Dr. Marc Sönnichsen ist Director Life Sciences bei der internationalen Bauberatung Linesight. Für IMMOBILIEN AKTUELL schaut er auf Standortwahl und Bauplanung für Life-Science-Immobilien.
Standortwahl und Bauplanung für Life-Science-Immobilien sind komplexe Prozesse – beeinflusst durch regulatorische Vorgaben, technische Herausforderungen und schwer vorhersehbare Kosten. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Anspannung möchte sich niemand Bauverzögerungen oder explodierende Kosten leisten. Wie lassen sich neue Projekte also wirtschaftlich sinnvoll realisieren?
Kostenschätzungen: Wenn Bauchgefühl nicht reicht
Schauen wir kurz auf den Status quo. Häufig werden erste Kostenschätzungen auf Basis grober Erfahrungswerte erstellt – und dann im Projektverlauf als harte Referenz genommen. Das Problem: Wenn sich diese Zahlen als unrealistisch erweisen, ist es oft zu spät für Kurskorrekturen. Zudem gibt es wenig Austausch über Baukosten im Life-Science-Sektor. Zu groß sind die Befürchtungen, sensible Projektdaten preiszugeben. Das führt dazu, dass Bauleiter häufig mit einer unzureichenden Datenbasis arbeiten müssen. Ein strukturierter, datengetriebener Ansatz ist überfällig und das Linesight Capital Project Benchmarking Programme geht genau diesen Weg. Führende Pharmaunternehmen wie AstraZeneca, Bayer und MSD teilen im Rahmen des Programms anonymisierte Projektdaten zu Baukosten, Zeitplänen und Standortfaktoren. Mehr als 230 Projekte sind inzwischen erfasst – und liefern wertvolle Erkenntnisse.
Erkenntnis 1: Die Lang-Faktor-Methode braucht ein Upgrade
Die traditionelle Lang-Faktor-Methode, ein bewährtes Instrument zur Kostenschätzung, funktioniert auch heute noch im Life-Science-Sektor, aber nicht ohne Anpassungen. Statt sich ausschließlich auf unternehmensinterne Erfahrungswerte zu stützen, zeigt das Benchmarking: Wer auf eine breite Vergleichsgrundlage setzt, kann präzisere Prognosen treffen. Eine umfangreiche Datenbasis bietet zum Beispiel die Möglichkeit, den Lang-Faktor hinsichtlich des konkreten Gebäudetyps zu modifizieren.
Erkenntnis 2: Länger planen, schneller bauen
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Analyse: Projekte, die eine intensive Planungsphase durchlaufen, lassen sich in der Bauphase effizienter umsetzen. Daten aus 844 Projektzeitplänen zeigen, dass im Durchschnitt 39 Prozent der Gesamtzeit auf die Bauphase und nur 20 Prozent auf die Planung entfallen. Wer allerdings die Planungsphase verlängert und potenzielle Hürden frühzeitig identifiziert, kann Verzögerungen in der Bauphase vermeiden. Besonders bei Sanierungsprojekten, bei denen unvorhergesehene Herausforderungen aufkommen können, erweist sich diese Strategie als Vorteil.
Erkenntnis 3: Standortwahl ist eine Frage der Abwägung
Standortentscheidungen für Life-Science-Projekte basieren auf einer Vielzahl von Faktoren. Der Zugang zu spezialisierten Fachkräften, die Nähe zu Forschungsclustern oder bestehende Lieferkettenstrukturen spielen eine zentrale Rolle. Während etablierte Standorte meist eine bessere Infrastruktur bieten, gehen sie oft mit höheren Bau- und Betriebskosten einher. Zudem gewinnen regulatorische Rahmenbedingungen und geopolitische Entwicklungen an Bedeutung. Wer hier auf eine fundierte Datenbasis zurückgreifen kann, reduziert Risiken und trifft nachhaltigere Entscheidungen.
Fazit: Planungssicherheit als Wettbewerbsvorteil
Daten sind nicht nur für Forschung und Entwicklung entscheidend – sie sollten auch in der Bauindustrie zum Standard werden. Wer heute mit einer umfassenden Datengrundlage arbeitet, spart morgen Zeit, Geld und Nerven. Das dürfte nicht nur für Life-Science-Unternehmen von Interesse sein.