Michael Zahn, CEO der Deutsche Wohnen SE, spricht im Interview über Druck, Perspektiven, Kommunikation und Investitionen in Bestandsimmobilien.
IMMOBILIEN AKTUELL: Sie sind ein Symbol geworden für den bösen Immobilienkapitalisten. Was macht das mit Ihnen als Mensch?
Michael Zahn: Ich nehme das eher abstrakt wahr, es wirkt nicht unmittelbar auf mich. Ich beschäftige mich vielmehr damit, wie wir als Unternehmen und auch insgesamt als Sektor gemeinsam mit der Politik und der Bauindustrie wieder eine Perspektive aufbauen und aktuelle Probleme des Marktes lösen können. Ich denke viel nach. Ich möchte Antworten finden, lösungsorientiert sein, ohne mich vom Populismus beeinflussen zu lassen.
IMMOBILIEN AKTUELL: Wieso ist die Immobilienbranche in den letzten Jahren derartig unter Druck geraten?
Michael Zahn: Die Branche ist erfolgreich, wirtschaftlich gibt es keinen Druck. Wir sind in den gesellschaftlichen Fokus gerückt, werden sehr stark kritisiert, meines Erachtens zu einseitig. Ich sehe das aber auch als Chance. Für Vermieter gab es in der Vergangenheit weniger Presse, womit wir gut leben konnten. Nun bekommen wir die Möglichkeit, eine Bühne zu betreten. Auf verschiedenen Veranstaltungen können wir Dinge richtigstellen, die Sichtweise unseres Unternehmens aufzeigen. Es ist eine öffentliche Diskussion, die ich mir nicht unbedingt ausgesucht habe. Mittlerweile bin ich aber froh, dass wir sie angenommen haben, uns der Auseinandersetzung widmen und mit der Kritik konstruktiv umgehen.
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IMMOBILIEN AKTUELL: Wenn Sie heute auf die Entwicklung zurückschauen: Hätte man an die Kommunikation anders herangehen müssen?
Michael Zahn: In den vergangenen Jahren haben wir ja auch kommuniziert. Wir sprachen mit der Politik, sahen bestimmte Entwicklungen vorher, brachten unser Unbehagen gegenüber der ein oder anderen Gesetzgebung zum Ausdruck, auch öffentlich. Nun befinden wir uns in einer Situation, wo die Politik und damit die Kommunen, Wohnungswirtschaft an ihren Ergebnissen misst. Das wiederum führt zu einer ganz anderen Diskussion. Vor Jahren stand faktisch im Berliner Koalitionsvertrag, man brauche keine Privatwirtschaft für den Neubau. Es herrschte die Meinung, dass alles mit genossenschaftlichen und kommunalen Aktivitäten abzubilden sei. Ich glaube die Erfahrung zeigt, dass die Stadt auf privates Kapital, auf große Player, angewiesen ist. Damit änderte sich die Tonlage uns gegenüber. Dabei wurde aus meiner Sicht verkannt, dass wir als Deutsche Wohnen sehr viele Angebote machen können und Teil der Problemlösung sein könnten.
Häuserkampf unf Mietenwahnsinn im Berliner Wohnungsmarkt?
IMMOBILIEN AKTUELL: Die Diskussionen werden immer lauter und schriller, die Vorwürfe bleiben gleich: überproportionale Mietsteigerungen, auch durch Modernisierungen. Das Handelsblatt rechnete vor, dass die großen privaten Unternehmen höhere Mietsteigerungsraten als die Genossen und die kleinen privaten haben. Welche Argumente gibt es dazu von Ihrer Seite?
Michael Zahn: Fairerweise muss man sagen, dass die privaten großen Immobilienkonzerne erheblich mehr in ihre Bestände investieren als andere. Ein Großteil unserer Investments sind Instandhaltungsmaßnahmen. Nicht nur bei uns, sondern in ganz Deutschland, haben wir es mit einem hohen Modernisierungsstau zu tun. Wenn ich die Investitionen und die Mietsteigerungen ins Verhältnis setze, dann finde ich das nach wie vor vertretbar und sozial angemessen.
IMMOBILIEN AKTUELL: Was Sie aber nicht vom Vorwurf des bösen Kapitalisten, des Spekulanten befreit.
Michael Zahn: Die Entwicklung der vergangenen drei Jahre zeigt, dass die Tonlage nicht die richtige ist, da wird von Häuserkampf und Mietenwahnsinn gesprochen. Wir haben hier in Berlin im Vergleich zum Bundesdurchschnitt immer noch bezahlbare Wohnungen.
IMMOBILIEN AKTUELL: Kommen wir noch einmal zu den Modernisierungen und der Belastung für die Mieter. Was bedeuten solche Maßnahmen für den Einzelnen?
