Rund um die Mercedes-Benz Arena entsteht ein Entertainment- und Business-Distrikt der Superlative. Die kommerzielle Ausrichtung gefällt jedoch längst nicht allen.
Auf dem 20.500 Quadratmeter großen Anschutz-Areal zwischen Warschauer Straße und Ostbahnhof wächst ein neuer Stadtteil heran. Die Besonderheit: Im Zentrum stehen Entertainment-Tempel, um die herum Restaurants, Hotels, Bürohäuser, Wohntürme und ein Einkaufszentrum angeordnet sind. Die offen zur Schau gestellte konsumorientierte Ausrichtung des Quartiers ruft Kritiker auf den Plan.
Entertainment steht im Fokus
Nicht nur räumlich, auch konzeptionell bildet das Entertainment den Mittelpunkt des neuen Stadtteiles. Für die Projektplanung zeichnet die Anschutz Entertainment Group (AEG) aus Los Angeles verantwortlich, eines der weltweit führenden Unterhaltungsunternehmen. 2001 kaufte sie die ehemalige Bahnbrache und errichtete bis 2008 die Mercedes-Benz Arena (ehemals O2 World Berlin). Die Mehrzweckhalle war bezeichnenderweise die Keimzelle des Viertels.
Seitdem ist viel geschehen im Anschutz- Areal: Vor der Arena befindet sich der 6.500 Quadratmeter große und zur Spree hin offene Mercedes Platz. Er ist gerahmt von einem Bowlingcenter mit 28 WM-tauglichen Bahnen sowie einem Kinocenter mit 14 Sälen und 2.400 Plätzen für Premieren mit Star-Aufgebot. Auf der gegenüberliegenden Platzseite befindet sich die Verti Music Hall, eine 4.350 Gäste fassende Konzerthalle. Ein Hotelgebäude beherbergt ein Drei- und ein Vier-Sterne-Haus. Rund um den Mercedes Platz buhlen 15 Cafés, Bars und Restaurants um die Gunst der Gäste, darunter zwei Rooftop-Bars mit Blick zur East-Side-Gallery und über die Spree. Dazu strahlen acht Medientürme mit je zwei LEDScreens Werbung aus.
An den Gebäuden hängen noch einmal fünf Bildschirme mit bis zu 88 Quadratmetern Größe. Touristen können die 400 Plätze umfassende Tiefgarage nutzen. 200 Millionen Euro hat sich die AEG das Ensemble kosten lassen. Mitte Oktober 2018 wurde der Mercedes Platz mit einem Tag der offenen Tür eröffnet. Die endgültige Fertigstellung erfolgt allerdings erst 2019, weil die vollen Auftragsbücher im Berliner Handwerk zu Verzögerungen führten.
20.000 Arbeitsplätze im Quartier
Insgesamt werden 20.000 Arbeitsplätze im Anschutz-Areal geschaffen. Die größten Arbeitgeber sind Zalando mit 5.700 und Mercedes mit 1.300 Angestellten. Direkt westlich der Arena entstand in zwei Jahren Bauzeit Zalandos neues Hauptquartier. Zwei Bürohochhäuser setzen Landmarken an den äußeren Ecken des Areals. Am westlichen Zipfel wächst der 70 Meter hohe Spreeturm empor. Auf 20 Etagen finden sich flexibel einteilbare Büroflächen.
Der Projektentwickler Sechsundvierzigste Verwaltungsgesellschaft DWI Grundbesitz mbH möchte das Gebäude 2019 fertigstellen. Im äußersten Osten realisiert der Developer OVG Real Estate Deutschland für rund 400 Millionen Euro den East Side Tower, ein 140 Meter hohes Office-Gebäude. Die Fertigstellung ist für 2021 geplant. Direkt daneben liegt die East Side Mall – Berlins 69. Einkaufszentrum, das im Oktober 2018 eröffnet wurde. Hinter dessen futuristischer Fassade verbergen sich 37.800 Quadratmeter Gewerbefläche.
Wohnen im Hochhaus
Im Gegensatz zu Entertainment und Business spielt Wohnen im Anschutz-Areal eine untergeordnete Rolle. Westlich des Zalando- Campus entstehen bis 2020 zwei 86 und 95 Meter hohe Wohntürme, genannt Max und Moritz. Inklusive der sechs- bis siebengeschossigen Sockelbauten umfassen sie 60.000 Quadratmeter Geschossfläche und sollen insgesamt etwa 400 Wohnungen, aber auch Büros, Läden und eine Kita beherbergen. Zwischen Max und Moritz ist ein 1.500 Quadratmeter großer Platz mit Zugang zu gastronomischen Einrichtungen, Geschäften und einem Fitnessstudio geplant. Den spreeseitigen Max-Tower vermarktet der Projektentwickler Mikare Real Estate unter dem Namen Upside Berlin.
Die ZIEGERT Bank- und Immobilienconsulting GmbH vertreibt dort exklusiv 179 Eigentumswohnungen auf 22 Etagen. Mit einem Quadratmeterpreis von rund 6.000 Euro in den unteren Etagen bis fast 14.000 Euro unter dem Dach gehört Upside Berlin zu den teuren, aber nicht den teuersten Wohnlagen der Stadt. Im Moritz-Tower sollen auf 26 Etagen rund 200 Wohnungen untergebracht werden. Näheres ist noch nicht bekannt.
Kritik an der kommerziellen Ausrichtung
Von Beginn an hatte die Quartiersplanung der AEG Gegner, wie die Bürgerinitiative Mediaspree Versenken. Die Idee Quelle: HENN eines aus dem Boden gestampften Entertainment- Distriktes nach amerikanischem Vorbild ist den Kritikern zu kommerziell. Berliner Charme sei darin nicht zu erkennen. Da helfen die Anweisungen des Baukollegiums wenig, die berlintypische Klinkerfassaden, Platanenbepflanzung und grobes Granitpflaster vorschreiben, um das Viertel zumindest optisch ins Stadtbild einzubinden.
Tatsächlich sind konsumorientierte Vergnügungsviertel kein Novum in Berlins Geschichte: In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts hießen sie Kurfürstendamm und Friedrichstraße. Auch damals störte man sich an der Amerikanisierung der Stadt. Allerdings war Berlin zu dieser Zeit die Vergnügungsmetropole Europas. Mit Fertigstellung des Anschutz-Areals könnte es in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts wieder so weit sein.