Seit Monaten hat Zittau schlechte Presse. Der Vorwurf: Die sächsische Stadt vertreibe mit ihrem Einzelhandelskonzept einen Discounter nach dem anderen. Warum Märkte wegziehen, schließen oder klagen und was die Stadt Zittau dazu sagt.
Normalerweise freut sich der Dritte, wenn zwei sich streiten. Doch in den Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Zittau und einigen Discountern gibt es bislang keinen lachenden Dritten. Dass die Nahversorger und die städtische Verwaltung überhaupt Kontroversen austragen, liegt am Einzelhandelskonzept der Stadt – sagen die Vertreter der Handelsketten.
Aldi, Lidl und Edeka hätten gern größere Lebensmittelmärkte an neuen Standorten in Zittau gebaut. Doch die gewünschten Flächen konnten sie aufgrund der Regelungen im Einzelhandelskonzept nicht bekommen. Auch der Gemischtwaren-Discounter Pfennigpfeiffer musste wegen dieser Regelungen den Verkauf bestimmter Sortimente einstellen und sollte in die Innenstadt ziehen, was nicht gelang.
Das Ergebnis: Aldi konnte nur die bestehende Filiale umbauen. Lidl begrub seine Neubaupläne, klagte und verlor. Pfennigpfeiffer schloss ersatzlos. Edeka wanderte nach Olbersdorf ab, klagte ebenfalls und gewann. Doch der juristische Sieg bedeutet nicht, dass Edeka jetzt auf dem Wunschgrundstück bauen darf.
Stadtverwaltung Zittau zu Recht am Pranger?
Die Vorgänge in Sachsens südöstlichster Stadt erregen schon länger mediale Aufmerksamkeit. In der Berichterstattung gilt die Sympathie meist den Händlern, während die Verwaltung den Schwarzen Peter zugeschoben bekommt. Tenor: Das Einzelhandelskonzept schadet der Stadt Zittau mehr als es ihr nützt.
Doch so einfach ist es nicht. Das Konzept dient der Stadt als Grundlage für Bebauungspläne mit Steuerungsfunktion für den Einzelhandel. Ziel ist es, die bestehende flächendeckende Versorgung durch Solitärmärkte zu erhalten und gleichzeitig durch eine restriktive Ansiedlungspolitik zu verhindern, dass an gut erreichbaren Hauptstraßen immer größere Märkte oder gar Zentren zum Nachteil der Innenstadt-Händler entstehen.
„Mit dem Einzelhandelskonzept wollen wir die Innenstadt als zentrales Handelszentrum erhalten“, erläutert Matthias Matthey, Referatsleiter Stadtplanung. Zittau sei mit sieben Discountern (Aldi, Lidl, Netto, Norma, Penny), einem Nahversorgungsmarkt (Markant Nah & Frisch) und drei Verbrauchermärkten (Kaufland, Rewe) überdurchschnittlich gut versorgt. „Diese Märkte liegen aber alle außerhalb der Innenstadt, wo uns ein Vollsortimenter oder Discounter fehlt“, sagt Matthey. Das Einzelhandelskonzept verbiete darum Filial-Erweiterungen und -Neubauten außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs, um eine Ansiedlung in der Innenstadt zu bewirken.
Die Potenzialfläche ist da, aber kein Interessent
Dass dieses Bemühen bisher erfolglos blieb, liegt offenbar an der von der Stadt Zittau angebotenen Potenzialfläche in der Albertstraße. Diese Innenstadtfläche ist für die Ansiedlung von Einzelhandel zugelassen, misst aber nur 3.000 Quadratmeter. „Das reicht für den Bau eines Nahversorgers inklusive der gesetzlich vorgeschriebenen adäquaten Parkplätze niemals aus“, teilte die Edeka Unternehmensgruppe Nordbayern-Sachsen-Thüringen mit.