Michael Zahn: Zu den Modernisierungsmaßnahmen schließen wir seit zwei Jahren Vereinbarungen mit den Bezirken, um die Sozialverträglichkeit abzusichern. Wir sind sehr aktiv im Bereich Mieterberatung und Umzugsmanagement. Die Kosten für Modernisierung und Neubau summieren sich hier genauso wie in Stuttgart und Hamburg. Wir haben auf der anderen Seite zugegebenermaßen einen hohen Anteil an Haushalten, die sich vielleicht diese Modernisierungsmaßnahmen nicht leisten können. Genau zu diesen Fällen muss man sich mit der Politik zusammensetzen, Bilanz ziehen, klar definieren, was wir wollen. Also: Wie viel Klimaschutz wollen wir, und was darf der kosten? Wie verteilen wir die Lasten zwischen Mieter, Vermieter und Staat? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ohne den Staat nicht gehen wird, wenn die klimapolitischen Ziele erreicht werden sollen.
Wohnen als Grundrecht
IMMOBILIEN AKTUELL: In der aktuellen Diskussion wird Wohnen als Grundrecht für alle angenommen, das genauso abgesichert gehört wie beispielsweise die Infrastruktur. Auf Seiten der Enteignungsbefürworter ist es deshalb ein elementares Problem, dass ein großes börsennotiertes Unternehmen gute Quartalszahlen bringt, den Gewinn maximiert. Das stehe dem Grundbedürfnis entgegen. Sehen Sie einen Widerspruch in der Denkfigur?
Michael Zahn: Ich teile die Auffassung, dass Wohnen ein ganz wichtiges Element darstellt für jegliche Lebensperspektiven. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass wir auf der einen Seite Sozialwohnungsbau brauchen für bestimmte Einkommensschichten, auf der anderen Seite aber auch den Neubau für die Mittelschicht. Das vermisse ich hier in der Politik: Wir reden sehr viel über einkommensschwache Haushalte, aber wir reden nicht über diejenigen, die hierherziehen sollen. Über die Menschen, die in Berlin zu einer Wertschöpfung, einer positiven Entwicklung beitragen. Genau für dieses Klientel bieten wir Wohnraum an, zu vertretbaren Konditionen, die gern genutzt werden.
IMMOBILIEN AKTUELL: Was aber noch nichts über die Denkfigur Grundrecht und Renditen aussagt.
Michael Zahn: Ich sehe diesen Widerspruch bei uns nicht. Wir sind langfristig orientiert, kaufen nicht spekulativ. Wir investieren in Wohnlagen, die keine Wertentwicklung wie innerstädtische Lagen haben, sind vor allem in Randlagen unterwegs, die vom Zuzug profitieren. Berlin sollte sich freuen, dass Bezirke wie Spandau, Lichtenberg, Hellersdorf oder Neukölln von dem Druck im Markt profitieren. Sie erfahren eine klare Aufwertung. Und noch ein anderer Punkt: Unsere Investoren sind keine Hedgefonds, sondern langfristig orientierte Pensionsfonds. Wir investieren 100 Prozent unserer Mieten in unseren Bestand zurück. Bei uns führen Verkäufe zu keiner Dividende, wir haben den niedrigsten Verschuldungsgrad in der Branche. Und es gibt noch einen entscheidenden Grund: Wir vermitteln Mietern, die in Zahlungsschwierigkeiten sind, Lösungen, meist Ratenzahlungsvereinbarungen. Das betrifft zwischen 5.000 und 6.000 Mieter pro Jahr. Wäre ich rein spekulativ und auf die jetzige Situation ausgerichtet, würde ich die Wohnung leer ziehen lassen und neu vermieten.
Enteignung von Deutsche Wohnen und anderer Wohnungsgesellschaften?
IMMOBILIEN AKTUELL: Wie bewerten Sie die Debatte Deutsche Wohnen & Co enteignen?
Michael Zahn: Für mich ist das mehr eine politische Diskussion. Als Wirtschaftsunternehmen nehme ich aktuell daran nicht aktiv teil, sondern nur indirekt. Ich kann versuchen, unser Geschäftsmodell besser zu erklären, unsere bereits erwähnte Langfristigkeit in den Vordergrund zu stellen und auf die soziale Verantwortung verweisen, die wir übernehmen.
IMMOBILIEN AKTUELL: Glauben Sie, dass es zu einer Enteignung kommt?
