Das Bundesverfassungsgericht hat am 15. April 2021 das Mietendeckel-Gesetz kassiert. Der Mietendeckel wurde als juristisch nicht haltbar eingestuft, die grundlegenden Probleme rund um bezahlbares Wohnen bleiben allerdings bestehen. Wir haben Reaktionen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf das Urteil und daraus zu ziehende Konsequenzen für Sie zusammengetragen.
Reaktionen aus Sachsen
Als Reaktion auf das Mietendeckel-Urteil bildete die Debatte um die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum einen Schwerpunkt im Stadtparteitag der Leipziger SPD am 18. April 2021. Der SPD-Stadtvorsitzender Holger Mann: „Der Weg zur Mietpreisbremse für Leipzig muss durch den Freistaat endlich frei gemacht werden und mehr soziale Wohnbauförderung fließen. Wir wollen zudem weitere Maßnahmen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum für touristische Zwecke sowie die Ermöglichung eines kommunalen Mietendeckels durch den Bundesgesetzgeber.“
Kämpferischer gibt sich die Sprecherin der Linksfraktion für Wohnpolitik Juliane Nagel, die für einen Bundes-Mietendeckel streiten will: „Ich zolle der Berliner LINKEN Respekt für ihr mutiges Vorgehen. CDU und FDP haben erfolgreich für die Fortsetzung des Mietenwahns gekämpft. Für die Mieterinnen und Mieter in Deutschland ist das zugleich eine schlechte und eine gute Nachricht: Sie ist schlecht, weil die Schutzwirkung des Mietendeckels auf Landesebene jetzt wegfällt, aber sie ist auch insofern gut, weil sie klarstellt, dass der Bund durchaus einen Mietendeckel regeln darf. Dafür werden wir auch landespolitisch streiten und sehen die Staatsregierung in der Pflicht, in Berlin entsprechend tätig zu werden.
Mietwucher ist kein Naturgesetz. Die Mietpreisbremse des Bundes bietet zwar für die Mieterinnen und Mieter keinen ausreichenden Schutz vor exorbitanten Mieterhöhungen und Verdrängung, aber sie ist ein Anfang. Deshalb ist es gut, dass die sächsische Regierungskoalition offenbar endlich dazu bereit ist, sie für Dresden und Leipzig umzusetzen. Der Wohnungsmarkt ist in den beiden sächsischen Großstädten zwar noch nicht so sehr außer Kontrolle geraten wie in westdeutschen Metropolen – aber Sachsen ist ein Niedriglohnland und der Kampf für bezahlbaren Wohnraum daher umso dringlicher. Mit der Mietpreisbremse kann zumindest der rasante Anstieg der Neuvermietungsmieten im Bestand ein wenig eingedämmt werden. Darüber hinaus muss der Freistaat endlich die landesrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um Mieterinnen und Mieter zu schützen. Dazu gehören das Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen oder der verlängerte Kündigungsschutz bei Eigenbedarfskündigungen.
Thomas Löser, wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, drängt ebenfalls auf die Mietbremse: „Auch wenn der Berliner Mietendeckel mittels Landesregelung gescheitert ist, war er ein politisch wichtiges und richtiges Signal für viele Menschen, die unter einer Verdrängung durch stark steigende Mieten leiden. Das Urteil zum Mietendeckel in Berlin hat indes keinen Einfluss auf die Einführung der Mietpreisbremse in Sachsen. Im Gegenteil: Dieser Weg ist vom Bund bereits vorgezeichnet und es wird höchste Zeit, dass wir ihn in Sachsen gemeinsam beschreiten. Das haben wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Der Koalitionsausschuss hat sich zudem auf ein Verfahren zur Einführung der Mietpreisbremse geeinigt. Die Wohnungsmärkte in Leipzig und Dresden sind weiterhin sehr angespannt. Immer häufiger werden einkommensarme und sozial benachteiligte Menschen aus bestimmten Quartieren verdrängt oder sind von Wohnungslosigkeit betroffen.“
