Nachhaltigkeitsberichterstattung: Welche Wege geht die europäische Wirtschaft, um nachhaltiger zu werden?

Nachhaltigkeitsberichterstattung: Welche Wege geht die europäische Wirtschaft, um nachhaltiger zu werden?

Nachhaltigkeitsberichterstattung: Welche Wege geht die europäische Wirtschaft, um nachhaltiger zu werden?
Elena Graf-Burgstaller (Copyright: privat) über das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen (Copyright Bild links: Annette auf Pixabay)

IMMOBILIEN AKTUELL-Gastautorin Elena Graf-Burgstaller von der BLUESAVE Consulting GmbH analysiert Verordnungen, Richtlinien und Pläne aus Brüssel, die die Unternehmen in allen Branchen zu nachhaltigen Maßnahmen bewegen sollen.

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Die großen Unternehmen von öffentlichem Interesse, wie börsennotierte Unternehmen, Kreditinstitute und Versicherungen, spüren den Druck, seitdem die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) 2017 in Kraft getreten ist, und die Unternehmen verpflichtet, nicht finanzielle (nachhaltige) Berichte zu verfassen. Die nächste Richtlinie, die in diesem Zusammenhang im Jahr 2023 verabschiedet wurde, heißt Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Mit ihrer Hilfe zwingt man in den nächsten Jahren sukzessive auch kleinere Unternehmen zu einer nachhaltigen Berichterstattung und somit zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag.

Standardisierung, Vergleichbarkeit und Digitalisierung von ESG

Die großen Beratungsfirmen sind derzeit mit der Umsetzung dieser Richtlinie beschäftigt, um ab 2024 die derzeit berichtspflichtigen Unternehmen von öffentlichem Interesse mit den neuen Anforderungen unterstützen zu können. Die Änderungen zielen auf Standardisierung, Vergleichbarkeit und Digitalisierung der ESG-Unternehmensdaten. Dabei wird es keinen separaten Nachhaltigkeitsbericht mehr geben. Stattdessen ist der Report im Lagebericht integriert und durch externe Wirtschaftsprüfer geprüft. Er wird in dieser Form ab dem Geschäftsjahr 2025 für große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, einem Umsatz von über 40 Millionen Euro und einer Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro verpflichtend sein. Ein Jahr später folgen die börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die kleinen und nicht komplexen Kreditinstitute und die firmeneigenen Versicherungen.

Auf indirekte Weise besteht Pflicht für Nachhaltigkeitsbericht

Alle restlichen Unternehmen werden aus heutiger Sicht nicht verpflichtet sein, den Bericht zu verfassen. Nichtdestotrotz fordert sie die Gesetzgebung indirekt auf, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Auf Grund der eigenen Berichtspflicht werden die großen Unternehmen es sich nicht mehr leisten können, Geschäftsbeziehungen mit nicht nachhaltigen Unternehmen zu unterhalten. Die Banken werden auch ihre Portfolien immer nachhaltiger gestalten müssen, so dass sie Kredite an nachweislich „grüne“ Firmen vergeben werden. Die Ausschreibungen von berichtspflichtigen Unternehmen beinhalten auch zwangsweise Nachhaltigkeitsanforderungen. Auf diesem indirekten Wege besteht für alle KMUs die Pflicht, einen Nachhaltigkeitsbericht vorzubereiten.

Eine gute und für kleinere Betriebe leistbare Alternative zum CSRD ist die Gemeinwohlbilanz. Sie ist derzeit in der DACH-Region verbreitet und beruht auf dem Prinzip der Gemeinwohl-Ökonomie. Also auf einem Wirtschaftsmodell, dessen Ziel ein gutes Leben für alle auf einem gesunden Planeten ist. Im Mittelpunkt steht der Gedanke, dass werteorientierte Unternehmen auf das Gemeinwohl achten und sich aktiv dafür einsetzen. Dabei wird das Gemeinwohl als Menschenwürde, Solidarität und soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitbestimmung definiert.

