Mietspiegel-Experten fordern mehr Sachkunde und weniger Einfluss von Politik und Verbänden

Mietspiegel-Experten fordern mehr Sachkunde und weniger Einfluss von Politik und Verbänden

Mietspiegel-Experten fordern mehr Sachkunde und weniger Einfluss von Politik und Verbänden
Prof. Dr. Steffen Sebastian fordert mehr Sachkunde bei der Mietspiegelerstellung. Copyright: (li) Jörg Hertle auf Pixabay; (re) Christian Buck

Mietspiegel sichern den Rechtsfrieden zwischen Mietern und Vermietern in Deutschland. Aktuell wird jedoch in zahlreichen Städten über den Mietspiegel gestritten, was das Vertrauen in dieses wirkungsvolle Instrument beschädigt. Prof. Dr. Steffen Sebastian, Vorsitzender der gif Mietspiegelkommission, fordert darum mehr Sachkunde und weniger Einfluss von Politik und Verbänden bei der Erstellung von Mietspiegeln.

Agentur

Vor dem Hintergrund der laufenden Beratungen des Deutschen Bundestages über eine Reform des Mietspiegelrechts fordert die Mietspiegelkommission der gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. Nachbesserungen in zentralen Punkten: Mietspiegel sollten unabhängig vom Einfluss von Politik und Interessenvertretern erstellt werden. Zudem sollten Ersteller von Mietspiegeln dazu verpflichtet werden, ihre Sachkunde nachzuweisen.

Streiteren um Manipulationen am Mietspiegel schaden dem Vertrauen in das Instrument

„Union und SPD haben sich gestern offenbar über die Reform des Mietspiegelrechts geeinigt. Jetzt soll in den Entwurf noch eine Mietspiegelpflicht ab 50.000 Einwohner eingearbeitet werden. Auch das ist gut, aber wenn der Bund den Kommunen Aufgaben zuweist, wird es richtig kompliziert. Unabhängigkeit und Sachkundenachweis findet das Parlament zwar auch gut, will diese Aufgabe aber wieder an die Regierung zurückweisen. Dabei wäre das viel wichtiger und deutlich einfacher umzusetzen“, kommentiert Prof. Dr. Steffen Sebastian, Vorsitzender der gif Mietspiegelkommission und Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS International Real Estate Business School, Universität Regensburg.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass zwar in den meisten Städten die Mietspiegel gleichermaßen von Mietern wie Vermietern anerkannt werden. Trotzdem gibt es aber in vielen Städten ständig Streit um tatsächliche oder angebliche Manipulationen am Mietspiegel. Dies beschädigt deutschlandweit das Vertrauen in Mietspiegel. Mietspiegel sollten daher unabhängig von Kommunalpolitik und dem Einfluss der Interessenvertreter erstellt werden. Der Deutsche Städtetag selbst fordert, dass Mietspiegel unabhängig von kommunalpolitischem Einfluss erstellt werden. Wer will da widersprechen?“, erklärt Prof. Dr. Sebastian. „Mietspiegel sind die zentrale Referenz für Mieterhöhungen und die Festlegung der Miete bei Neuvermietungen. Daher haben qualitativ hochwertige Mietspiegel eine wichtige Funktion für den Rechtsfrieden im Wohnungsmarkt.“

Ohne Mietspiegel läuft Mietpreisbremse ins Leere

Die gif-Mietspiegelkommission warnt außerdem: Durch neue Übergangsvorschriften sind eine Vielzahl von Mietspiegeln endgültig abgelaufen und nicht mehr anwendbar. Dadurch ist eine Reihe von Großstädten ganz ohne Mietspiegel. Ohne Mietspiegel läuft die Mietpreisbremse aber ins Leere. Aktuell verfügen insgesamt 34 der größten deutschen Städte über keinen Mietspiegel. Zu dieser Gruppe gehören auch Berlin, Düsseldorf und Hannover und 16 weitere Städte mit tatsächlich angespanntem Wohnungsmarkt, in denen die Mietpreisbremse eigentlich gelten soll.