Michael Zahn: Ich kann es mir nicht vorstellen, weil die Rechtslage das nicht hergibt. Aber ich vermute, dass die Tendenz, in diese Richtung generell zu diskutieren – wir hatten auch das Beispiel BMW – bleibt. Das ist etwas, das Investoren abschreckt und erschreckt. Wir sind gut beraten mit solchen Debatten seriös umzugehen. Das bedeutet, dass der Erfolg der deutschen Volkswirtschaft auf der sozialen Marktwirtschaft beruht. Was gerade hier diskutiert wird, hat nicht mehr viel damit zu tun. Wir sollten alle daran denken, dass der Kuchen nicht größer, sondern kleiner wird. Die Mehrheit der Deutschen ist mit der sozialen Marktwirtschaft zufrieden. Nochmal: Es ist und bleibt eine politische Diskussion, am Ende des Tages muss die Politik die Rahmenbedingungen setzen. Für die Klimaziele und mehr Neubau ist das Mittel der Enteignung nicht geeignet.
IMMOBILIEN AKTUELL: Wie schaut Ihrer Meinung nach das Ausland hinsichtlich dieses Themas auf Deutschland?
Michael Zahn: Börsennotierte Gesellschaften werden im Ausland viel positiver gesehen: Sie arbeiten günstiger, refinanzieren sich, weil sie langfristig angelegt, nicht von einer einzelnen Familie abhängig sind. Trotzdem gelten sie als fassbare Ansprechpartner, die dank ihrer Kapitalstärke beispielsweise besser energetische Themen umsetzen können als kleine Vermieter. Damit leisten wir einen wichtigen gesellschaftspolitischen Beitrag, der nicht immer von allen anerkannt wird.
Das kann die Immobilienbranche zur Gesundung des Wohnungsmarktes beitragen
IMMOBILIEN AKTUELL: Die Wohnungsknappheit ist in Berlin angekommen, die Baupreise steigen, bei Vermietungsterminen stehen die Interessenten Schlange. Der Druck nimmt zu. Was kann die Branche konkret tun?
Michael Zahn: Konzertiert zusammenwirken, schneller und besser werden, Baugenehmigungsprozesse und Modernisierungsmaßnahmen müssen uns einfacher gemacht werden. Auch wenn die Verwaltung nicht über die benötigten Ressourcen verfügt. Mit Partizipation habe ich grundsätzlich kein Problem. Es darf aber nicht dazu führen, dass Genehmigungsprozesse noch länger dauern.
IMMOBILIEN AKTUELL: Was wirft die Immobilienwirtschaft in die Waagschale?
Michael Zahn: Genau das, was wir in den vergangenen Jahren zur Verfügung gestellt haben: Wissen, Erfahrung, Grundstücke. Wir würden gern mehr bauen, wir haben keinen Kapital-, nicht unbedingt einen Subventionsbedarf. Auf der anderen Seite müssen wir Lösungen für die Mieter finden, da habe ich momentan den Eindruck, dass wir allein gelassen werden. Deren Belastbarkeit müssen wir mit der Politik diskutieren und offen darüber sprechen, inwieweit der Staat hier teilweise unterstützend einwirkt, sei es mit Subjekt- oder Objektförderung. Wir erleben nicht die erste Wohnungskrise, es gab sie in den 1920er-, 1970er- und Anfang der 1990er-Jahre. Ich glaube, dass es da sehr viele Ansatzpunkte gibt, aus denen man lernen kann.
IMMOBILIEN AKTUELL: Im Kern geht es um bezahlbares Wohnen, 30 Prozent des Haushaltnettoeinkommens als Belastungsquote schwirren durch den Raum. Halten Sie das auch weiterhin für realistisch?
Michael Zahn: Die Deutsche Wohnen hat eine Modernisierungsvereinbarung, die eingeführt wurde, wenn durch die dafür nötige Umlage der Mieter über die 30 Prozent brutto Warmmiete kommt. Dann werden die Umlagen gekappt. Ich denke, dass das die richtige Sicht darauf ist, wieviel Wohnen kosten darf. Bezahlbares Wohnen sollte sich nicht an 6,50 oder 7,50 oder 8,50 Euro orientieren, was sehr oft diskutiert wird, sondern wir müssen einkommensorientiert vorgehen. Es gibt verschiedene Haushalte, mit unterschiedlichen Einkommen. Ich verstehe nicht, warum ein Haushalt mit über 100.000 Euro Einkommen subventioniert werden soll, sei es über die Mietpreisbremse oder den Mietpreisdeckel. Wir haben darüber hinaus das Wissen, die Erfahrung, die Ressourcen auf eigenen Grundstücken mehr zu bauen. Ich wiederhole mich: Dafür brauchen wir schnellere Genehmigungsprozesse, eine weniger politisch geprägte Diskussion, weniger Partizipation.
Michael Zahn von der Deutsche Wohnen fordert mehr Mut und ehrliche Diskussionen
IMMOBILIEN AKTUELL: Sie selbst fordern konkretere Maßnahmen, um dieses komplexe Problem zu lösen. Wie sehen denn diese aus?
