Die Großsiedlung im Norden Berlins wird seit vielen Jahren umgebaut. Jetzt verwandelt der Investor Kintyre Management GmbH für 200 Millionen Euro das Märkische Zentrum in das Märkische Quartier und schafft damit einen attraktiven Mittelpunkt. Der Start der Tiefbauarbeiten wurde jedoch vorerst verschoben.
Das Märkische Viertel gehört zu den großen Neubausiedlungen im Westteil Berlins. Sie galt in den 1960er Jahren als Vorzeigeprojekt für den modernen Städtebau, später dann als Sozialghetto. In den Wohnblöcken und Hochhäusern im Berliner Bezirk Reinickendorf wohnen rund 45.000 Menschen. Das Stadtteilzentrum befindet sich zwischen Senftenberger Ring und Wilhelmsruher Damm. Genau wie das Märkische Zentrum – ein Gebäudeensemble mit Läden, Dienstleistungen und Markthalle. Die Kintyre Management GmbH will es fit für die Zukunft machen.
Rund 200 Millionen Euro investiert das Unternehmen in den Um- und Neubau des Ensembles zum Märkischen Quartier. Kintyre selbst bezeichnet das Projekt als „eines der aufregendsten Stadterneuerungsprojekte Europas“. Die Fertigstellung war für 2024 avisiert, doch der Ablauf verzögert sich. Die Tiefbauarbeiten in der ausgehobenen Baugrube starten nicht wie geplant im August. Sie wurden aufgrund von Materialmangel, steigenden Energiepreisen und Zinsen bis auf weiteres verschoben. Center-Manager Ted Walle sagt: „Wir warten bis Ende des Jahres ab, wie sich die Situation am Markt weiterentwickelt und nutzen die Zeit, um das Thema Nachhaltigkeit noch mal in den Fokus zu nehmen.“
Märkisches Quartier: Breiter Nutzungsmix mit 20-Geschosser als Hochpunkt
Das Wort Quartier im Projektnamen kommt nicht von ungefähr: Es soll ein Nutzungsmix von Wohnen, Arbeiten und Leben realisiert werden. Dafür wurde Platz geschaffen. Vier der alten Gebäude stehen nicht mehr, ebenso der alte Brunnenplatz. Die Entwürfe des Architekturbüros AUKETT + HEESE sehen nun einen zusammenhängenden Komplex mit einem 60 Meter hohen Wohnturm und einer Markthalle im Sockel vor. Das 20-stöckige Hochhaus wird quasi ein Leuchtturm, der die umliegenden Gebäude überragt. Die Hochhäuser im Märkischen Viertel hatten bislang maximal 18 Stockwerke. Geplant sind keine Eigentumswohnungen, wie Ted Walle betont, sondern Mietwohnungen mit Mieten von acht bis zwölf Euro pro Quadratmeter.
Die anderen Gebäude finden Integration in den Komplex bei laufendem Betrieb. Insgesamt soll das Märkische Quartier am Ende rund 25.000 Quadratmeter Ladenfläche für rund 100 Shops und Stores bieten, mehr als 350 Wohnungen mit insgesamt 20.000 Quadratmetern Wohnfläche, eine Kita, 10.000 Quadratmeter Bürofläche für mehr als 1.000 Arbeitsplätze, ein Gesundheitszentrum mit 50 Arztpraxen, ein Parkhaus mit rund 1.000 Stellplätzen – und mit 4.000 Quadratmetern Fläche eine der größten Markthallen Berlins. An den Marktständen gibt es dann alles, was das Herz begehrt: vom Bio-Gemüse regionaler Anbieter bis zu exotischen Früchten.