Edeka schwebte ein Neubau mit 2.000 Quadratmetern Verkaufsfläche an der Äußeren Weberstraße 28/30 vor. Dieses Grundstück liegt nordwestlich der Innenstadt, ist zentrumsnah und nur 200 Meter von der im September 2022 nach Olbersdorf abgewanderten Edeka-Filiale entfernt. Diese frühere Filiale in der Dresdner Straße war lediglich 380 Quadratmeter groß und ließ sich baulich nicht erweitern. Das Einzelhandelskonzept gestattete nur eine Modernisierung dieser Verkaufsstelle (Bestandsschutz), aber keinen modernen Neubau an der Äußeren Weberstraße 28/30.
Auf diesem Grundstück hatte zuvor schon Aldi einen größeren Markt geplant, was die Stadt ebenfalls ablehnte. Gleiches passierte dem Zittauer Lidl, der südöstlich des Zentrums an der Hochwaldstraße einen neuen Markt errichten wollte, sowie dem Gemischtwaren-Discounter Pfennigpfeiffer, der im Februar 2023 schließen musste, weil er bestimmte Waren nicht außerhalb der Innenstadt verkaufen durfte, aber keinen Standort im Zentrum fand.
Edeka erzielt Erfolg vor Gericht
Gegen die Restriktionen war Edeka im Oktober 2019 vor Gericht gezogen. Die Klage lautete: Das Einzelhandelskonzept der Stadt Zittau sei zu unbestimmt, nicht sachhaltig und damit realitätsfern. Dieser Bewertung stimmte das Verwaltungsgericht Dresden im Januar 2023 zu. Laut dem Urteil ist das Edeka-Vorhaben an der Äußeren Weberstraße 28/30 bauplanungsrechtlich zulässig. „Wir überlegen noch, wie wir aktuell mit diesem Urteil weiter umgehen“, sagt Jan Hašek, Regionalleiter Geschäftsbereich Expansion der Edeka Unternehmensgruppe Nordbayern-Sachsen-Thüringen. Seiner Meinung nach sollte eine Stadt von der Größe Zittaus (26.000 Einwohner) einen Vollsortimenter in fußläufiger Nähe zum Stadtzentrum nicht verhindern.
Die Stadt Zittau ist inzwischen in Berufung gegangen. „Die Edeka-Klage richtete sich gegen einen Fehler im Bebauungsplan. Darum führen wir jetzt ein Heilungsverfahren durch“, erklärt Gloria Heymann, Leiterin des Amtes für Wirtschaft, Internationales, Kultur und Marketing. Außerdem sei das Urteil nicht gleichbedeutend mit einer Baugenehmigung für Edeka. Denn das Unternehmen habe bisher gar keinen Bauantrag gestellt, es gebe nur einen Bauvorbescheid. Edeka wollte sich hierzu auf Anfrage von „Immobilien Aktuell“ nicht äußern.
Wer zuerst kommt, baut zuerst
„Ob Edeka nach Zittau zurückkommt, hängt von Edeka ab, nicht vom Ausgang des Rechtsstreits“, stellt Gloria Heymann klar. Ihr sei bewusst, dass ein 2.000-Quadratmeter-Markt nicht auf die innerstädtische Potenzialfläche in der Albertstraße passt. Doch die Herausforderung liege hier eher in den städtebaulichen Anforderungen, weniger in der Grundstücksgröße. „Es gibt auch kleinere Märkte mit einem entsprechenden Konzept“, so die Amtsleiterin. Die Fläche in der Albertstraße gehöre der Stadt Zittau und ihr Verkauf setze ein Konzept und ein Bauantragsverfahren voraus, dass den städtebaulichen Anforderungen genügt. „Es gibt keinen Marktteilnehmer, der diese Entwicklungsfläche in Zittau nicht kennt. Und der Erste, der einen entsprechenden Bauantrag vorlegt, bekommt die Fläche,“ lautet Heymanns Botschaft an die Marktteilnehmer.
Ob die zweitgrößte Stadt des Landkreises Görlitz nun bald den lachenden Dritten begrüßen kann, wird sich zeigen.