Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat am 15. Juni 2023 den neuen Berliner Mietspiegel veröffentlicht. Dieser einfache Mietspiegel tritt ab sofort in Kraft und soll 2024 durch einen qualifizierten Mietspiegel abgelöst werden. Der starke Anstieg der Vergleichsmieten führt zu Kritik.
Dazu sagte Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen:
„Der Mietspiegel 2023 schafft Sicherheit, weil er die Entwicklung der letzten zwei Jahre bei den Miethöhen in Berlin plausibel widerspiegelt. Ein Mietspiegel ist nicht Abbild politisch gewünschter Miethöhen. Er muss vielmehr wie der Mietspiegel 2023 die ortsüblichen Vergleichsmieten widerspiegeln.“
Mietspiegel 2023 ist ein Übergangs-Mietspiegel
Der Mietspiegel 2023 ist ein wichtiges Instrument im Rahmen des Mietrechts und dient als Befriedungsinstrument – zum Beispiel zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der geforderten Miete im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens. Der Berliner Mietspiegel 2023 ist ein Übergangs-Mietspiegel, um eine mietspiegellose Zeit in Berlin zu vermeiden. Er gilt, bis der neue qualifizierte Mietspiegel 2024 im Mai nächsten Jahres veröffentlicht wird. Dieser ist bereits in Arbeit.
Ursprünglich sollte wie in den vergangenen Jahren auch 2023 wieder ein qualifizierter Mietspiegel vorgestellt werden. Der Auftrag dazu wurde öffentlich ausgeschrieben. Allerdings wurde das Vergabeverfahren durch ein gerichtliches Nachprüfungsverfahren verzögert. Erst nach der Entscheidung des Kammergerichtes zu Gunsten Berlins konnte in diesem Jahr mit der Arbeit am qualifizierten Mietspiegel begonnen werden. Dadurch kam es zu einer Verzögerung von knapp einem Jahr.
Für 2024 ist ein qualifizierter Mietspiegel angekündigt
Aufgrund dieser Verzögerung konnten keine Miet-Daten durch Befragungen der Vermietenden und der Mietenden erhoben werden. Diese sind aber eine wesentliche Grundlage für qualifizierte Mietspiegel. Deshalb wurde ein einfacher Mietspiegel vorbereitet, bei dem die Werte des Mietspiegels 2021 mit einem Index fortgeschrieben werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat diese Aufgabe auf Grundlage des § 558c BGB übernommen.
Berliner Vergleichsmieten steigen um 5,4 Prozent
Der Index wurde gebildet aus Daten des Amts für Statistik zu den Nettokaltmieten sowie Verbraucherpreisindizes ohne Nahrungsmittel und Energie. Er spiegelt die Weiterentwicklung der Mieten seit dem letzten Mietspiegel 2021 wider und entspricht rund 2,7 Prozent pro Jahr. Auf die übliche Geltungsdauer eines Mietspiegels von zwei Jahren gerechnet sind das 5,4 Prozent. Daraus ergibt sich eine mittlere ortsübliche Vergleichsmiete von 7,16 Euro pro Quadratmeter. Im Vorjahr hatte diese noch bei 6,79 Euro pro Quadratmeter gelegen.
Die Wohnlage, das Straßenverzeichnis sowie die Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung wurden aus dem Mietspiegel 2021 übernommen. Eine Betriebskostenübersicht kann erst wieder für den qualifizierten Mietspiegel 2024 erstellt werden.
Reaktionen auf den einfachen Mietspiegel 2023
Die Reaktionen auf den Mietspiegel innerhalb der Branche unterscheiden sich nicht wesentlich.
Berliner Mieterverein bemängelt Mietsteigerungen trotz Reallohnsenkungen
„Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass es für die Übergangszeit bis zum nächsten qualifizierten Mietspiegel einen einfachen Mietspiegel gibt“, kommentiert die Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins Wibke Werner den veröffentlichten Mietspiegel des Berliner Senats. Denn ohne einen Übergangsmietspiegel wären Vermieter mit großer Wahrscheinlichkeit dazu übergegangen, Mieterhöhungsverlangen mit Vergleichswohnungen oder Gutachten zu begründen – aus Sicht der Mieter die schlechtere Variante.