Michael Zahn: Das Thema Wohnen hat sich in den vergangenen Jahren zugespitzt, die Diskussionen werden sehr emotional, oft mit einer hohen Aggressivität geführt. Zuerst geht es darum, dass die Wohnungsbranche mit einer Stimme spricht, was schon mal ein wesentlicher Fortschritt wäre. Bauträger, Genossenschaften, kommunale Unternehmen, Private, Kleinvermieter – alle zusammen. In den Kommunen brauchen wir eine pragmatischere Handhabung, weniger ideologische Diskussionen. Und dazu brauchen wir die Bauindustrie, über die hohen Baukosten sprachen wir schon.
IMMOBILIEN AKTUELL: Grundstücke werden auch immer teurer. Worin liegt mehr Optimierungspotenzial: in Bauland oder Baupreisen?
Michael Zahn: Wenn wir uns auf die wenigen baureifen Grundstücke fokussieren, dann haben wir ein Problem, dieses Gut ist knapp und hat sich um ein Vielfaches verteuert. Hier wird zu Recht die spekulative Verteuerung kritisiert. Auf der anderen Seite haben wir viele Grundstücke, die in den 1950er- und 1960er-Jahren erschlossen wurden und für die man heute das Doppelte, Drei- oder Vierfache zahlen muss. Es muss mehr Mut aufgebracht werden in Verdichtungen zu gehen, anders wird es nicht funktionieren. Das hätte den Vorteil, dass wir auf den eigenen Grundstücken bauen können, was auch für die städtischen Wohnungsunternehmen gut wäre. Die Konzentration auf die eigenen Grundstücke würde erheblich Kosten sparen, was am Ende natürlich Auswirkungen auf den Mietpreis hat. Das ist für mich die Quintessenz der derzeitigen Diskussion: mehr Mut und ehrliche Diskussionen. Es muss möglich sein, dass wir Siedlungen aus den 1950er- oder 1960er-Jahren abreißen und neu bauen.
Der Mietendeckel wird zu keiner einzigen neuen Wohnung führen
IMMOBILIEN AKTUELL: Es drängt sich ein wenig der Eindruck auf, dass die Enteignung „nur“ ein Trojanisches Pferd war. Jetzt kommt der Mietendeckel.
Michael Zahn: Das ist das Falscheste, was man machen kann. Er wird nicht zu einer einzigen neuen Wohnung führen, dafür aber in erheblichem Umfang Investitionen hemmen – insbesondere in die energetische Modernisierung. Damit wird das Klimaziel konterkariert. Das Schlimme ist, dass mit dieser Vorgehensweise die Erwartungen seitens der Investoren sehr negativ beeinflusst werden. Immobilien sind langfristige Anlagen. Wenn ich bauen will, brauche ich fünf oder sechs Jahre für die Realisierung. Ja, Eigentum verpflichtet. Aber es sollte in Deutschland auch der Eigentumsschutz gelten und nicht massiv in das Eigentumsrecht eingegriffen werden. Langfristig wird uns das schaden, weil wir ausländisches Kapital benötigen, auch für die Modernisierung unserer Bestände. Noch viel gravierender ist, dass die Politik mit dem Gießkannenprinzip Gesetze erlässt und meist nicht differenziert.
IMMOBILIEN AKTUELL: Der Mietendeckel soll fünf Jahre dauern, die Befürworter sagen, dass das auszuhalten sein muss, am Ende ein paar neugebaute Wohnungen stehen. Danach sieht man weiter.
Michael Zahn: Wir sahen das bei der Mietpreisbremse, beim Solidaritätszuschlag. Meine Erfahrung sagt mir, dass die Glaubwürdigkeit der Politiker da erheblich gelitten hat und es keinen klaren Mechanismus gibt. Wenn es den geben würde, dann wäre auch jede Kommune in der Verantwortung, so wie es ursprünglich bei der Mietpreisbremse vorgesehen war: Sie sollte den Nachweis liefern, für mehr Neubau gesorgt, Grundstücke zur Verfügung gestellt, Genehmigungsprozesse vereinfacht zu haben. Wenn dem so wäre, dann könnte ich mit einem solchen Gesetz umgehen. Fünf Jahre sind in meinen Augen keine Perspektive, danach ist alles wieder auf dem freien Markt. Für mich ist das ein massiver Eingriff in das Eigentumsrecht, was auf lange Sicht volkswirtschaftlich schädlich sein wird. So, wie wir es momentan sehen, ist der Mietendeckel Gift für die Wohnungsunternehmen. Das wird bei uns zu einer erheblichen Reduzierung auf der Ausgabenseite führen. Das heißt, wir werden insbesondere in die Sanierung und Instandhaltung der Bestände weniger investieren können als heute.