Politik: „Konzepte aus der Mottenkiste“

Politik: „Konzepte aus der Mottenkiste“

Politik: „Konzepte aus der Mottenkiste“
Quelle: adil-photos / Pixabay

Laut Koalitionsvertrag der künftigen Regierung werden ‚mutige Wege‘ zur Planungs- und Baubeschleunigung direkt im Anfangssatz vorhergesagt. IMMOBILIEN AKTUELL hat einige Reaktionen zusammengefasst.

Agentur

„Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten.“: Dieser Satz findet sich im Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Mit dem Wort ‚wollen‘ wird direkt angezeigt, dass es eine Willensbekundung ist, die auch die Ampelregierung bereits ankündigte, dann aber scheiterte. Die Reaktionen in der Immobilienbranche könnte man kurzfassen: Licht und Schatten. Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln schreibt: „Aus meiner Sicht bietet der Koalitionsvertrag zahlreiche Chancen. Mit dem Bauturbo, einem rechtssicheren Standard E, der Möglichkeit vom Stand der Technik abzuweichen und der temporären Förderung des EH 55 kann der Wohnungsbau mehr Schwung gewinnen und innovativer werden.“ Außerdem positiv für ihn: keine verschärfte Kappungsgrenze, keine Abschaffung der steuerfreien Veräußerung nach zehn Jahren. ‚Wermutstropfen‘ für ihn: Verlängerung der Mietpreisbremse und die angekündigte Regulierung der Indexmieten.

"Damoklesschwert über der Branche"

„Die geplanten Investitionen mittels Sondervermögen konzentrieren sich insbesondere auf Infrastrukturprojekte wie den Bau neuer Brücken, Krankenhäuser oder Schulen. Diese staatlichen Aufträge könnten den bestehenden Personalmangel in der Bauwirtschaft weiter verschärfen und die Preise für Baumaterialien in die Höhe treiben, was den Wohnungsbau weiter verteuern würde“, erläutert Roman Heidrich, Lead Director Residential Valuation JLL Germany. Zudem warnt er, dass eine zukünftig geplante Regulierung von Indexmieten, möblierten Wohnungen sowie Kurzzeitvermietungen von Investoren und Banken sehr kritisch gesehen werden könnte, da in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an neu gebauten Wohnungen in einer dieser Kategorien realisiert worden seien. „Eine mögliche Regulierung kann erhebliche Auswirkungen auf die entsprechenden Businesspläne und eventuell auch Finanzierungen haben. Die Regierung sollte die Unsicherheit über mögliche Erweiterungen rasch beseitigen, damit das Thema nicht wie ein Damoklesschwert über der Branche schwebt.“

Dr. Denny Ohnesorge, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie, freut sich über die Absichtserklärungen, auf das systemische und modulare Bauen zu setzen und die CO2-Vermeidung zur zentralen Steuergröße im Bausektor aufzubauen. Kritisch sieht der die Lohnerhöhungen, die die Baukosten weiter treiben werden. Der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen begrüßt die im Koalitionsvertrag enthaltenen Impulse für den Wohnungsneubau. „Wir haben endlich Klarheit über die Vorhaben der neuen Bundesregierung. Das ist die gute Nachricht für die Wohnungswirtschaft. Das alles steht unter Vorbehalt, das ist der Wermutstropfen“, so BFW-Präsident Dirk Salewski. Iris Schöberl, Präsidentin des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., nutzt das Dokument für Eigenlob: „Wir können aber nach einer ersten Bewertung sagen: Es hat sich gelohnt, viele Gespräche zu führen und immer wieder auf Verbesserungen zu drängen. Ob jetzt über unsere direkten Kanäle oder zusammen als Verbände in einer gemeinsamen Erklärung. Zusammen hat es dazu geführt, wesentliche Verbesserungen für die Immobilienwirtschaft zu erreichen.“

Als riesigen Schritt nach vorn bezeichnet Axel Gedaschko vom GdW Bundesverband deutscher Wohnungs-und Immobilienunternehmen e.V. das Papier. „Der Koalitionsvertrag ist ein riesiger Schritt nach vorne und steht für mehr und schnelleren bezahlbaren Wohnraum. Dies begrüßt der GdW ausdrücklich. Ein Beispiel für den Fokus auf preiswerten Wohnraum ist die zeitweise Wiedereinführung der Förderfähigkeit des EH-55-Standards sowie der angekündigte Bau-Turbo in den ersten 100 Tagen der neuen Legislaturperiode. Ebenso ist die Ankündigung einer generellen Überarbeitung des Baugesetzbuches zu begrüßen. Dies wird durch die angekündigte Verschlankung des Förderwesens verstärkt. Die geplante Vereinfachung des Planungs-, Vergabe- und Umweltrechts ist ebenfalls positiv.“

