Zukunft der Seniorenimmobilien: „ESG bietet mehr Chancen als Risiken“

Zukunft der Seniorenimmobilien: „ESG bietet mehr Chancen als Risiken“

Zukunft der Seniorenimmobilien: „ESG bietet mehr Chancen als Risiken“
ESG bietet für Pflegeheime mehr Chancen als Risiken. Copyright: Gerd Altmann auf Pixabay

Für die Assetklasse der Pflege- und Seniorenimmobilien übersteigt die Nachfrage das Angebot. Wie die Kostenerhöhungen in der aktuellen Situation die Betreiber treffen und wie gleichzeitig Revitalisierungen stattfinden können, bleiben Fragen für die Zukunft.

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Die Nachfrage nach Seniorenimmobilien übersteigt weiterhin das Angebot. Neben dem Indikator des demographischen Wandels spielen dafür auch ESG-Kriterien eine wesentliche Rolle. „Aus meiner Sicht bietet die EU-Taxonomie für Seniorenimmobilien weitaus mehr Chancen als Risiken“, sagt Markus Bienentreu, Geschäftsführer von TERRANUS. „Zwar lässt die Taxonomie-Verordnung für soziale Aspekte noch auf sich warten. Eines aber wissen wir bereits: Vorsorge für den demographischen Wandel zu betreiben, Versorgungsstrukturen aufzubauen und so das Gemeinwohl zu unterstützen, wird ein Teil des S-Kriteriums sein.“ Und dies sei die „DNA eines jeden Investments in Seniorenimmobilien“.

„Finanzierung nur noch für ESG-konforme Projekte“

Gäbe es den Ukraine-Krieg und die Pandemie nicht, würde ESG die Branche schon längst beherrschen. Davon ist Hanno Kowalski, Managing Partner bei FAP Invest, überzeugt. Neue regulatorische Vorgaben treiben die Nachhaltigkeit von Investments voran, doch nicht nur das: ESG scheint in den Köpfen vieler Akteure angekommen zu sein – mit entsprechenden Auswirkungen. „Wir sehen zunehmend Artikel-8- und Artikel-9-Fonds auf dem Markt, die klar darauf abzielen, ein Portfolio von taxonomiefähigen Objekten abzubilden. Zukünftig werden nur noch Projekte finanzierbar sein, die strengen ESG-Standards unterliegen“, so Hanno Kowalski weiter.

Spitzen-Rendite sinkt, bleibt aber solide

In der ersten Jahreshälfte 2022 wurden in Seniorenresidenzen und Pflegeheime europaweit mehr als drei Milliarden investiert. Eine Milliarde davon entfällt auf Deutschland. Bei den Spitzenrenditen für Gesundheitsimmobilien, das heißt für Immobilien, die in einem dicht besiedelten Stadtgebiet liegen und den Erwartungen der Käufer auf der ganzen Linie entsprechen, wurde – laut Primonial REIM Germany – über ein Jahr eine Renditekompression verzeichnet.

„In der ersten Jahreshälfte 2022 stieg das demographische Potenzial für die Nachfrage nach neuen Gesundheitsimmobilien in den wichtigsten europäischen Ländern weiter an. Die Entwicklung des Angebotes an Gesundheitsimmobilien muss mit dieser Entwicklung Schritt halten, während gleichzeitig die Renovierung des veralteten Bestandes sichergestellt werden muss“, so Henry-Aurélien Natter, Head of Research bei Primonial REIM Germany. Zwar stagnierte die Spitzen-Rendite zuletzt, was aber nichts an der Beliebtheit änderte.

„Aus gutem Grund“, sagt Markus Bienentreu. „Im Vergleich zu anderen Assetklassen wie etwa Büro-, Handels- oder Wohnimmobilien sind die Renditen solide. Vor allem aber sorgen der demographische Wandel und die künftige Bevölkerungsentwicklung für eine langfristige Wachstumsperspektive.“

Experten sind sich einig, dass taxonomiekonforme Immobilien Wettbewerbsvorteile bieten: Im Bereich Energie beispielsweise können so Einsparungen generiert werden. „Das allein hilft bereits bei der Verbesserung der objektbezogenen Kapitaldienstfähigkeit und erleichtert den Zugang zu Finanzierungen“, sagt Stephan Kube von der Evangelischen Bank. „Künftig werden Unternehmen im Rahmen eines Nachhaltigkeits-Ratings eingewertet und in Abhängigkeit von dieser Klassifizierung erhalten sie konsequenterweise leichten oder erschwerten Zugang zu Finanzierungen am Banken- und Kapitalmarkt.“ Und Geld wird nötig sein. Betreiber sehen sich durch die aktuelle Situation enormen Preissteigerungen gegenüber.

Mieterhöhungen können Betreiber von Pflege- und Seniorenimmobilien in Gefahr bringen

Laut TERRANUS stiegen nicht nur die Betriebs- und Lebensmittelkosten, sondern beispielsweise auch jene für Inkontinenzprodukte um 15 Prozent. Die Margen für Pflegeheime liegen laut den Experten für Sozialimmobilien bei drei bis fünf Prozent. „Große Reserven existieren meist nicht“, so Markus Bienentreu. „Im Gegensatz zu anderen Unternehmen können Pflegeheime höhere Kosten nicht kurzfristig an ihre Bewohner weitergeben.“

Dazu kommen Mieterhöhungen für die Betreiber, eine Tatsache, die zuletzt kaum eine Rolle spielte. TERRANUS rechnet das vor: In der vergangenen Dekade bereitete die Inflationsindexierung den Betreibern wenig Kopfzerbrechen. Von 2010 bis 2020 betrug die Steigerung der Verbraucherpreise insgesamt gerade einmal 14 Prozent, bei einem im Mietvertrag festgeschriebenen Schwellenwert von zehn Prozent bedeutete dies lediglich eine Mietsteigerung innerhalb von zehn Jahren. „Um die pflegerische Infrastruktur zu sichern und auch zukünftig zu gewährleisten, braucht es Bedingungen, die Investoren bei steigender Inflation eine angemessene Refinanzierung bieten, und dazu zählt eine mögliche Indexierung der Investitionsfolgekosten und damit der Mieten“, so Markus Bienentreu.

Finanzierung von ESG unklar, Anforderungen regional sehr unterschiedlich

Betreiber von Pflegeimmobilien können mit der Verringerung von Verbrauchsmaterialien, der Verwendung saisonaler und regionaler Lebensmittel sowie einem bewussten Umgang mit Energie Kosten einsparen. Doch die Revitalisierung von Bestandsimmobilien mit Solarpanel, Wärmedämmung und grundlegender Sanierung ist eher unklar. „Nach aktueller Regelung müssten diese Maßnahmen in die Berechnung der Investitionskostensätze aufgenommen werden“, sagt Anja Sakwe Nakonji von TERRANUS. „Schlussendlich zahlen dann die Pflegebedürftigen dafür.“

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen Pflegeheimbetreiber und Eigentümer an einem Strang ziehen. „Die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen ist bisher nicht geregelt.“ Beispielsweise gelte die Solarpflicht in einigen Bundesländern für Neubauten, für Bestandsbauten aber noch nicht. „Fällt ein Pflegeheim unter die Regelungen für Wohn-, Gewerbe- oder sonstiges Gebäude? Landesspezifische Regelungen erschweren hier den Überblick“, so Anja Sakwe Nakonji.

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