Prof. Dr. Sebastian fordert daher, eine eindeutige Verpflichtung zur Erstellung von Mietspiegeln einzuführen: „In Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt sowie in jeder Großstadt sollten qualifizierte Mietspiegel erstellt werden. Die gesetzlich verbindlichen Mietbegrenzungen sind sonst nicht umsetzbar“, so Professor Sebastian.

Neuer Mietspiegelreport 2021 soll zur Standadisierung des mietpreispolitischen Instrumentes beitragen

Die Mietspiegelkommission der gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. legt mit dem Mietspiegelreport 2021 eine aktuelle Bestandsaufnahme der Mietspiegel in den 200 größten Städten Deutschlands vor. Der Report soll zur Etablierung einheitlicher Standards beitragen sowie die Entwicklung qualitativ hochwertigerer Mietspiegel unterstützen.

Nach Angaben des gif-Mietspiegelreports hat der Anteil qualifizierter Mietspiegel weiter zugenommen und steigt von 37 Prozent auf 40 Prozent beziehungsweise in absoluten Zahlen von 73 auf 79. Dabei setzt sich der Trend zur Anwendung der Regressionsmethode fort. Die Anzahl der Regressionsmietspiegel ist von 49 auf 56 gestiegen. Sowohl Tabellenmethode als auch Regressionsanalyse werden auch nach der Mietspiegelreform zulässige Methoden zur Mietspiegelerstellung sein. „Dies entbindet den Anwender aber nicht von der Überprüfung, ob die Methode auch für den konkreten Wohnungsmarkt anwendbar ist. Aus unserer Sicht ist die Tabellenmethode nur geeignet für einfache Mietspiegel in übersichtlichen, homogenen Wohnungsmärkten, nicht aber für qualifizierte Mietspiegel in den komplexen, heterogenen Märkten der Großstädte“, erläutert Professor Sebastian.

Sachkunde muss Sparzwang ersetzen

Immer mehr Kommunen vergeben die Erstellung der Mietspiegel an kommerzielle Unternehmen. Die Anzahl dieser extern erstellten Mietspiegel ist von 67 auf 77 gestiegen. Damit steigt die Bedeutung rechtskonformer Vergabeverfahren und eines Sachkundenachweises der Mietspiegelersteller. Hierzu Professor Sebastian: „Eigentlich muss die Kommune bei der Vergabe die Sachkunde des Mietspiegelerstellers feststellen und das Angebot auch inhaltlich prüfen. Das ist aber nicht umsetzbar. In der Praxis erfolgt dann die Vergabe an den billigsten Anbieter; eine Prüfung der Sachkenntnis findet nicht statt. Fehlerhafte Mietspiegel sind die zwangsläufige Folge. Hier muss der Gesetzgeber dringend nachbessern. Wir fordern einen bundesweit einheitlichen Sachkundenachweis und klare Vorgaben für die Vergabe.“

Der Mietspiegelreport 2021 steht hier zum kostenlosen Download bereit

Analyse: In diesen Städten ist das Wohnen am teuersten: Wohnen in Deutschland wird immer teurer. Längst gehen 30 Prozent und mehr vom Einkommen an den Vermieter. ImmoScout24 analysiert, wie hoch der Wohnkostenanteil in den größten deutschen Städten mit über 100.000 Einwohnern ist.
Trend

Analyse: In diesen Städten ist das Wohnen am teuersten

Ist der Staat der bessere Vermieter?: Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ erfüllt die formalen Voraussetzungen. Dennoch wird es zu keiner Sozialisierung von 240.000 Wohnungen kommen, sagt Rechtsanwalt Dr. Mathias Hellriegel.
Berlin/Brandenburg / Berlin

Ist der Staat der bessere Vermieter?

Mehrheit der Deutschen für Bundesregelung zum Mietendeckel: Zwar wurde der Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht gekippt, die grundsätzlichen Probleme sind damit aber nicht vom Tisch. So zeigt eine repräsentative Umfrage, dass sich die Deutschen eine Bundesregelung für den Mietendeckel erhoffen.
Trend

Mehrheit der Deutschen für Bundesregelung zum Mietendeckel