„Durch die Anpassung des Mietspiegels um 5,4 Prozent werden Mieterhöhungsspielräume eröffnet, die in Zeiten hoher Inflation, hoher Energiepreise und gestiegener Lebenshaltungskosten für die Mieter eine hohe Belastung darstellen werden“, kritisiert Wibke Werner. Damit werden Mängel des Systems der ortsüblichen Vergleichsmiete sichtbar. „Denn die sinkende Reallohnentwicklung findet keine Berücksichtigung.“ Der Berliner Mieterverein hatte in der Vergangenheit Vorschläge für ein geändertes Mietpreisrecht gemacht und kritisiert den Bundesjustizminister, dass in diesem Zusammenhang bislang nicht einmal die im Koalitionsvertrag vereinbarte Absenkung der Kappungsgrenze in Angriff genommen wird.
Mietern rät der Berliner Mieterverein die Überprüfung der Mieterhöhung vor der Unterzeichnung, wofür mindestens zwei volle Monate nach Zugang der Mieterhöhung Zeit bleibt.
Linke kritisiert Ermöglichung hoher Mietsteigerungen
Die Linke kritisiert, dass es sich bei dem Mietspiegel 2023 um eine Fortschreibung des bereits 2021 fortgeschriebenen Mietspiegels handele. Diese erneute Fortschreibung sei rechtlich umstritten und könne für rechtliche Unsicherheiten sorgen. Vermieter könnten den Mietspiegel nicht anerkennen und künftig verstärkt versuchen, Mieterhöhungen auf der Basis von Vergleichswohnungen vorzunehmen. Sie weißt darauf hin, dass Verhandlungen über einen „Verbändemietspiegel“, der von Mieter- und Vermieterverbänden getragen wird, zuvor gescheitert seien, da die Vermieterverbände eine Steigerung um 7,5 Prozent erreichen wollten.
Der Sprecher für Mieten und Wohnen der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Niklas Schenker: “Der neue Mietspiegel macht hohe Mietsteigerungen möglich. Viele Haushalte sind angesichts der hohen Inflation ohnehin knapp bei Kasse, jetzt können Vermieter ihnen mit Mieterhöhungen noch mehr Geld aus der Tasche ziehen. Statt für Entlastungen zu sorgen, heizt die schwarz-rote Koalition die Mietpreisspirale weiter an. Mit der hohen Steigerungsrate von fünf Prozent im selbst erstellten Mietspiegel, reizt der Senat die Spielräume für Mieterhöhungen weitgehend aus. CDU und SPD machen den Vermietern ein Geschenk, das den Mietern teuer zu stehen kommt.
[...] Der Senat will den Mietenstopp bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen auslaufen lassen. Damit dürften auch die Mieten bei den landeseigenen Wohnungen Ende des Jahres kräftig steigen. Dabei könnte der Senat die allgemeine Mietentwicklung durch einen Mietenstopp in den landeseigenen Wohnungsbeständen zumindest etwas abbremsen. Es ist unerklärlich, wie sich der Senat einerseits damit rühmen kann mit Vermieterverbänden im sogenannten Wohnungsbündnis zusammenzuarbeiten, es andererseits aber nicht schafft, sich mit den Vermietern auf einen Verbändemietspiegel mit moderaten Mietsteigerungen zu verständigen. Die eskalierende Krise am Wohnungsmarkt ist eine Folge der Tatenlosigkeit der Bundesregierung. Wir brauchen dringend einen bundesweiten Mietendeckel oder zumindest eine Länderöffnungsklausel, damit Berlin die Mieten regulieren kann.“
Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) setzt auf soziales Augenmaß
Der BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. versteht den neuen Mietspiegel als einen „fairen und transparenten Interessenausgleich zwischen Mieter- und Vermieterseite“. Für beide Seiten sei „ein einfacher Mietspiegel ein gangbarer Weg und besser als kein Mietspiegel“. Vorständin Maren Kern verweist auf einen entscheidenden Punkt: „Angesichts der hohen Inflation der Preise für Instandhaltung oder Modernisierung sowie der deutlich gestiegenen Zinsen sind Mietanpassungen unerlässlich, um die Bausubstanz der Wohnungen zu erhalten oder dringend notwendige Investitionen, beispielsweise in energetische Sanierungen, finanzieren zu können.“
