Der rot-rot-grüne Senat hat die gesamte Hauptstadt zum angespannten Wohnungsmarkt erklärt und erschwert per Rechtsverordnung, dass Mietobjekte in Wohneigentum umgewandelt werden.
Ob in der Berliner City oder in Marzahn, ob in Dahlem oder Spandau – wer in Berlin ein Mietshaus mit mehr als fünf Wohnungen in Wohneigentum aufteilen will, braucht demnächst eine Genehmigung des jeweiligen Bezirksamtes dafür. Denn der rot-rot-grüne Senat hat die gesamte Hauptstadt zum Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt erklärt und auf Vorlage von Sebastian Scheel (LINKE), Senator Stadtentwicklung und Wohnen, eine entsprechende Umwandlungsverordnung beschlossen. Sie tritt mit der Veröffentlichung im Berliner Gesetz- und Verordnungsblatt in Kraft und gilt längstens bis zum 31. Dezember 2025.
Ganz Berlin zum Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt erklärt
Bislang gab es eine Genehmigungspflicht nur für Objekte in den 70 Milieuschutzgebieten der Stadt. Ermöglicht wird die verschärfte Reglung durch das Baulandmobilisierungsgesetz, das seit 22. Juni rechtskräftig ist: Mit dem temporär in das Baugesetzbuch eingeführten Paragraphen 250 kann die Aufteilung von Mehrfamilienhäusern in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt unter einen strengen Genehmigungsvorbehalt gestellt werden. Senator Sebastian Scheel begründete den zügigen Erlass einer entsprechenden Berliner Verordnung so: „Die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum führt zum Verlust an bedarfsgerechten Mietwohnraum in der gesamten Stadt.“
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschwert, aber nicht verboten
Argumentiert wird mit der Tatsache, dass in Berlin zwischen 2011 und 2020 rund 124.000 Mietwohnungen in Wohneigentum umgewandelt worden sind, davon allein im vergangenen Jahr circa 19.000. Trotz allem ist die Zahl der Mietwohnungen in Berlin nicht gesunken, sondern gestiegen. Laut Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) wurden 2011 insgesamt 1.629.600 Mietwohnungen in Berlin gezählt, 2020 waren es 28.700 Mietwohnungen mehr.
Weil noch Ausnahmen erlaubt sind, kommt die neue Rechtsverordnung zwar keinem kompletten Umwandlungsverbot gleich, wie es von der Berliner SPD, den LINKEN und den Grünen in ihren Wahlprogrammen gewünscht wird. Eine Genehmigung wird aber nur erteilt, wenn mindestens zwei Drittel der Wohnungen an Mieter veräußert werden.
Die Erfahrung in Milieuschutzgebieten zeigt, dass nur wenige Mieter ihr Vorkaufsrecht nutzen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte im vorigen Jahr eine Zahl ermittelt. Demnach sind zwischen 2015 und 2019 in den Erhaltungsgebieten 18.382 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt worden, aber nur 54 Mieter haben ihre Wohnung gekauft. Dass eine Umwandlung in Berlin genehmigt wird, ist vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich.
Ignoriert rot-rot-grüner Senat die Berliner Verfassung?
Christian Osthus, stellvertretender Bundesgeschäftsführer des Immobilienverbandes Deutschland (IVD), kommentierte dazu: „Mit dem Beschluss über die Verordnung zur Einschränkung von Umwandlungen hat sich der Berliner Senat über die Wünsche vieler Mieter und sogar über die Berliner Verfassung hinweggesetzt. 73 Prozent aller Mieter würden lieber im Eigentum leben. Mit dem faktischen Umwandlungsverbot ist dem Vorkaufsrecht des Mieters nach Umwandlung der Boden entzogen worden – keine Umwandlung, kein Vorkaufsrecht.“
Zudem sei es schwieriger, außerhalb des teuren Neubaus eine Eigentumswohnung zu kaufen, ganz gleich, ob zur Selbstnutzung oder Vermietung zur Altersvorsorge. „Damit steht das Handeln des Senates auch im krassen Widerspruch zur Berliner Verfassung, die in Art. 28 Abs. 1 die Förderung von Wohnungseigentum als Staatsziel formuliert.“
Umwandlungsverbot gilt als hochproblematisch
Doch findet überhaupt eine massenhafte Verdrängung von Mietern durch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen statt? Jacopo Mingazzini vom Verein zur Förderung von Wohneigentum in Berlin widerspricht dieser These. Er verweist auf eine Untersuchung des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) vom November 2020 zu den Motiven eines Umzugs: Nur zwei Prozent der Umzugswilligen suche demnach wegen einer Kündigung des Vermieters eine neue Wohnung. „Eine Verdrängung durch Umwandlung existiert schlichtweg nicht. Das Umwandungsverbot ist Schaufensterpolitik, die sich um Realitäten nicht schert. Keinen Vorteilen stehen gravierende Nachteile gegenüber. Kaufwillige Mieter müssen auf den deutlich teureren Neubau ausweichen und werden verdrängt.“
Wirtschaftsexperten wie Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft halten ein Umwandlungsverbot generell für hochproblematisch. In einem Gutachten im Auftrag der FDP zu den möglichen Folgen des Paragraph 250 Baugesetzbuch schrieb er: „Ein tatsächlich wirksamer Schutz gegen Verdrängung und steigende Mieten ist dagegen Wohneigentum.“ Bei einem Umwandlungsverbot werde die Nachfrage nach bereits umgewandelten Eigentumswohnungen tendenziell steigen, deshalb sei mit weiter steigenden Preisen zu rechnen.