Nach zwei coronabedingten Absagen in den Jahren 2020 und 2021 feiert Europas wichtigste Standortmesse ihr Comeback: Erstmals seit 2019 trifft sich die europäische Immobilienwirtschaft wieder bei der MIPIM in Cannes und trotz der Nachwehen der Pandemie und der schwierigen geopolitischen Lage sind die Perspektiven der meisten Immobilienmärkte des Kontinents ausgezeichnet. Die entsprechend wichtigsten Trends der MIPIM auf einen Blick.
„Je rauer die See, desto schneller werden sichere Häfen angesteuert“, fasst Michael Ehlmaier, Geschäftsführender Gesellschafter der EHL Gruppe, die aktuelle Großwetterlage für die europäische Immobilienbranche zusammen. „Die Nachfrage nach Immobilieninvestments ist groß wie (fast) nie zuvor, die Treiber dafür sind die Suche nach Stabilität und Sicherheit, für die vor allem der österreichische und der deutsche Markt stehen, und die tendenziell steigende Inflation. Die Dynamik der vergangenen Jahre wird daher trotz gewisser konjunktureller Unsicherheiten weiterhin anhalten.“
Zuversichtlich stimmt Ehlmaier auch die positive Stimmung bei der MIPIM: „Manche Geschäftspartner sehen wir hier das erste Mal seit drei Jahren wieder und bei aller Akzeptanz und Notwendigkeit für digitale und virtuelle Kommunikation zeigt sich doch, dass viele wichtige und komplexe Transaktionen am besten persönlich besprochen werden. Das Ende von Reisebeschränkungen wird schon aus diesem Grund einen zusätzlichen Schub für den Immobilienmarkt bringen.“
Die Trends der MIPIM 2022
Preise für Spitzenobjekte steigen weiter
Der Trend zu größtmöglicher Sicherheit schlägt sich auch in hoher Preisstabilität im Spitzensegment nieder: „Die Nachfrage konzentriert sich noch stärker auf Objekte, die hohe Wert- und Ertragsstabilität versprechen“, erklärt Franz Pöltl, Geschäftsführer der EHL Investment Consulting. „Das führt dazu, dass sich die Preise für Spitzenobjekte derzeit besonders gut entwickeln, wobei langfristig vermietete Bürohäuser, Logistikimmobilien und Wohnobjekte am gefragtesten sind.“
Aber auch unterhalb des Topsegments entwickelt sich der Markt sehr positiv. „Die steigende Inflation macht Immobilieninvestments besonders interessant, besonders vermietete Bestandsobjekte mit indexierten Erlösen sind hochattraktiv. Für Developer bergen die hohen Baupreise und die Preissteigerungen bei Energie hingegen gewisse Risiken“, so Pöltl.
Büroimmobilien: Qualität schlägt Preis
Bei der Vermietung gewerblicher Flächen geht der Europatrend klar in Richtung Qualität. Insbesondere gelte das für den Bürobereich, konstatiert Stefan Wernhart, Geschäftsführer der EHL Gewerbeimmobilien GmbH. „Die weltweite Pandemie hat quer über alle Branchen hinweg eine intensive Implementierung von hybriden Arbeitsformen bewirkt. Damit die Mitarbeiter trotzdem ausreichend oft und gerne ins Büro kommen, setzen erfolgreiche und finanzstarke Unternehmen auf attraktive Bürokonzepte, die Flexibilität und Erlebniswert bieten.
Mit Kommunikations- und Begegnungszonen, mit Bereichen, die zur Entspannung einladen, Kreativzonen, Sportmöglichkeiten und mehr. Für bessere Qualitäten in Hinblick auf Lage und Ausstattung sind Unternehmen auch bereit, höhere Mietpreise zu bezahlen. Die Miethöhe steht bei vielen Unternehmen als Entscheidungskriterium nicht mehr an erster Stelle.“
Wohnen: Energieschub für Nachhaltigkeit
Bei Wohnimmobilien steht hingegen Nachhaltigkeit ganz eindeutig an allererster Stelle. „Die globale Klimaschutzdebatte, die EU-Taxonomie, verschärfte Regelungen auf nationaler Ebene und vor allem die hohe Sensibilität der Kunden haben Entwickler und Investoren bereits seit einiger Zeit auf Nachhaltigkeitskurs gebracht. Jetzt kommen noch die stark steigenden Preise für fossile Energie dazu, die Nachhaltigkeit auch aus rein ökonomischen Gründen in den Vordergrund rückt“, sagt EHL-Wohnen-Geschäftsführerin Karina Schunker.
