Nach den Jahren der Zinswende 2022 bis 2024 kommt der deutsche Immobilienmarkt langsam zur Ruhe. Die Preise stabilisieren sich, Käufer und Investoren kehren zurück. Besonders beliebt: Strategien, die das eigene Kapital schonen. Aber wie realistisch ist es, eine Immobilie ganz ohne Eigenkapital zu kaufen? Kritiker warnen vor hohen Finanzierungskosten und langen Laufzeiten, während Befürworter von den Vorteilen des Hebeleffekts sprechen, der langfristig zu nachhaltigem Vermögensaufbau führen kann. Tobias Bräunig, Gründer und CEO der Freundeskreis Gruppe, schaut für IMMOBILIEN AKTUELL auf diese scheinbaren Widerspruch.
Eines hat sich spätestens mit den aktuellen Diskussionen zum demografischen Wandel gezeigt: Klassische Finanzprodukte wie die staatliche Rente, Lebensversicherungen oder Bausparverträge reichen nicht mehr aus, die Altersvorsorge zu sichern. Wer langfristig finanziell unabhängig bleiben und die Rentenlücke schließen möchte, muss heute andere Wege gehen. Strategische Ansätze, um Vermögen aufzubauen, gibt es viele. Immobilien stechen hier im Vergleich zu etwa Kryptowährungen oder Wertpapieren dadurch hervor, dass sie sich als besonders krisensicher, wertstabil und inflationsgeschützt erwiesen haben. In Zeiten von unsicheren Märkten und schwankenden Finanzprodukten hat sich der Immobilienmarkt als sichere Bank erwiesen.
Der steuerliche Vorteil durch Abschreibungen wie der AfA und die Absetzbarkeit von Zinsen und Werbungskosten ist ein zusätzlicher Anreiz. Und noch ein entscheidender Punkt: Wohnraum bleibt gefragt, während der Neubau stockt. Wer sich jetzt die richtigen Objekte sichert, kann langfristig von günstigen Kaufpreisen profitieren, bevor die nächste Preiswelle kommt.
Chancen und Risiken einer Vollfinanzierung
Außerdem bieten Immobilien durch den Hebeleffekt den besonderen Vorteil, dass sie, anders als andere Asset-Klassen, komplett fremdfinanziert werden können. Eigenkapital muss also nicht eingesetzt werden und bleibt somit geschont. Es ist nicht in einem einzigen Immobiliendarlehen gebunden und bleibt somit als eigene Bonität und Sicherheit weiterhin verfügbar. Das kann die nächste Investition in eine zweite oder dritte Immobilie sein oder als Rücklage dienen, um Mietausfälle abzufedern. So sind Vollfinanzierungen heute keine Seltenheit mehr. Banken vergeben sie, aber nicht jeder bekommt sie. Einleitend genügt ein Einkommen von mindestens 2.500 Euro netto monatlich, eine Barreserve auf dem Konto und eine positive Schufa. Ein Immobilienkauf ohne Eigenkapital ist somit für viele Menschen attraktiv. Trotzdem gilt: Man wird nicht über Nacht oder innerhalb weniger Jahre allein durch Mieteinnahmen zum Millionär. Der Cashflow wird nicht direkt vom ersten Tag an positiv sein. Wie bei anderen Investitionen sollte auch hier langfristig gedacht und so geplant werden, dass finanzielle Engpässe durch die Investition nicht zum Problem werden.
So sieht die Finanzierungsstrategie der Profis aus
Auch wenn Banken Eigenkapital bevorzugen, ist der Einsatz davon nicht zwingend erforderlich. Der Erfolg liegt vielmehr in der richtigen Finanzierungsstruktur, zu der Optionen wie das Verkäuferdarlehen, rollierendes Eigenkapital und die Übernahme der Kaufnebenkosten durch den Verkäufer gehören. Beim Verkäuferdarlehen bittet man den Verkäufer, die Eigenkapitalkosten vorzufinanzieren, und zahlt das Darlehen später zurück. Zusätzlich kann im notariellen Kaufvertrag vereinbart werden, dass der Verkäufer die Kaufnebenkosten übernimmt, wodurch Kapital nicht für Jahre gebunden wird.
Stichwort rollierendes Eigenkapital: Diese Strategie ermöglicht es, eingesetztes Kapital durch eine teilweise Tilgung des Kredits wieder freizusetzen. Wenn eine Bank nur 80 Prozent des Kaufpreises finanziert, werden die restlichen 20 Prozent auf einem verpfändeten Konto hinterlegt. Sobald dieser Betrag durch Mieteinnahmen abbezahlt ist, gibt die Bank ihn wieder frei, was auch für sie vorteilhaft ist, da sie an den Zinsen verdient. Eine Vollfinanzierung führt zwar zu höheren Kreditkosten und längeren Laufzeiten, doch mit der richtigen Strategie bleibt das Risiko überschaubar: Eine sorgfältige Standortanalyse, eine Cashflow-Berechnung, die langfristig die Finanzierungskosten deckt, und steuerliche Vorteile durch Abschreibungen und absetzbare Kosten wie Zinsen können die finanzielle Belastung erheblich senken.
