das kann sich nun ändern.

Der gezielte Einsatz des kommunalen Vorkaufsrechts gewinnt in Zeiten steigender Bodenpreise und wachsender Verdrängungsprozesse in Großstädten wie Hamburg, München, Berlin und Leipzig zunehmend an Bedeutung. So demonstrierte Hamburg eindrücklich, dass die Stadt bereit ist, in strategisch wichtigen Lagen entschlossen einzugreifen: Im Rahmen eines Share Deals am Binnenhafen setzte die Stadt – zum ersten Mal in dieser Form – ihr Vorkaufsrecht ein, um zu verhindern, dass spekulative Investoren das begehrte Areal für städtebaulich problematische Renditeobjekte übernehmen. Diese Entscheidung, die bundesweit für Aufsehen sorgte, hat gezeigt, dass das Instrument, trotz aller Hürden, die ihm nicht zuletzt das aktuelle Baugesetzbuch in den Weg legt, über Sprengkraft verfügt.

Auch Berlin hat in ausgewählten Milieuschutzgebieten das bauplanungsrechtliche Instrumentarium zum Einsatz gebracht. Die Stadt nutzte das ihr gesetzlich zustehende Vorkaufsrecht, um zu verhindern, dass historische Wohnanlagen in Objekte mit ausschließlich luxuriösen Nutzungsumwandlungen transformiert werden. Ein ähnliches Vorgehen dokumentierte jüngst auch Leipzig, wo die Stadt ihr Vorkaufsrecht bei einem umstrittenen Gewerbegrundstück durchsetzte. Dieses Grundstück stand im Fokus, da seine zukünftige Nutzung in engem Zusammenhang mit dem regionalen Wohnraummangel gesehen wurde und spekulative Entwicklungen befürchtet wurden. Daneben bewegt sich auch München in diesem Spannungsfeld zwischen Marktkräften und der Verantwortung, die Quartiersstruktur im Sinne des Gemeinwohls zu erhalten.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nur innerhalb eines engen im Baugesetzbuch verankerten Rahmens möglich. Ziel ist es, frühzeitig in die Grundstücks- und Quartiersentwicklung einzugreifen und somit einer spekulativen Verwertung entgegenzuwirken. Die um Jahre zurückliegenden gesetzlichen Erweiterungen im Rahmen des Baulandmobilisierungsgesetzes 2021 haben dieses Instrument nur marginal gestützt, doch zeigen die obigen Beispiele, dass Städte den Willen haben, dieses Recht konsequent einzusetzen. Sie fordern eine Modernisierung des Baugesetzbuches, um auch künftig in die bauliche Entwicklung eingreifen zu können.

Das kommunale Vorkaufsrecht ist längst über ein reines Notfallinstrument hinausgewachsen. Es wird zum strategischen Werkzeug, um den Verdrängungsdruck in urbanen Zentren einzudämmen und lebenswerte Quartiere zu erhalten. Damit es jedoch zum wirkungsvollen Baustein einer Baulandmobilisierung wird, braucht es gesetzlicher Nachbesserungen.

Über den Autor 

Prof. Dr. Andreas Koenen ist Rechtsanwalt und Fach­anwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Die Kanzlei KOENEN BAUANWÄLTE wurde 2004 gegründet, seit 2006 agiert er als Lehrbeauftragter für Privates Baurecht an der Philipps-Universität in Marburg. Zum Sommersemester 2019 übernahm er einen Lehrauftrag an der EBZ Business School (FH) mit Sitz in Bochum, von der er im Juni 2021 zum Honorarprofessor ernannt wor­den ist. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Öffentliches Baurecht, Allgemeines Verwaltungsrecht und WEG-Recht. Er ist zudem Vertrauensanwalt des Bundes Deutscher Architekten (BDA) sowie Geschäftsführer des NETZWERK BAUAN­WÄLTE, einem bundesweiten Verband auf Baurecht spezialisierter Anwaltskanzleien.