„Auch auf der MIPIM ist dieses Thema stark präsent und es wird eine enorme Vielfalt von Konzepten und Ideen zur Reduktion des Energiebedarfs und zur Substitution fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energie präsentiert. Das ist eine positive Entwicklung, die auch Hoffnung macht, dass wir in den kommenden Jahren im Wohnbau bei Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung weitere große Verbesserungsschritte machen werden.“
Das war die MIPIM 2022
Dr. Wulff Aengevelt von der Aengevelt Immobilien GmbH & Co. KG zur Mipim 2022: Grundsätzlich war die Stimmung gut, eine Eintrübung der Transaktionsfreude nicht festzustellen: Marktgerechte Offerten stießen – wenn sie solide vorbereitet waren und in Abhängigkeit von der Assetklasse – unverändert auf großes Interesse. Gleichzeitig haben viele Investoren angesichts von ESG und EU-Taxonomie deutlichen Informations- und Beratungsbedarf hinsichtlich Umsetzungskosten, Nutzersicht und daraus resultierender Kapitalisierungseffekte.
Das damit verbundene Thema “Nachhaltigkeit“ zeigte sich auch im Dialog mit Kommunalpolitik und -verwaltung, zum Beispiel auf dem Düsseldorf-Stand, wo OB Stephan Keller einem internationalen Publikum die beachtliche Auswahl heimischer Top-Projekte mit Schwerpunkt einer nachhaltigen, generationenübergreifenden Stadtentwicklung und Quartiersbildung präsentierte. Gesprächsthema waren natürlich auch Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf die Immobilienwirtschaft, zum Beispiel bei langjährig erfolgreich in Osteuropa tätigen Developern bezüglich laufender Projekte unter anderem in Warschau, Prag und Budapest. Allerdings gibt es hier keine Kollaps-Prognosen.
Sorgenvoller werden dagegen steigende Rohstoff- und Energiepreise, Zinsen und anziehende Inflationsraten betrachtet, da dies bei überwiegend Index-gebundenen Gewerbemieten zwangsläufig zu Mieterhöhungen führt, die einem Post-Corona-Aufschwung abträglich sind. Darüber hinaus zeichnen sich in der Bauwirtschaft durch weiter verschärfende Lieferengpässe und Materialpreissteigerungen Probleme hinsichtlich kalkulierter Baukosten und Fertigstellungstermine ab. Hieraus resultierende Verzugsschäden können – bei allem Verständnis zwischen den Vertragsparteien – zu Rechtskonflikten führen. Angesichts dieser komplexen Marktsituation hat die diesjährige MIPIM als internationale Informations- und Kommunikationsplattform einen umso höheren Stellenwert!
MIPIM-Awards Gewinner
2022 haben es keine deutschen Projekte unter die Finalisten geschafft. Die Jury entschied sich in 13 Kategorien für folgende Gewinner.
BEST CULTURAL & SPORTS INFRASTRUCTURE: Musée Atelier Audemars Piguet in Le Brassus (Schweiz)
BEST FUTURA MEGA PROJECT: Hangzhou Alibaba DAMO Academy Nanhu Industry Park Project im chinesischen Hangzhou
BEST FUTURA PROJECT: Arboretum im französischen Nanterre
BEST HEALTHCARE DEVELOPMENT: Basaksehir Cam Ve Sakura City Hospital in Istanbul
BEST HOTEL & TOURISM RESORT: Casa di Langa im italienischen Cerreto Langhe
BEST INDUSTRIAL & LOGISTICS DEVELOPMENT: LCP Trecate im italienischen Trecate
BEST MIXED-USE DEVELOPMENT: Frederiksberg Allé 41 in Kopenhagen
BEST OFFICE & BUSINESS DEVELOPMENT: Montagne du Parc, das neue Headquarter von BNP Paribas Fortis in Brüssel
BEST REFURBISHED BUILDING: Astoriahuset and Nybrogatan 17 in Stockholm
BEST RESIDENTIAL DEVELOPMENT: Æbeløen im dänischen Aarhus
BEST SHOPPING CENTRE: CAP3000 im französischen Saint-Laurent-du-Var
BEST URBAN PROJECT: Borough Yards in London
SPECIAL JURY AWARD: House of Music in Budapest