Die Gemeinwohlbilanz beinhaltet eine Matrix mit 20 Kriterien:

Wert Menschenwürde Solidarität und Gerechtigkeit Ökologische Nachhalitgkeit Transparenz und Mitentscheidung
Berührungsgruppe
A: Lieferanten A1: Menschenwürde in der Zulieferkette A2: Solidarität und Gerechtigkeit in der Zulieferkette A3: Ökologische Nachhaltigkeit in der Zulieferkette A4: Transparenz und Mitentscheidung in der Zulieferkette
B: Eigentümer und Finanzpartner B1: Ethische Haltung im Umgang mit Geldmitteln B2: Soziale Haltung im Umgang mit Geldmitteln B3: Sozial-ökologische Investitionen und Mittelverwendung B4: Eigentum und Mitentscheidung
C: Mitarbeitende C1: Menschenwürde am Arbeitsplatz C2: Ausgestaltung der Arbeitsverträge C3: Föderung des ökologischen Verhaltens der Mitarbeitenden C4: Innerbetriebliche Mitentscheidung und Transparenz
D: Kunden D1: Ethische Kundenbeziehung D2: Kooperation und Solidarität mit Mitunternehmen D3: Ökologische Auswirkung durch Nutzung und Entsorgung von Produkten und Dienstleistungen D4: Kunden-Mitwirkung und Produkttransparenz
E: Gesellschaftliches Umfeld E1: Sinn und gesellschaftliche Wirkung der Produkte und Dienstleistungen E2: Beitrag zum Gemeinwesen E3: Reduktion ökologischer Auswirkungen E4: Transparenz und gesellschaftliche Mitentscheidung

Diese Matrix dient als Leitfaden zur Beurteilung, welchen Beitrag ein Unternehmen zum Gemeinwohl leistet. Es wird deutlich, wie fair, nachhaltig und transparent ein Unternehmen ist. Durch die Bearbeitung der Kriterien gewinnt die Firma einen 360 Grad-Einblick in die Anforderungen der Nachhaltigkeit und erfährt erstmalig auf einer Punktskala von bis zu 1.000 Punkten eine Einstufung. Es werden kurzfristige und mittelfristige Ziele festgelegt, deren Erfüllung zur Verbesserung des Unternehmens in naher Zukunft beitragen. Die Gemeinwohl-Bilanz als Tool eignet sich für alle Wirtschaftszweige sehr gut.

Immobilienzertifikate unterstützen Qualitätsprozess in der Immobilienbranche

Eine Branche, die eigene Wege zu mehr Nachhaltigkeit entwickelt, ist die Immobilienbranche. Das Ziel: Gebäude nachhaltig und taxonomiekonform gestalten. Der Qualitätsprozess wird durch Immobilienzertifikate unterstützt. Die Briten waren in den 1990er Jahren mit dem ersten Nachhaltigkeitszertifikat für Immobilien (BREEAM) Vorreiter. Seitdem sind weitere Zertifizierungssysteme in den USA (LEED, WELL-Building, EDGE, Cradle to Cradle), Europa und Asien entstanden. Auch Österreich trägt zu dieser Zertifikatslandschaft mit ÖGNI, klimaaktiv, dem Österreichischen Umweltzeichen oder Greenpass bei.

Die Systeme weisen in ihrem Umfang, Inhalt und Tiefe starke Abweichungen auf. Manche Zertifikate konzentrieren sich vor allem auf eine Säule der Nachhaltigkeit wie Ökologie oder Soziales, andere Zertifikate umfassen alle drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Soziales und Ökonomie und wieder andere wie ÖGNI/DGNB gehen darüber hinaus und beleuchten je nach Systemvariante bis zu sechs Aspekte der Nachhaltigkeit.

Entscheidend für die Auswahl des Systems ist auch dessen EU-Taxonomie-Kompatibilität. Zertifikate, die in der EU entwickelt wurden, integrieren in der Regel die EU-Taxonomie-Verordnung. Zusätzliche Faktoren bei der Beurteilung sind der Grad der Greenwashing-Vermeidung und die langfristige Durchsetzungsfähigkeit auf der europäischen und globalen Bühne. Mieter, institutionelle Investoren und Ratingagenturen fordern grüne Zertifikate und mit wachsendem Know-how aller Beteiligten werden sich jene Zertifikate behaupten, die den oben erwähnten Anforderungen entsprechen. Die Inhalte der Immobiliennachhaltigkeitszertifikate fließen in die Nachhaltigkeitsberichtserstattung ein und gewährleisten eine profunde Einsicht in das Nachhaltigkeitslevel der zertifizierten Immobilie.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neue Gesetzgebung auf EU-Ebene alle Unternehmen und die Gesellschaft beeinflusst und erfolgreich in Richtung Ressourcenschonung, Effizienz, Transparenz und Nachhaltigkeit lenkt.

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