Der Petriplatz zählt zu den ältesten Plätzen Berlins. Im Rahmen des 2016 beschlossenen Bebauungsplanes zur Wiederbelebung des historischen Stadtkerns entsteht er als neuer Stadtplatz. Zentrales Gebäude wird das weltweit einmalige HOUSE OF ONE. Wegen einer weiteren archäologischen Entdeckung auf dem Grundstück verschiebt sich der Baustart voraussichtlich auf 2022.
Die Idee geht auf den protestantischen Pfarrer Gregor Hohberg zurück: Er hatte angeregt, auf dem Grundriss der ehemaligen Petrikirche ein interreligiöses Zentrum zu schaffen – ein gemeinsames Bet- und Lehrhaus für Muslime, Christen und Juden, das HOUSE OF ONE. Seine Idee wird in den nächsten Jahren am Petriplatz in Berlin Gestalt annehmen. Der Grundstein für das weltweit einmalige Gebäude wurde bereits im Mai gelegt. Kerstin Krupp, Pressesprecherin der Stiftung HOUSE OF ONE, sagt: „Die Bauarbeiten können aber voraussichtlich erst im nächsten Jahr starten.“ Weitere archäologische Funde müssen geborgen werden.
Archäologische Funden bremsen Baustart für "HOUSE OF ONE" am Petriplatz
Die Archäologen haben im Frühjahr Eichenbalken der barocken Petrikirche im Boden entdeckt, die hier einst stand, und in den vergangenen Monaten freigelegt. Claudia Melisch, die die Ausgrabungen leitet, erklärt: „Die Balken haben zur Stabilisierung des Baugrundes gedient. Es ist wie Fachwerk, das im Boden verlegt wurde. So etwas haben wir in Berlin noch nicht gesehen.“ Das Holz hat so lange überdauert, weil es im Grundwasser gelegen hat. Jetzt sollen zumindest Teile davon geborgen werden. Die Balken des technischen Bauwerkes sind zum Teil vier Meter lang. Außerdem werden historische Böden vor Frost geschützt, die später im Seminarraum, dem Herzen des HOUSE OF ONE, zu sehen sein sollen.
Der Petriplatz und seine bewegte Geschichte
Der Petriplatz mit der Petrikirche lag im Mittelalter im Zentrum der Stadt Cölln bei Berlin. Hier wird der Ursprung der heutigen Metropole verortet. Zwar wurde der Platz im Lauf der Geschichte immer wieder verändert, auch die Kirche mehrfach neu- und umgebaut. Doch noch bis 1908 hieß er Petrikirchplatz. Der Zweite Weltkrieg brachte dem historisch bedeutsamen Platz die Zerstörung, die Reste beseitigte in der Nachkriegszeit der Ostberliner Magistrat: Der Abriss des beschädigten Gotteshauses passierte zwischen 1960 und 1964.
Danach bebaute man das gesamte Areal zwischen Gertraudenstraße, Gertraudenbrücke und Brüderstraße neu mit Plattenbauten, dem Ministerium für Bauwesen sowie dem Staatsratsgebäude der DDR. Die Gertraudenstraße wurde als Teilstück zwischen Leipziger Straße und Grunerstraße zu einer sechsspurigen Hauptverkehrsader ausgebaut. Die freie Fläche des ehemaligen Petriplatzes diente als Parkplatz.
Es brauchte viele Jahre nach der Wende, um die geteilte Stadt wieder zusammenzufügen und sich auf das Wiederherstellen der alten Mitte zu konzentrieren. Grundlage war das Planwerk Innenstadt von 1999. Der Parkplatz sollte in einen Stadtplatz zurückverwandelt werden, mit Wohn- und Geschäftshäusern und Läden rings herum. Doch dann stießen Archäologen bei den 2007 begonnen Ausgrabungen auf Grundmauern der alten Lateinschule, die dort bis 1730 stand – und auf eine Vielzahl von Gräbern. Rund 4.000 Skelette legten die Archäologen frei. Die Idee für den Platz wurde geändert.
