Noch kein Ende der Krise in der deutschen Baubranche in Sicht

Noch kein Ende der Krise in der deutschen Baubranche in Sicht

Noch kein Ende der Krise in der deutschen Baubranche in Sicht
Die Baubranche befindet sich nach wie vor im Krisenmodus. Copyright: kalhh auf Pixabay

Die deutsche Baubranche steckt mitten in einer tiefgreifenden Krise. Der deutliche Rückgang der Bauaktivitäten, steigende Materialkosten, Lieferengpässe, Fachkräftemangel und bürokratische Hürden stellen zahlreiche Unternehmen vor existenzbedrohende Herausforderungen. „Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Anstieg der Insolvenzen in der Baubranche zwischen 10 und 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, sagt dementsprechend Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central and East Europe des internationalen Kreditversicherers Atradius.

Agentur

Getrieben wird die negative Stimmung in der Baubranche vor allem durch die aktuelle Lage im Wohnungsbau, aber auch im gewerblichen Hochbau – insbesondere aufgrund des Mangels an neuen Aufträgen, fehlenden Arbeitskräften, höheren Preisen und Finanzierungskosten sowie einem erhöhten Ausfallrisiko der Bauträger und Projektentwickler.

Insolvenzen im Baugewerbe nehmen zu

Im Jahr 2023 stieg die Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe gegenüber dem Vorjahr um rund 21 Prozent auf 2.900 Unternehmenspleiten. Damit wurde das Vor-Corona-Niveau um einen mittleren einstelligen Prozentbereich übertroffen – im Jahr 2019 lag die Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe bei 2.770. „Bestehende Auftragsüberhänge wurden 2023 abgearbeitet und es mangelt an neuen Aufträgen“, sagt Michael Karrenberg. Aktuell am stärksten betroffen sind Firmen im kleinen und mittleren Segment, da diese mit geringeren finanziellen Mitteln ausgestattet sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, den Wohnungsmangel durch den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen zu bekämpfen, bei Weitem nicht erreicht wird. So wurden im vergangenen Jahr nach bisherigen Angaben nur etwa rund 245.000 Wohnungen fertiggestellt. „Auch für dieses und nächstes Jahr dürfte sich daran wenig ändern. Ich fürchte, dass sich die Pleitewelle in der Folge erst in diesem Jahr richtig zeigen wird“, prognostiziert Michael Karrenberg. Denn: Unter der sinkenden Nachfrage werden nicht zuletzt auch nachgelagerte Branchen wie Baustoffhändler, Küchenbauer, Handwerker oder Sanitäranlagenhersteller mit einer gewissen Zeitverzögerung leiden.

Segment des Wirtschaftsbaus aktuell problematisch

Neben dem Wohnungsbau ist der Wirtschaftsbau, also die Herstellung von Gebäuden für Industrie und Gewerbe, derzeit problematisch. „Angesichts der steigenden Kosten können Projekte vielfach nicht mehr profitabel abgewickelt werden“, so Michael Karrenberg. Die Krise treffe dabei besonders Projektentwickler, die während der niedrigen Zinspolitik Grundstücke gekauft, vermarktet und ein Projekt nach dem anderen entwickelt hätten, ohne auf die Rentabilität zu achten. Die Bereinigung der Branche finde vor diesem Hintergrund insbesondere bei den Projektentwicklern statt, die nicht ausreichend finanzielle Substanz aufgebaut hätten.

Positive Perspektive für die Branche trotz Problemen

Angesichts des anhaltenden und sogar steigenden Bedarfs an Wohnraum, dem Ausbau der Energieinfrastruktur und der Mobilitätswende blieben die Perspektiven der Baubranche trotz der aktuellen negativen Delle positiv. „Wir brauchen für die Zukunft eine funktionierende und gut aufgestellt Baubranche“, sagt Michael Karrenberg und fügt hinzu: „Die aktuelle Marktbereinigung ist nicht gesund.“ Schließlich verliere die Branche aufgrund der bestehenden Herausforderungen zahlreiche Unternehmen, die mittel- und langfristig eigentlich benötigt würden.

Um die Branche zukunftsfähig aufzustellen, bedürfe es daher neben der Eigenverantwortung der Unternehmen auch der Unterstützung durch die Politik. Die Regierung hat bereits Maßnahmen eingeleitet, wie etwa:

Allerdings seien nach Ansicht von Atradius weitere Maßnahmen notwendig, wie etwa ein umfassendes Zinsprogramm für den bezahlbaren Wohnungsbau, schnellere Genehmigungen oder die Förderung von seriellem, modularem Bauen. Bei Letzterem werden mehrfach produzierbare Gebäudeteile oder Module, wie in einer Automobilfabrik, ganz oder teilweise in einem Werk vorgefertigt und vor Ort dann zusammengefügt. Dies spart Zeit und Kosten. Michael Karrenberg: „Inmitten dieser Krise liegt eine Chance zur Neuerfindung und Anpassung, die nicht nur durch die Überwindung aktueller Hürden, sondern auch durch die Umarmung digitaler Transformation und nachhaltiger Bauweisen definiert wird.“

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