Das Berliner Start-up Made of Air hat ein kohlenstoffnegatives Material entwickelt, das mehr CO2 bindet als es in Produktionsprozessen freisetzt. Dafür erhielt das Unternehmen vor kurzem den PropTech Innovation Award 2022.
Bäume speichern CO2, geben es aber am Ende ihres Lebens durch Zersetzung oder Verbrennung wieder an die Atmosphäre ab. Dies zu unterbinden, ist der Berliner Made of Air GmbH gelungen. Das Start-up hat eine Technologie entwickelt, die das CO2 dauerhaft im Holz einschließt. Der Trick: Durch das neuartige Verfahren werden Holzabfälle in Biokohle umgewandelt – ein Material, das Kohlenstoff jahrtausendelang in stabiler Form bindet. Aus der Biokohle wiederum stellt das Unternehmen ein kohlenstoffnegatives Material her. Kohlenstoffnegativ bedeutet, dass die Nettoemissionen von CO2 und CO2-Äquivaltenten kleiner als Null sind. Das neuartige Material hilft somit, den CO2-Fußabdruck von Gebäuden zu senken.
Für diese Innovation hat Made of Air am 27. September 2022 in Berlin den internationalen PropTech Innovation Award erhalten. Unter dem diesjährigen Motto „Smart Solutions for a sustainable value chain“ waren PropTechs weltweit aufgerufen, ihre Ideen rund um nachhaltige Wertschöpfungsketten in der Bau- und Immobilienwirtschaft einzureichen. Mehr als 200 Bewerbungen aus 33 Ländern trafen bei den Award-Ausrichtern ein. Unter den 15 Finalisten setzte sich Made of Air als Sieger durch. Die Plätze Zwei und Drei gingen an Nornorm aus Dänemark und Lumoview aus Deutschland. Mit dem PropTech Innovation Award 2022 wurden bereits zum sechsten Mal die spannendsten Lösungen für die Immobilienbranche ausgezeichnet.
Feststoff aus Treibhausgasen
Erstmals wurden in diesem Jahr neben den Awards auch bis zu 100.000 Euro pro Unternehmen in Form von längerfristigen Investments übergeben. „Wir freuen uns sehr über diese renommierte Auszeichnung. Die Investition wird uns vor allem dabei helfen, unsere Produktion in Brandenburg aufzubauen und damit einen wertvollen Beitrag zur Verringerung von CO2 in Gebäuden zu leisten“, sagte Allison Dring, CEO and Co-Founderin von Made of Air, anlässlich der Preisverleihung.
Das Start-up wurde 2016 gegründet. Ihm gehören Architekten, Wissenschaftler, Forscher und Produzenten an. Ziel des Unternehmens ist die Entwicklung von Materialien, die die globale Erwärmung aktiv reduzieren. Zu den ersten Ergebnissen zählt ein Feststoff, der aus Treibhausgasen gewonnen wird und zu 80 Prozent aus atmosphärischem Kohlenstoff besteht. Made of Air nutzt zur Gewinnung dieses Feststoffs ein Pyrolyseverfahren, also eine Art Backprozess in einem Spezialofen, bei dem das in Forstwirtschaftsabfällen wie Sägespänen und Hackschnitzeln enthaltene CO2 in festen Kohlenstoff umgewandelt wird. Die in diesem Prozess entstehende Biokohle, eine holzkohleähnliche Substanz, bindet das Treibhausgas dauerhaft, so dass es nicht mehr in die Atmosphäre gelangt.
Vielfältige Anwendungen
Die Biokohle wird anschließend in Kombination mit einem Biopolymer-Bindemittel zu einem thermoplastischen Granulat verarbeitet, das als Zusatz für Baumaterialien und -produkte dient und deren CO2-Fußabdruck erheblich verringert. Denn der Materialverbund hat mehr CO2 aus der Luft gebunden als im Produktionsprozess entsteht, er ist damit kohlenstoffnegativ. Verkauft wird das Produkt an Unternehmen der Bauindustrie sowie an Hersteller von Möbeln und Innenausbauten, zum Beispiel als Zusatz zu spritzgießbaren Polymeren, Gipskartonplatten oder Asphalten für Straßen und Radwege. Auch Fassadenpaneele werden inzwischen daraus hergestellt. Sie wirken nicht nur als CO2-Senken, sondern haben auch eine sehr gute Isolierwirkung. Nach Angaben von Made of Air ist das Material ungiftig, recyclebar und als Thermoplast beliebig oft umformbar. Zudem kann es am Ende seiner Lebensphase einfach geschreddert und vergraben werden.
Da der Pyrolyseprozess zur Gewinnung der CO2-bindenden Biokohle mit allen Photosynthese betreibenden Pflanzen funktioniert, testet Made of Air neben Holzabfällen bereits die Eignung weiterer Pflanzenabfälle. Das Ziel ist hochgesteckt: „Wir sind im Geschäft, um den Klimawandel umzukehren“, verkündet das Start-up selbstbewusst auf seiner Website. Immerhin: Die Technologie zur Umwandlung von Bioabfällen in kohlenstoffbindende Materialien ist vorhanden. Jetzt kommt es darauf an, dass genügend Kunden ihre Produkte damit in Kohlenstoffdioxidsenken verwandeln.
Mehr als 800 Ideen für die Immobilienwirtschaft
Der diesjährige ProTech Innovation Award wurde von den beiden initiierenden Unternehmen Union Investment und Germantech erstmals in Kooperation mit dem Berliner Projektentwickler Townscape gestaltet. Die erste Verleihung des Awards fand 2017 statt. Seither hat sich die Zahl der Bewerbungen stetig erhöht – auf 180 im Jahr 2021 und auf 209 im Jahr 2022. Insgesamt wurden seit Bestehen des Wettbewerbs mehr als 800 Geschäftsideen und digitale Lösungen für die Immobilienwirtschaft eingereicht.