Den Einzugsbereich der Kunden sieht Ted Walle weiter von Reinickendorf bis Wittenau und Rosenthal. „Wir haben weder Konkurrenz durch Tegel noch durch das Gesundbrunnencenter.“ Der Pendlerstrom ist auf der 96 a unterwegs. „Und warum sollen die Leute bis nach Mitte fahren, wenn sie auf halber Strecke bei uns alles bekommen, was sie brauchen?“
Ein Highlight stellt die begrünte Dachfläche dar. Sie beträgt rund 8.000 Quadratmeter. Der Dachgarten dient den Kitakindern als Spielplatz, sowie den Mietern und Center-Mitarbeitern als Ort der Erholung. Das neugestaltete Stadteilzentrum wird ergänzt durch das Hallenbad und das Fontane-Haus, das Kulturhaus vor Ort. Der mit 5.000 Quadratmetern doppelt so große neue Brunnenplatz bietet als zentraler Stadtplatz Aufenthaltsqualität im Freien.
Kommunale Gesellschaften sehr aktiv im Märkischen Viertel
Mit dem Märkischen Quartier gewinnt das Märkische Viertel eine neue Mitte. Doch bereits in den vergangenen Jahren ist viel Geld in Stadterneuerungsmaßnahmen geflossen. Die 3,2 Hektar umfassende Großsiedlung mit mehr als 16.000 Wohnungen ist seit 2009 Fördergebiet. Rund 15.200 Wohnungen – und damit der Löwenanteil – gehören dem landeseigenen Wohnungsunternehmen GESOBAU, die restlichen Wohnungen der ebenfalls landeseigenen degewo und der mAX Wohnungsgenossenschaft eG.
Die GESOBAU hat seit 2008 nahezu das gesamte Märkische Viertel energetisch modernisiert und rund eine halbe Milliarde Euro in den Bestand investiert. Bereits seit 2010 gibt es mit Vattenfall eine Klimapartnerschaft für eine klimaneutrale Zukunft im Märkischen Viertel, in deren Rahmen ein in der Nähe gelegenes Heizkraftwerk zu einer mit Biomasse betriebenen KWK-Anlage umgebaut wurde. Die Wohnungen werden heute CO2 -neutral beheizt. Seit Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen im Jahr 2015 spart das Viertel jährlich etwa 39.000 Tonnen CO2. Durch den Umbau der KWK-Anlage kommen jedes Jahr weitere 7.800 Tonnen dazu. Ted Walle kann sich eine Kooperation im Energiesektor gut vorstellen.
Weitere Projekte im Märkischen Viertel
Im Rahmen des 2019 beschlossenen Stadtentwicklungsplans 2030 wurde die Weiterentwicklung der Großsiedlung beschlossen. Mit dem Theodor Quartier am Senftenberger Ring sind 2021 sechs minimalistisch gestaltete Häuser mit 388 Wohnungen (zum Teil für Senioren) und eine Kita für 120 Kinder dazugekommen. Neben der Modularen Unterkunft für Flüchtlinge (MUF) werden jetzt im Senftenberger Ring 140 Wohnungen in zwei achtgeschossigen Mehrfamilienhäusern untergebracht. Mit den Wohnungen im Märkischen Quartier, die keiner Sozialbindung unterliegen, kommen Wohnungen hinzu, die zur Durchmischung des Viertels beitragen.
Im Rahmen der Städtebauförderung fand auch die Erneuerung von Schulen, Kultureinrichtungen, Wegen und Grünflächen statt. Der Umbau ist noch nicht abgeschlossen. Als eines der großen Aufgaben gilt ein Schulerweiterungsbau im Senftenberger Ring. Noch keine endgültige Entscheidung gibt es bei der Anbindung an die U-Bahnlinie 8, die von den Bewohnern des Märkischen Viertels seit Anbeginn gefordert wird. Bislang ist das Viertel nur über Buslinien an das U- und S-Bahnnetz angebunden. In einer Machbarkeitsstudie wurde die angedachte Anbindung bis zum Märkischen Zentrum, also dem neuen Märkischen Quartier, ein geringer Nutzen im Vergleich zu anderen U-Bahnverlängerungsprojekten attestiert. Der Senat legte daraufhin das Vorhaben auf Eis.