„Die Wohnungsunternehmen haben sehr langfristige Investitionsentscheidungen zu treffen und brauchen dafür dringend Rechts- und Planungssicherheit. Wohnungspolitische Experimente wie der Mietendeckel sind da absolut kontraproduktiv, weil sie deutschlandweit Verunsicherung bringen. Deshalb begrüßen wir die klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“, erklärt Jürgen Scheible, Vorstandsmitglied des vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V.. „Das Konstrukt ‚Mietendeckel‘ ist von Anfang an ideologiegetrieben und nicht sachlich begründet gewesen. Bezahlbares Wohnen erreicht man nicht mit vermeintlichen Wahlgeschenken. Die notwendigen Maßnahmen für dieses ohne Zweifel extrem wichtige Ziel sind komplexer und vielschichtiger. Von Mieten wie in Berlin sind wir in Sachsen weit entfernt – nicht zuletzt durch die starke Präsenz der kommunalen Wohnungsunternehmen, für die soziale Verantwortung mehr zählt als Rendite. Trotzdem hat der Berliner Mietendeckel auch bei unseren Wohnungsunternehmen für viel Verunsicherung mit Blick auf künftige Investitionen gesorgt. Wir begrüßen daher, dass dieses Experiment jetzt vom Tisch ist.“
Der Leipziger FDP-Bundestagskandidat und Jurist René Hobusch sieht durch das Urteil auch Auswirkungen für Sachsen: „Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Regelungskompetenz beim Mietrecht ausschließlich beim Bund liegt.“ Weiter führe das Gericht aus, dass es im Bürgerlichen Gesetzbuch „keine Regelungsvorbehalte, Öffnungsklauseln oder Ermächtigungsvorschriften, die den Ländern den Erlass eigener oder abweichender mietpreisrechtlicher Vorschriften ermöglichen würden“ gibt. „Diese Feststellung kann gravierende Auswirkungen auf Eingriffe der sächsischen Regierungskoalition in das hiesige Mietrecht haben. Die Schaffung besonderer sächsischer Regeln zur Ausrufung eines angespannten Wohnungsmarktes lässt sich nur noch schwer begründen. Erst recht dann nicht, wenn nur Dresden und Leipzig mit Döbeln und Löbau verglichen werden“, so Freidemokrat Hobusch. Es müsse vielmehr immer ein Bundesvergleich gezogen werden. „Insofern ist nach der Mietendeckelpleite eine Klagewelle in Sachsen gegen einen ausschließlich regionalen Vergleich der Wohnungsmärkte wahrscheinlich und auch gut begründbar.“ Abschließend ergänzt René Hobusch: „In Sachsen ist die Situation im Bundesvergleich entspannt. Hier hakt es nicht an freien Wohnungen, sondern daran, dass gerade eine Stadt wie Leipzig die Kosten der Unterkunft auf einem Niveau belässt, das die Marktentwicklung im Bereich der günstigen Wohnungen nicht mehr abbildet.“
Reaktionen aus Sachsen-Anhalt auf das Mietendeckel-Urteil
Frank Scheurel, Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Landesentwicklung und Verkehr der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, begrüßt das Urteil: „Bundesländern ist es nach aktueller Verfassungslage verboten, in den Mietmarkt einzugreifen. Eine Mietdeckelung ist, ebenso wie Staatswohnungen übrigens auch, keine geeignete Maßnahme. Wir benötigen dezentrale Wohnungslösungen und effektive Stadtumbaumaßnahmen statt einer Mietpreisbremse. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Anreize auch für private Investitionen in leerstehenden Wohnraum oder dessen Aufwertung müssen bestehen bleiben.“
„Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind auch die Blütenträume gescheitert, einen Mietendeckel für die großen Städte Sachsen-Anhalts einzuführen. Der Berliner Senat hatte sehenden Auges eine verfassungswidrige Vorschrift vorgelegt“, sagt Lydia Hüskens, FDP-Spitzenkandidatin in Sachsen-Anhalt, zu dem Urteil. „Letztlich bewirkt ein Mietendeckel auch das Gegenteil von Mieterschutz. In Berlin fror mit Inkrafttreten der Mietmarkt komplett ein. Es gab nur noch Angebote für die mietdeckelfreien Wohnungen (Baujahr nach 2014), deren Mieten rasant stiegen. Und: Es gab praktisch keine neuen Investitionspläne mehr in Mietwohnungen. Finger weg vom Mietendeckel.“
