Leipzig: Nach dem Warenhaus ist vor der Mixed-Use-Immobilie

Leipzig: Nach dem Warenhaus ist vor der Mixed-Use-Immobilie

Leipzig: Nach dem Warenhaus ist vor der Mixed-Use-Immobilie
Leipzigs Innenstadt braucht wie viele mehr Aufenthaltsqualität. Quelle: Pixabay

Der Leipziger Einzelhandel ist im Aufwind: Die Frequenzen in der Leipziger Innenstadt haben sich nach der Pandemie mittlerweile gut erholt. Die Grimmaische Straße zählte im Jahr 2023 gut 14 Millionen Passanten, was einem Plus von zwölf Prozent zu 2022 entspricht. Dennoch ist auch Leipzig von der Krise der Warenhäuser samt dem Aus für einige Standorte nicht unberührt geblieben. Lars Jähnichen, Geschäftsführer der IPH Gruppe, und Dr. Ulrich Kollatz, Regionalleiter Ost der BBE Handelsberatung, analysieren die aktuelle Situation.

Agentur

Was bedeutet die Schließung großflächiger Einzelhandelsimmobilien für die Innenstadt? Schließlich haben die Warenhausstandorte trotz der wirtschaftlichen Schieflage eine Vielzahl an Kundengruppen über alle Alters- und Einkommensgrenzen hinweg angezogen. Lars Jähnichen, Geschäftsführer der IPH Gruppe, und Dr. Ulrich Kollatz, Regionalleiter Ost der BBE Handelsberatung, haben sich dazu Gedanken gemacht.

Nutzungsmix ist entscheidend

Um auf solch eine wirtschaftliche Herausforderung reagieren zu können, trat die Stadt Leipzig an uns heran, eine umfassende Bewertung der Situation vorzunehmen und nachhaltige Handlungsstrategien zu entwickeln. Das Ergebnis: Ein Nutzungsmix aus Wohnen, Gastronomie, Einzelhandel, Gesundheitsimmobilien und Büro / Coworking eignet sich für die Leipziger Innenstadt sehr gut – die Konsumenten wünschen sich jedoch mehr Aufenthaltsqualität durch Freizeit- und Kulturangebote.

Große Handelsflächen schwer zu vermieten

Wenn Warenhäuser schließen, sind meist aufwendige Revitalisierungs- und Umbaumaßnahmen die übliche Konsequenz. Durchschnittlich stehen große Warenhäuser fünf Jahre leer, bis sie wieder neu genutzt werden. Großprojekte sind in der Innenstadt deutlich herausfordernder als in der Peripherie. Zudem erschweren Bauvorschriften, langwierige Genehmigungsverfahren und Nutzungsverordnungen den Umbau.

Doch wie geht man mit den Schließungen solcher Gebäude um? Eine Transformation in ein gemischt genutztes Gebäude kann eine Lösung sein. Oft empfiehlt es sich, den Einzelhandel auf das Erd- und ggf. Untergeschoss, also auf den natürlichen Lauf der Kunden zu fokussieren, und in die oberen Etagen Büros, Hotels oder Wohnflächen zu platzieren. Allerdings gibt es keine Wunderformel, die für alle Standorte und Objekte funktioniert.

In unserer Untersuchung für Leipzig haben wir zunächst explizit verschiedene Märkte der sächsischen Großstadt angeschaut, um zu verstehen, welche Möglichkeiten der Nachnutzung großer Einzelhandelsimmobilien in der Innenstadt bestehen. Dabei wurden Alternativen berücksichtigt, die die Immobilie attraktiver machen und die Frequenz erhöhen, um sie für andere Mieter und Konsumenten wieder interessant zu gestalten.

Dr. Ulrich Kollatz, Regionalleiter Ost der BBE Handelsberatung Quelle: BBE

Innenstadt bleibt ein Kundenmagnet

Die Fußgängerzone ist und bleibt ein Kundenmagnet. Dafür ist es wichtig, Nutzungen zu finden, die frequenzstark sind und von denen das Umfeld profitiert. Das heißt, eine Mischung aus Wohnen, Gastronomie, Einzelhandel, Gesundheitsimmobilien, kommunalen Einrichtungen und Büro bzw. Coworking kann zum gewünschten Erfolg führen. Hotels und Logistikimmobilien eignen sich jedoch nicht für die Leipziger Innenstadt. Der Hotelmarkt erlebte in den vergangenen zehn Jahren einen Zuwachs von 40 Prozent bei Übernachtungen und über 50 Prozent Zuwachs der Bettenkapazitäten. Das heißt, die Potenziale sind vorerst ausgeschöpft. Und obwohl die Gegebenheiten von ehemaligen Warenhäusern, wie gute Anlieferungssituationen und hohe Nutzlasten in den Ebenen, für Logistikimmobilien gut geeignet wären, scheidet diese Nutzung eher aus, da sie kaum Kunden anzieht und somit keinen Frequenzanker für die Innenstadt von Leipzig darstellt. Zudem rechnet es sich rein wirtschaftlich nicht aufgrund niedriger Mieten. Darüber hinaus können andere Nutzungen deutlich höhere Mieten erwirtschaften.

Wie eine erfolgreiche Transformation eines ehemaligen Warenhauses aussehen kann, zeigt das N30 | NEO in der Petersstraße in Leipzig. Die ehemalige Karstadt-Filiale wurde 2019 geschlossen und blieb vier Jahre lang ungenutzt, was somit der bereits erwähnten durchschnittlichen Wartezeit entspricht. Das heutige Konzept des Work-Life-Quartiers mit einer Gesamtfläche von 32.800 Quadratmetern umfasst Einzelhandel und Gastronomie im Erdgeschoss, Büros von der ersten bis zur vierten Etage, einen Fitnessbereich, zudem Parkplätze, Fahrradstellplätze und einen Dachgarten.

Lars Ja?hnichen, Gescha?ftsfu?hrer der IPH Gruppe Quelle: IPH

Konsumenten wünschen sich mehr Aufenthaltsqualität

Aus den jährlichen Befragungen der IFH Köln im Rahmen der Studie „Vitale Innenstädte“ geht hervor, dass sich die Konsumenten in Leipzig eine verbesserte Aufenthaltsqualität im Bereich Freizeit und Kultur wünschen. Eine Mixed-Use-Immobilie, die durch Bürgerbüros, Stadtbibliotheken und Touristeninformationen abgerundet wird, kann in Leipzig viel Anklang finden und den Standort weiter beleben. Ob solche Nutzungsarten in dem Gebäude integriert werden, muss gut durchgerechnet werden. Nicht selten werden Kultur- und Freizeitflächen von der Gesamtkalkulation mitgetragen.

Wie sich großflächige Geschäfte, wie ehemalige Warenhäuser, erfolgreich umnutzen lassen, muss immer individuell und von Fall von Fall entschieden werden. Die Stadt, die jeweiligen Eigentümer und die Händler müssen für sich analysieren, welche Nutzungen vor Ort gebraucht werden. Absolut notwendig ist es dabei, die Frequenzen in der Innenstadt im Fokus zu behalten. Denn die Warenhäuser sind wichtige Kristallisationspunkte städtischen Lebens, die eine positive Wirkung weit über die Immobilie selbst hinaus für die gesamte Innenstadt entfalten können. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, müssen die drei Akteure Stadt, Investor und Mieter sehr gut und zielgerichtet zusammenarbeiten.