Elena Graf-Burgstaller, Real Estate Expert Advisory, Head of Real Estate & ESG bei der Dean Capital Strategies GmbH, analysiert für IMMOBILIEN AKTUELL die aktuelle Krise im Finanzwesen der Alpenrepublik.
Der heiße österreichische Sommer wurde mit Beginn des Augustes 2022 noch heißer: Die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-VO) trat in Kraft. Diese Verordnung ist als Schutz für Privatimmobilienkunden im Bankenbereich gedacht. Ihr Ziel ist es, Privathaushalte vor einer zu hohen Überschuldung zu bewahren, so dass sie wegen steigender Zinsen nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Denn die Banken wollen nur die ordnungsgemäße Tilgung der vergebenen Kredite und möchten unbedingt die Verwertung jeglicher Immobilien auf Grund von Rückzahlungsunfähigkeit bei den Krediten vermeiden.
Das sieht die KIM-VO bei privaten Wohnimmobilienfinanzierungen vor
- eine maximale Beleihungsquote von 90 Prozent, das heißt mindestens zehn Prozent Eigenkapital
- eine Kreditlaufzeit von maximal 35 Jahren
- eine Schuldendienstquote von maximal 40 Prozent, die Kreditrate darf also das vorhandene monatliche Familienbudget maximal zu 40 Prozent belasten
- insgesamt dürfen bei einem Kreditinstitut maximal 20 Prozent aller Kredite eine der Obergrenzen überschreiten, alle Kredite einer Familie werden zusammengezählt und analysiert
- für Renovierungen und Sanierungen – insbesondere den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger –sind Finanzierungen bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze von 50.000 Euro von diesen Vorgaben ausgenommen
Die meisten Banken und Kunden in Österreich haben gar kein Problem mit einer Beleihungsquote von 90 Prozent, weil sie sowieso dem Regelfall entspricht. Die hundertprozentigen Finanzierungen für Private waren nur in bestimmten Banken zulässig. Ein Teil der Banken hat sogar auch schon vor der KIM-VO mehr als zehn Prozent Eigenkapital gerne gesehen.
Die Kreditlaufzeitbeschränkung auf 35 Jahren ist genauso harmlos für die meisten Kreditinstitute, denn ein Großteil der österreichischen Banken sieht im Regelfall sogar eine interne Obergrenze von 30 Jahren vor.
Junge Familien mit Finanzierungsproblemen
Allerdings ist der Schuldendienst von 40 Prozent für Jungfamilien stark einschränkend, besonders wenn einer der Partner sich in Karenz befindet. Verstärkt wird dieser Effekt durch die explodierenden Immobilienpreise, die Österreich in den letzten Jahren erlebt. In diesem Jahr wurden zum sechsten Mal Preiszuwächse über der Zehn-Prozent-Marke in Wien verzeichnet. Nur im ersten Quartal 2022 sind die durchschnittlichen Immobilienpreise in Wien um elf Prozent angestiegen.
Der Unmut der Bevölkerung und der Banken wird aber durch die Regelung ausgelöst, die vorsieht, dass maximal 20 Prozent aller Kredite eine der Obergrenzen überschreiten darf. Dieser Paragraph verpflichtet die Bank, alle Kredite des Kunden zusammenzuzählen und dem neuen Kreditcheck zu unterziehen. Das hat einen negativen Einfluss bei den weit verbreiteten Fällen, in denen eine Familie eine Wohnung mit einem noch nicht komplett zurückgezahlten Kreditbetrag besitzt, die Wohnung verkaufen möchte und sie als Eigenkapital für den geplanten Hauskauf einsetzen möchte.
Bis August 2022 war es möglich, die noch nicht verkaufte Wohnung als Eigenmittel einzusetzen, den Verkauf abzuwarten und mit der neuen Tilgung für das schon gekaufte und fremdfinanzierte Haus erst nach Verkauf und Anrechnung des Verkaufspreises als Eigenkapital zu beginnen. Mittlerweile müssen die Bankberater den laufenden Wohnungskredit mit dem Kredit für den Hauskauf addieren und in diesem Fall ist die Einhaltung der neuen FMA-Anforderungen meistens nicht mehr möglich. Diese Tatsache bringt zunehmend österreichische Familien dazu – besonders aus den Regionen, die an Deutschland angrenzen – die deutschen Banken aufzusuchen und mit ihrer Unterstützung ihre Wohnträume zu erfüllen.