Logistik: „Deindustrialisierung sehe ich in der Breite nicht“

Logistik: „Deindustrialisierung sehe ich in der Breite nicht“

Logistik: „Deindustrialisierung sehe ich in der Breite nicht“
Der Niedersachsenpark ist ebenfalls ein GARBE-Projekt. Quelle: GARBE

Die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands zeigt sich auch im Logistiksektor, einer der stabilsten Assetklassen in Krisenzeiten. Tobias Kassner, Head of Research and ESG sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei GARBE Industrial Real Estate, spricht mit IMMOBILIEN AKTUELL über Potenziale, Standorte und Trends.

„Die Schwäche der Wirtschaft macht sich bemerkbar“, sagt Tobias Kassner, Head of Research und Mitglied der Geschäftsleitung bei GARBE Industrial Real Estate. „Bis ins Jahr 2023 war die Flächennachfrage nach Logistikimmobilien sehr ausgeprägt. Das hat sich deutlich abgeschwächt.“ Der Logistikbereich steht als eine der Leuchtturm-Assetklassen mitten in der Krise trotzdem sehr gut da. Allerdings zeigen sich nun erste Einschnitte. Anmietungsentscheidungen verzögern sich und dauern länger, Investoren sind vorsichtiger.

Der Logistik-Experte sieht für die kommenden ein bis zwei Jahre eine verhaltene Flächennachfrage. „Das ist eine Stabilisierung leicht unterhalb zur Vor-Pandemie-Zeit.“ Auch die Leerstandsquote zeige bisher kein Ungleichgewicht. Je nach Markt liegt sie bei zwei bis sechs Prozent. Standorte wie Leipzig oder Bremen haben durch einen sehr hohen Flächenzuwachs in den vergangenen Jahren eine Sättigung erreicht.

Unternehmen mit hoher Strahlkraft gefragt

Neben Grundstück, Konnektivität und der Verfügbarkeit von Arbeitskräften spielt nun der Stromanschluss als vierter Faktor eine wichtige Rolle. Vor der Immobilienkrise gingen Nutzer auch in B-Lagen, beispielsweise wegen fehlenden Personals, von München nach Erfurt. In Krisenzeiten bevorzugen viele Unternehmen eher Standorte mit hoher Strahlkraft, was in Deutschland immer noch die Top7-Märkte und deren Metropolregionen sind. Eine Ausnahme sieht Tobias Kassner beispielsweise für Standorte wie Duisburg, da dieser als Seehafen-Hinterland-Hub fungiert. Apropos Hubs: War es noch vor ein paar Jahren üblich, dass globale agierende Unternehmen nur einen Standort hatten, so werde nun sichtbar, dass mehr Verteiler-Hubs eine Rolle spielen.

„Menge Innovationskraft genommen, die nun fehlt“

Die Öffentlichkeit bewegen Nachrichten wie die  Verschiebung des Baus der Intel-Fabrik in Magdeburg oder die Krise von VW und damit der Zulieferer. „Ich will das gar nicht beschönigen. Beide Nachrichten sind bekanntermaßen eine konkrete Folge der aktuellen Marktsituation in Kombination mit Fehlern in der Vergangenheit innerhalb der Unternehmen“, so Tobias Kassner. Beide Unternehmen müssten nun technisch nachsteuern und dabei einen Kostensparkurs nehmen. In der Vergangenheit wurden hohe Dividenden ausgezahlt, „gerade bei VW hat der Dieselskandal eine Menge Innovationskraft genommen und Kapital gefressen. Beides fehlt nun." Das Land stecke nicht in einer tiefen Rezession. „Laut den Vorhersagen verschiedener Institute wird die Entwicklung sich in den kommenden Jahren ins Positive drehen.“ Die Zukunft sieht er differenziert, Potenzial sei auf jeden Fall da. „Wir sind aber nicht blind dafür, dass die Wirtschaft in Deutschland wieder viel mehr Fuß fassen muss. Die Entwicklung des Standortes Deutschland ist ein strukturelles Thema, das angegangen werden muss.“

GARBE Industrial Real Estate hat 16 Standorte in Europa, verknüpft mit einer paneuropäischen Strategie und ist in Deutschland einer der führenden Logistikimmobilienplattformen im Bereich Logistik. Deutschland sei mit Flächen sehr gut ausgestattet – ähnlich wie die Niederlande. Italien und Tschechien beispielsweise haben laut Tobias Kassner einen hohen Nachholbedarf. „Der Markt differenziert sich weiter aus.“ In die Abgesänge auf Deutschland will er nicht einstimmen: „Wir sind ein starkes Wirtschaftsland, die Deindustrialisierung sehe ich in der Breite nicht.“

Treiber des Logistikmarktes: E-Food und Social Commerce

Bei den Treibern der kommenden Jahre spielt E-Commerce dann doch wieder eine Rolle. Nach dem Pandemie-Hoch gab es eine Seitwärtsentwicklung, die hohe Inflation sorgte unter anderem dafür. „Die Konsumenten müssen erst wieder Vertrauen aufbauen“, so Tobias Kassner. „Der E-Commerce-Anteil wird weiter ansteigen." Zumal Deutschland in diesem Bereich Nachholbedarf habe, da in Ländern wie UK oder den USA E-Commerce eine viel größere Rolle spielt. Während beispielsweise bei Elektrogeräten kaum Anstieg mehr zu erwarten sei, zeigen sich Möbel und Textilien als Wachstumsmarkt. „Bei E-Food ist es differenzierter. Die Deutschen gehen, wenn es um Lebensmittel geht, immer noch sehr gern in den Laden“, so Tobias Kassner. In bestimmten Bevölkerungsgruppen sieht er im Bereich E-Food ein Wachstumspotential. Lieferdienste wie Picnic und Knuspr stehen dafür. Dazu komme der Social Commerce über Plattformen wie TikTok, Temu oder Shein. „Wir sehen eine Gamification des Konsums“, sagt Tobias Kassner. Weiterer Trend: Elektroautos aus Asien, die in Europa Vertriebs- und Servicenetzwerke ausbauen