Guido Henke, Sprecher für Mieten und Wohnen der Fraktion DIE LINKE Sachsen-Anhalt, fordert dagegen ein Nachsteuern des Bundes: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Unwirksamkeit des Berliner Mietendeckels muss unbedingt zu einem Gesetzgebungsverfahren im Bundestag führen, das eine solche Begrenzung der Miethöhen ermöglicht. Selbstverständlich ist die Situation in Sachsen-Anhalt weitestgehend nicht mit den Mietforderungen in Ballungszentren vergleichbar. Allerdings gibt es in den Großstädten unseres Bundeslandes eine besorgniserregende Entwicklung. Einkommensschwachen Mietern und Mieterinnen droht die Verdrängung aus attraktiven Wohnlagen in weniger nachgefragte Gegenden. Natürlich ist die durchschnittliche Nettokaltmiete in Sachsen-Anhalt von etwa fünf Euro pro Quadratmeter moderat. Dennoch können sich Geringverdiener bei diesen Preisen nicht die besten Wohngegenden leisten.“
Stimmen aus Thüringen zum Mietendeckel-Urteil
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Mario Voigt, sagt: „Wohnen in Thüringen muss bezahlbar sein. Vom Automechaniker bis zum Chefarzt müssen es sich alle leisten können. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schiebt der rot-rot-grünen Unsitte, den Menschen permanent vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben haben, einen Riegel vor. Diese Entscheidung ist ein Warnschuss für alle, die meinen, sie könnten über Umwege das bundesweit geltende Mietrecht selbst verschärfen. Bezahlbares Wohnen schaffen wir nicht durch Überregulierung, sondern durch die richtigen Anreize für preisgünstiges Bauen. Ich hoffe, die rot-rot-grüne Landesregierung zieht für Thüringen die richtigen Lehren und begräbt ihre Pläne für gesetzlich verordnete Höchstmieten und Mietendeckel ein für alle Mal.“
Frank Emrich, Direktor Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. (vtw) empfiehlt statt einem Mietendeckel beispielsweise die Überarbeitung der Grunderwerbsteuer: „Hier sehe ich neben vielen anderen Stellen einen wirksamen Hebel zur Senkung der Mieten. Im Gegensatz zum Mietendeckel, denn dieser ist bei einer Durchschnittsmiete von 5,17 Euro pro Quadratmeter und Neuvermietungspreisen von mehrheitlich unter 6 Euro pro Quadratmeter für Thüringen schlicht unnötig, schädlich für die Wirtschaft sowie juristisch nicht haltbar.“
„Es ist unstrittig, dass Wohnen in Deutschland nicht zum Spekulations- und Gewinnmaximierungsobjekt verkommen darf. Gutes, bezahlbares Wohnen, sprich ein vernünftiges Dach über dem Kopf, ist ein soziales Grundrecht“, sagt der Jenaer SPD-Landtagsabgeordnete Lutz Liebscher. Bestehende Instrumente wie etwa die Mietpreisbremse seien zwar richtige Schritte, doch in der Wirkung noch nicht ausreichend: „Der Mietendeckel hatte in Berlin erkennbare Erleichterungen für die Berliner Mieter zur Folge. Die Mieten sind dort im vergangenen Jahr um fast acht Prozent gesunken. In den sechs Jahren zuvor ist es hingegen zu einem Mietanstieg von knapp 30 Prozent gekommen.“ Nun sei es wichtig, dass auf Grundlage der Berliner Erfahrungen auf Bundesebene weitere wirksame Schritte gegangen werden, damit in ganz Deutschland Mieter entlastet und damit zugleich auch der gefährlichen Wohnungs-Spekulationsblase in Deutschland die Grundlage entzogen werden kann. Liebscher weiter: „Die Beschwerdeführer gegen die Regelung waren vorrangig Wohnungsspekulanten, Großanbieter sowie CDU und FDP. Das sagt eigentlich bereits alles!“
Ute Lukasch, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Thüringer Landtag: „Den Mieterinnen und Mietern ist es vollkommen egal, wer zuständig ist, das Kompetenzgerangel wird nicht helfen. Der Mietermarkt ist in Deutschland sehr unterschiedlich und muss deshalb genau betrachtet werden. Ich fordere die Bundesregierung auf, dieses Urteil, welches den Handlungsbedarf nicht anzweifelt, zum Anlass zu nehmen und sofort zu handeln. Ein Schritt wäre die sofortige Umsetzung des „Berliner Mietendeckels“ in Bundesrecht.“