Sara Kocabiyik, Teamleiterin Akquisition & PR und Associate Partner bei UNDKRAUSS, hat für uns den Übergang in die Kreislaufwirtschaft skizziert.
Der Lebenszyklus eines Gebäudes hat Auswirkungen auf unsere Umwelt. Die Ökobilanz eines Gebäudes betrachtet den gesamten Lebenszyklus, also Bau, Betrieb und Instandhaltung und hängt vom Energieverbrauch, Ressourceneinsatz, Wasser- und Abfallmanagement, den direkten und indirekten Emissionen, der Lebensdauer und Flexibilität des Gebäudes ab. Es ist daher zwingend erforderlich, unsere Projekte bereits in der Planung ganzheitlich in allen Phasen zu betrachten.
Weg zu mehr Nachhaltigkeit: Graue Energie steht im Fokus
Der Energieverbrauch aller verbauten Materialien ist relevant. Dazu gehören Baustoffe und Bauprodukte, die für Rohbau, Aus- und Trockenbau, Gebäudetechnik, Instandhaltung, Renovierung, Sanierung und Umbau eingesetzt werden sowie für deren Rückbau und Abriss – idealerweise nach einer möglichst langen Lebensdauer. Entsprechend spielt der Primärenergiebedarf der Baustoffe und Baukonstruktionen, auch Graue Energie genannt, in der Gesamtbetrachtung über alle Zyklusphasen hinweg die entscheidende Rolle.
So macht es einen Unterschied, ob Zement und Beton zum Einsatz kommen oder klimafreundliche Naturstoffe wie Lehm und Holz. Die Betonindustrie wird daher immer stärker in die Verantwortung genommen, klimaschonender zu produzieren. Die gesamten Energieverbräuche der Baumaterialien, aufsummiert von der Herstellung, inklusive Rohstoffgewinnung und Vorproduktion, bis zu Transport, Lagerung, Nutzung, einschließlich der späteren Entsorgung mit Wiederverwertung und Recycling sind ein Teil dieser Grauen Energie.
Flächeneffizienz eines Gebäudes optimieren
Unter dem Strich bedeutet dies: Ein nachhaltiges Gebäude berücksichtigt idealerweise bereits bei der Planung alle bau- und zugleich CO2-relevanten Arbeitsschritte bis zum letzten Handschlag, der zu verrichten ist. Klimafreundlichere Gebäude zeichnen sich somit durch eine materialgerechte Planung und ein durchdachtes, nachhaltiges, flexibles und zirkuläres Gesamtkonzept aus. Dies kann auch bedeuten, die Flächeneffizienz eines Gebäudes zu optimieren, wie sie aus New Work-Konzepten bekannt ist. Mit weniger Flächenverbrauch, weniger Materialeinsatz und geringeren Investitionskosten werden hier unter dem Strich bessere Ergebnisse erzielt. Wenn weiterhin ausschließlich gesunde Baumaterialien / nachhaltige und zirkuläre Baustoffe zum Einsatz kommen, profitieren auch die Nutzer.
„Wir durchleben gerade eine Transformation“
Nachhaltiges Bauen muss dabei nicht teurer sein. Berücksichtigen wir bereits in der Planung den gesamten Lebenszyklus, die Betriebskosten, Rückbaubarkeit und Restmaterialwerte, werden Investitionen ganz anders bewertet. Das setzt allerdings eine andere Herangehensweise und eine Änderung im Mindset aller am Bau Beteiligten voraus. Unsere Branche durchlebt gerade eine Transformation. Wir werden in vielen Bereichen Dinge künftig anders tun. Frei nach Albert Einstein formuliert, werden wir unsere Probleme von Morgen nicht mit den Lösungen von gestern meistern. Deshalb werden wir in Zukunft anders bauen und unsere Gebäude anders betrachten.
Abhängig von der Lage kann ein Gebäude beispielsweise nicht nur zur Materialdatenbank, sondern auch zur Energiequelle oder zur grünen Lunge eines Quartiers werden, wenn etwa die Biodiversität im Fokus steht. Nicht jedes Gebäude wird alles bieten können. Umso wichtiger ist es, auf der Quartiersebene die Effektivität der Gebäude von morgen divers zu betrachten und deren Potentiale gezielt und selektiv auszuschöpfen. Dabei sollte der maximale Bestandserhalt oberste Priorität haben. Denn es ist sinnvoll, die einmal verbrauchte Graue Energie möglichst lange zu nutzen. Daher tragen Umbau und Sanierung ebenfalls zu einer besseren Ökobilanz von Gebäuden bei und leisten anders als ein Neubau einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung.
Nachhaltigkeit ist in der Immobilienbranche angekommen
Nachhaltiges und zirkuläres Bauen ist schon lange kein ökologischer Idealismus mehr. Verschiedene Regularien wie die EU-Taxonomie ebnen durch die Umweltziele den Übergang zur Kreislaufwirtschaft, zur Biodiversität und zur Anpassung an den Klimawandel. Auch hierzulande ist zu beobachten, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen weiter verschärfen. Ein Beispiel ist das zum Jahresanfang verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, kurz Lieferkettengesetz. Es wird in der Baubranche für einen Paradigmenwechsel sorgen, denn nun müssen alle am Bau Beteiligten mehr Verantwortung für die eingesetzten Baustoffe übernehmen – dass allerdings dürfte sich erst langsam auszuwirken.
Waren Aspekte wie Primarenergiebedarf und Kreislaufwirtschaft bisher eher Randthemen in der Baubranche, werden sie mit dem angekündigten digitalen Gebäuderessourcenpass nun jedoch immer wichtiger. Nachhaltigkeit ist mit all seinen Aspekten in der Branche angekommen. Es liegt nun an den Marktteilnehmern, die benötigten PS auf die Straße zu bringen, ins Handeln zu kommen und vor allem skalierbare Lösungen auf den Markt zu bringen. In der Praxis sieht das allerdings noch etwas anders aus. Das magische Dreieck der Immobilienwirtschaft – Kosten, Termine, Qualitäten – muss jetzt um die Dimension der Nachhaltigkeit ergänzt werden. Vom Dreieck zum Viereck, sozusagen.