"Anreize für Investitionen und Projektentwickler sind bedauerlicherweise Kleingedrucktes"

Für Florian Bauer, Geschäftsführer der Bauer Immobilien Unternehmensgruppe, ist das Glas halb voll: „Einige Vorschläge der neuen Regierungskoalition gehen in die richtige Richtung. Vor allem der Wohnungsbau-Investitionsfonds kann im Zusammenspiel mit Anreizen für günstiges, klimafreundliches Bauen Fortschritte bringen. Echte nachhaltige Lösungen wie digitale, schnellere und standardisierte Genehmigungsverfahren in Baubehörden, hätten allerdings deutlich mehr geholfen. Und auch die Verlängerung der Mietpreisbremse wird langfristig mehr Schaden als Nutzen anrichten.“ Einen Ansatz, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, sieht Marco Mattes, CEO der Mattes Unternehmensgruppe. Für die Immobilienmärkte fällt ihm auf: „Alte Probleme wie die völlig fehlgeschlagene Mietpreisbremse bleiben leider bestehen. Anreize für Investitionen und Projektentwickler sind bedauerlicherweise Kleingedrucktes.“ Allerdings seien eine Vereinfachung der Baustandards, die rechtliche Absicherung des Gebäudetyps E und insbesondere die Überarbeitung der TA Lärm und TA Luft zentrale Schritte, um Nutzungskonflikte in gemischten Lagen aufzulösen.

Für den Verband der Privaten Bausparkassen und die Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen sind die Pläne teilweise undurchsichtig: „Die neue Bundesregierung hat zwar erkannt, dass die Wohneigentumsbildung zur Lösung der Probleme am Wohnungsmarkt beitragen kann, vieles bleibt aber vage“, bedauern der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Privaten Bausparkassen Christian König und der Verbandsdirektor der Landesbausparkassen Axel Guthmann gemeinsam. „Nicht bei jeder erwähnten Maßnahme ist klar, was genau sich dahinter verbergen soll.“ Das gelte zuvorderst für die Ankündigung von verbesserten steuerlichen Maßnahmen auch für die Wohneigentumsbildung. Die geplanten staatlichen Bürgschaften für Hypotheken könnten die Kreditvergabe an Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen durchaus erleichtern, auf die sogenannten eigenkapitalersetzenden Darlehen treffe dies aber nicht zu. „Sollten damit nachrangig besicherte Darlehen gemeint sein, so müssen wir darauf verweisen, dass auch Bauspardarlehen nachrangig besichert sind. Der Staat würde hier nur ein marktwirtschaftliches Angebot durch ein staatliches Angebot ersetzen – und letztlich jene benachteiligen, die bereits eigenverantwortlich vorgesorgt haben“, so Christian König. Die geplante Vereinfachung der KfW-Förderprogramme sehen sie grundsätzlich sinnvoll, was am Ende als Förderung bei künftigen Erwerbern ankommt, ist aber offen. Es soll künftig nur noch ein Programm für den Neubau und eines für die Modernisierung geben. „Wir vermissen hier die für die Wohneigentumsbildung ganz zentrale Förderung des Bestandserwerbes und können nur hoffen, dass das gerade erst eingeführte Programm Jung kauft Alt nicht gestrichen, sondern verbessert wird“, so Axel Guthmann. „Und verbessern heißt hier vor allem: Die Förderung muss von teuren energetischen Zusatzanforderungen befreit werden.“

Tobias Bräunig, CEO der Freundeskreis Gruppe, rückt das Thema Altersvorsorge in den Mittelpunkt: „Koalitionsverhandlungen hin oder her: Am Ende tut sich niemand in Deutschland damit einen Gefallen, beim Thema Alltagsvorsorge auf den Staat zu setzen. Ich kann nicht erkennen, mit welcher Strategie die drohende Altersarmut vieler Menschen bekämpft werden soll.“ Für ihn die Alternative: eine Immobilie als Kapitalvorsorge. „Ein Gesamtkonzept, das die großen Fragen in puncto Wirtschaft und Finanzen anpackt, vermisse ich schmerzlich.“ Drastischere Worte wählt IVD-Präsident Dirk Wohltorf zum Thema Eigentum: „Mehr als Lippenbekenntnisse und Konzepte aus der Mottenkiste der beiden letzten Koalitionsverträge sind hier nicht zu finden. Von einer Senkung oder Aussetzung der Grunderwerbsteuer insbesondere für junge Familien ist gar keine Rede mehr.“ Bedauerlich sei zudem, dass in der anhaltenden Wohnkrise auch ein klares Bekenntnis zur Fortsetzung des Dialoges mit der Immobilienwirtschaft im Bündnis bezahlbarer Wohnungsbau fehle. Es droht im Großen und Ganzen ein unentschlossenes ´Weiter so´.“