BFW Landesverband Berlin/Brandenburg warnt vor überhöhten Erwartungen
Der neue Mietspiegel „ist grundsätzlich ein für beide Parteien leicht anzuwendendes, nachvollziehbares Instrument und hat damit eine wichtige Befriedungsfunktion. Doch das wird nicht immer und nicht in allen Streitfällen funktionieren“, erklärt Susanne Klabe, Geschäftsführerin des BFW Landesverband Berlin/Brandenburg. Ihr Kritikpunkt: Der einfache Mietspiegel wird nicht mit tausenden neu erhobenen Zahlen erstellt, sondern schreibt den Mietspiegel von 2021 weiter. Weiche ein Mietspiegel zu stark von der tatsächlichen Marktentwicklung ab, müssten Vermieter verstärkt auf andere, vom Gesetz vorgesehene, Mittel zur Bestimmung der angemessenen Miethöhe setzen. Das kann der Vergleich mit anderen, ähnlichen Wohnungen sein, oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens. „Gerade kleinere mittelständische oder Einzelvermieter können darauf jedoch häufig nicht zurückgreifen oder die Kosten für ein teures Gutachten nicht stemmen. In Zeiten umfassender Preissteigerungen kann es verheerende Auswirkungen für Instandhaltungen und notwendige energetische Modernisierungen haben, wenn sich Mieten immer weiter vom realen Marktgeschehen entfernen. Immerhin müssen die Vermieter die steigenden Material- und Arbeitskosten ja trotzdem in voller Höhe tragen“, merkt Michael Kranz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender BFW Landesverband Berlin/Brandenburg, an.
Eigentümerverband Haus und Grund Berlin hatte stärkere Erhöhung erhofft
Gegenüber der Deutschen Presseagentur erklärte der Verbandsvorsitzende von Haus und Grund Berlin, Carsten Brückner, dass die Vermieterseite auf eine Anhebung der Vergleichsmiete um 7,5 Prozent gehofft habe. Als Begründung führte er die gestiegenen Kosten etwa für die Instandhaltung ins Feld und er rate jedem Vermieter, den gesetzlichen Spielraum für die Miethöhe auszuschöpfen.
ZIA: 37 Prozent der Wohnkosten vom Staat verursacht
Laut Empirica Regio fehlen allein in der Hauptstadt dieses Jahres 23.177 Wohnungen. Zum Vergleich: In Hamburg sind es 13.632 Wohnungen zu wenig, in München 10.577. Ökonom Gunther Schnabl, der an der Universität Leipzig das Institut für Wirtschaftspolitik leitet, sagt in einem Interview: „Früher ist die Mittelschicht über Wohneigentum aufgestiegen. Heute können junge Leute ohne Hilfe der Eltern kein Wohneigentum mehr kaufen.“ Dazu kommen Zinserhöhung, steigende Baukosten. Der Immobilienverband ZIA rechnet für 2025 mit einer Lücke von bis zu 700.000 Wohneinheiten und 1,4 Millionen Wohnungssuchenden deutschlandweit. Interessant ist die Erhebung, dass 37 Prozent der Wohnkosten laut ZIA vom Staat verursacht werden. Unter anderem die FDP fordert nun die Senkung der Grunderwerbssteuer in den Ländern.
Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes lassen keinen Optimismus aufkommen. In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden von Januar bis April 2023 insgesamt 74.900 Wohnungen genehmigt und damit 30,3 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Bei Einfamilienhäusern ging die Zahl um mehr als 30 Prozent zurück, bei Zweifamilienhäusern sogar um 52,1 Prozent. Auch bei der zahlenmäßig stärksten Gebäudeart, den Mehrfamilienhäusern, verringerte sich die Zahl der genehmigten Wohnungen deutlich, und zwar um mehr als ein Viertel.