Noch immer stehen viele Baustellen still und die von der Bundesregierung angestrebten Neubauziele werden nur zu einem ganz kleinen Teil erfüllt. Projektentwickler wie Becken, Investoren wie Catella und Landentwickler wie die DLE AG erklären, was passieren muss, damit der Bau wieder in Schwung kommt.
„Wir investieren in der Hauptsache in öffentlich geförderten oder mietpreisgedämpften Wohnraum und das ist nicht mehr möglich“, sagt Dieter Becken. Der Geschäftsführende Gesellschafter der Becken Holding sagt das zum einen als Projektentwickler, zum anderen für den Immobilienmanager INDUSTRIA, der für private und institutionelle Anleger in Wohnraum investiert.
Laut seinen Angaben kostet ein Quadratmeter Bruttogeschossfläche 3.000 Euro, deshalb sei es gar nicht mehr möglich, zu bauen und das auch noch bezahlbar. „Zudem können wir Anlegern keine angestrebte Rendite von fünf Prozent ermöglichen.“ Und er spricht aus, wovor sich viele scheuen. „Die Mieten müssten steigen, auf 25 Euro.“ Was in einzelnen Toplagen bereits so ist, würde dann zu einem Flächenphänomen. Seine Prognose: 2026 fehlen in Deutschland zwei Millionen Wohnungen.
Deutsche Unprofessionalität und Intransparenz beispiellos in Europa
„Im Risikomanagment gibt es kein Tool, das derzeit den Erwerb von Immobilien empfiehlt“, sagt Michael Keune, Geschäftsführer von Catella Residential Investment Management (CRIM). Der Investor kauft beispielsweise für Pensionskassen oder Versorgungswerke ein, für Institutionen die einen Anlagehorizont von mehreren Jahrzehnten haben. „2024 werden über Projektentwicklungen in unseren Fonds etwa 1.000 neue Wohnungen fertiggestellt, 2025 sind es nur noch 500 Wohneinheiten. Letzteres entspricht gerade einmal einem Sechstel der 3.000 Fertigstellungen von 2023.“
Das Unternehmen ist in neun Ländern aktiv. „Die Unprofessionalität und Intransparenz – hier sei das Thema Grundstücksspekulation genannt– gibt es in keinem anderen europäischen Land“, so Michael Keune. „Das liegt auch an den vielen Verästelungen innerhalb des föderalen Systems, beispielsweise in Berlin mit dem Senat, den Bezirksbürgermeistern.“
Der Staat sollte auf die Umsatzsteuer verzichten
Simon Kempf, CEO der DLE AG mit vier Fonds und über 40 Quartiersentwicklungen in Deutschland unterwegs, baut das Schreckensszenario weiter aus: „Allein wir könnten 40.000 bis 50.000 Wohnungen schaffen. Politik ist nicht verlässlich und die Förderkulisse steht nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zum bundesdeutschen Haushalt wieder auf der Kippe“, so der Immobilienexperte. Die Analyse der DLE-eigenen Projekte zeigt auf: 31 Prozent der Verfahren sind zu komplex und dauern zu lange.
Die Abstimmungen zwischen den verschiedenen Stakeholdern entwickelten sich in den vergangenen Jahren ebenfalls zu hochkomplexen Prozessen, die dauern und damit die Kosten weiter in die Höhe treiben. Viele Gemeinden treiben zudem die Angst vor Zuzug, der Wegfall der Identität und eine problematische soziale Infrastruktur um. „Die Raumordnungsverfahren müssten gestärkt werden“, so Dr. Simon Kempf. „Nach unseren Berechnungen entstehen 37 Prozent der Kosten beim Neubau durch den Staat. Wenn der beispielsweise auf die Umsatzsteuer verzichten würde, könnte die Entwicklung wieder positiv laufen.“
Serielles Bauen ist kein Allheilmittel um das Bauen für den Wohnungsmarkt anzukurbeln
Dieter Becken hat ebenfalls Vorschläge, sagt: „Wir brauchen einen Notfallplan, von mir aus auch einen zeitbegrenzten.“ Für ihn gehören ebenfalls der Wegfall der Umsatzsteuer dazu, eine breiter aufgestellte AfA, das Abspecken der Landesbauordnungen sowie schnellere Verwaltungen. Zudem fordert er vom Bund eine subventionierte Abgabe von Grundstücken, auf denen sozialer Wohnungsbau realisiert werden kann. Seiner Meinung nach werden die Baukosten nicht mehr so sinken, wie viele es erhoffen, serielles Bauen wird kein Allheilmittel sein. „Es muss etwas passieren, ich verstehe die Politik nicht, dass sie nichts unternimmt.“
Das Analysehaus Colliers blickt verhalten auf 2024: „Eine anhaltend steigende Nachfrage nach Wohnraum verbunden mit einem massiven Rückgang des Wohnungsneubaus führt dazu, dass der Wohnungsmarkt 2024 so angespannt sein wird wie seit Jahrzehnten nicht“, heißt es in einer aktuellen Studie. „Der politische Stimulus dürfte zudem erst mittelfristig Wirkung zeigen. Alle genannten Faktoren führen dazu, dass die Neuvermietungsmieten in den TOP-7-Städten im Jahresverlauf um weitere drei bis vier Prozent steigen werden.“