Für eine gesicherte Wertsteigerung sollte dort investiert werden, wo das Bevölkerungswachstum positiv ist. Potenzial bieten vor allem Lagen mit einer florierenden Wirtschaft und guter Verkehrsanbindung. Es muss nicht immer die teure A-Lage sein – auch die Speckgürtel großer Städte wie Hamburg, Stuttgart und Düsseldorf sowie Regionen wie das Allgäu oder rund um Paderborn und Bielefeld inklusive entlang der „Rheinschiene“, bieten häufig interessante und noch erschwingliche Immobilien.
Im Gegensatz dazu sind „Hypestandorte“ wie Grünheide oder Magdeburg riskanter, da sie zu stark von Einzelfaktoren abhängen. Nach der Wahl der richtigen Lage gilt es, den Zustand der Immobilie, mögliche Sanierungsmaßnahmen, die Vermietbarkeit und eine passende Finanzierungsstrategie zu prüfen, bevor die Kapitalanlage realisiert werden kann.
Ein Rechenbeispiel: Was bleibt am Ende übrig?
Angenommen, der Kaufpreis einer Immobilie beträgt 140.000 €, der Verkäufer übernimmt die Nebenkosten. Der Gebäudeanteil beträgt 112.000 Euro (80 Prozent des Kaufpreises). Der Steuersatz des Käufers liegt bei 36 Prozent. Die Finanzierung erfolgt zu vier Prozent Zinsen und einem Prozent Tilgung, der monatliche Kapitaldienst beträgt 583 Euro. Die monatlichen Mieteinnahmen belaufen sich auf 370 Euro Kaltmiete plus 30 für eine Garage, insgesamt also 400 Euro.
Abzugsfähige Kosten pro Monat:
- Zinsen: 467 €
- Abschreibung (AfA): 373 €
- Bewirtschaftungskosten: 100 €
Das ergibt einen steuerlichen Verlust von -540 Euro (400 Euro Mieteinnahmen abzüglich der abzugsfähigen Kosten). Der Steuerersparnis beträgt -194 Euro, was den monatlichen Cashflow vor Steuern auf -183 Euro reduziert. Nach Steuern ergibt sich ein Cashflow von -89 Euro pro Monat.
Mit einer monatlichen Sparrate von weniger als 100 € und einem anfangs negativen Cashflow wird der Einstieg ins Immobiliengeschäft möglich. Die Steuerersparnis mildert den negativen Cashflow, und über die Jahre verbessert sich dieser durch steigende Mieten und sinkende Zinszahlungen. Schon nach 5 bis 7 Jahren tragen sich Immobilien oft selbst, und nach der Tilgung fließen die gesamten Mieteinnahmen an den Investor. Ein vorzeitiger Verkauf kann ebenfalls profitabel sein.
Die Frage ist nicht, ob eine Vollfinanzierung funktioniert, sondern für wen sie geeignet ist. Wer finanziell solide aufgestellt ist und strategisch plant, kann auch ohne hohe Rücklagen erfolgreich in Immobilien investieren. Warten lohnt sich nicht. Denn die Quadratmeterpreise werden höchstwahrscheinlich steigen. Das Zusammenspiel aus zu wenig Neubau, höheren Zuwanderungszahlen und die Zinsentscheidung der EZB, machen dieses Szenario deutlich wahrscheinlicher. Wer zögert, riskiert somit zulasten der eigenen Rendite teurer einzukaufen.
Wer wirklich an Immobilien als Kapitalanlage interessiert ist, sollte jetzt handeln – sich informieren, Netzwerke nutzen und mit Experten sprechen. Am Ende zählt, was man heute mit dem eigenen Geld auf dem Konto unternimmt, um dem Kapitalbedarf im Rentenalter gerecht zu werden.
Zum Autor
Tobias Bräunig ist Gründer und CEO der Freundeskreis Gruppe. Seit Gründung 2018, verzeichnet das Unternehmen bis heute über 400 Kunden, über 300 verkaufte Immobilien und über 100 Mio. EUR Transaktionsvolumen. Der Immobilien-Unternehmer und frühere Thaibox-Weltmeister macht sich mit der von ihm gegründeten Immobilien-Community dafür stark, dass die Immobilie ein wichtiger Altersvorsorge-Baustein für möglichst viele Menschen in Deutschland wird.