"Archäologisches Haus" wird über Fundamenten der alten Lateinschule thronen
In der Weiterentwicklung zum Planwerk Innere Stadt hieß es 2011: „Entlang der Achse Spittelmarkt - Petriplatz - Klosterviertel soll die Innenstadt auf bisherigen Verkehrsflächen eine Renaissance erleben. Originale Spuren werden bewahrt und neue qualitätsvolle, urbane Lebenswelten geschaffen. Angelehnt an den historischen Stadtgrundriss können Wohnquartiere in zeitgenössischer Architektur entstehen. Historische Baufluchten, archäologische Funde und kirchliche Nutzungen werden in die Neugestaltung des Petriplatzes und die geplante Bebauung aufgenommen.“
Die historischen Zeugnisse sollten für die Berliner zugänglich bleiben und dafür ein „Besucherzentrum und Ausgangspunkt für einen Spaziergang durch die Berliner Geschichte geschaffen werden“, wie die damalige Stadtbaudirektorin Regula Lüscher erklärte. Den Wettbewerb für die Gestaltung eines „Archäologischen Hauses“ gewannen 2012 die Büros Florian Nagler Architekten und Christina Kautz Landschaftsarchitektur.
Über den Fundamenten der Lateinschule aus dem 14. Jahrhundert wird nun ein Neubau mit sieben Geschossen errichtet, der auf einer Bruttogeschossfläche von 5.412 Quadratmetern Platz für Ausstellungsflächen, Büros und Restaurierungswerkstätten bieten wird. Die historischen Fundamente sind als Kernelement der Ausstellung geplant. Auch eine Schausammlung ist vorgesehen. Mit dem rund 32,4 Millionen Euro teuren Bauprojekt wurde bereits 2020 begonnen, im Mai 2021 das Richtfest gefeiert. Die Fertigstellung des Neubaus ist für 2023 angekündigt.
HOUSE OF ONE wird den Petriplatz abrunden
Das HOUSE OF ONE wird nach dem Siegerentwurf des Berliner Architekturbüros KUEHN MALVEZZI direkt daneben realisiert. Für den 46 Meter hohen Sakralbau werden rund 2,3 Millionen Ziegel gebrannt. Die Baukosten sind mit rund 47 Millionen Euro kalkuliert. Davon trägt der Bund 20 Millionen Euro, das Land Berlin zehn Millionen. Der Rest der Summe wird über Spenden finanziert.
Außer den Plattenwohnbauten aus der DDR-Zeit prägen bereits jetzt zwei weitere Gebäude den neuen Petriplatz: Das ist zum einen der übriggebliebene Flügel des 1839 eröffneten Kaufhauses Rudolph Hertzog. Er ist saniert und in Büros umgebaut worden. Zum anderen ist es das bereits 2017 fertiggestellte Geschäftshaus mit dem Hotel Capri by Fraser an der Ecke Gertraudenstraße/Breite Straße. Es wurde nach einem Entwurf des Architekturbüros Ortner & Ortner Baukunst fertig gestellt. Mit seiner hellen Backsteinfassade haben die Planer bereits vor Jahren einen Bezug zum HOUSE OF ONE hergestellt. Während des Baus wurden Kellergewölbe alter Bürgerhäuser freigelegt. Sie sind durch einen Glasboden in der Eingangshalle als Teil des geplanten „Archäologischen Pfads“ in der Stadtmitte zu sehen.
Mit dem HOUSE OF ONE wird die Wiedererschaffung des Petriplatzes vollendet. Es liegt dann in seinem Zentrum. Während der Konferenz Europe Bottom-Up der Stiftung Zukunft Berlin, unterstrich der Rabbiner Andreas Nachama am 8. November noch einmal die Bedeutung des Bauvorhabens: „Wir begreifen unser Projekt, das hier in der absoluten Mitte Berlins entsteht, gerade nach den Erfahrungen des letzten Jahrhunderts, als ein Projekt für ein besseres Europa. Unser Enthusiasmus trägt und begründet das HOUSE OF ONE. Unser Stolz ist, damit auch zu einem gelingenden Europa beizutragen.“