Bei der SO!APART in Leipzig, Deutschlands größter Veranstaltung zu diesem Segment, spielt die aktuelle Situation eine Hauptrolle. Anett Gregorius, Initiatorin der SO!APART und Gründerin von Apartmentservice, hat alle Experten zu diesem Thema zusammen geholt. IMMOCOM war zum ersten Mal als Medienpartner dabei.
Serviced Apartments sind eine Erfolgsgeschichte, allerdings zahlen auch sie einen Tribut wegen der Pandemie und der aktuellen Situation. „In unserem Forecast bis 2030 sind wir von 100.000 Einheiten ausgegangen“, so Anett Gregorius von Apartmentservice. „Es gibt eine deutliche Verlangsamung, die Sorgen über Anschlussfinanzierungen schweben wie ein Damoklesschwert über dem Segment.“ Neue Prognose: 80.000 bis 85.000 Einheiten entstehen bis 2030.
Leisure-Aufenthalte befeuern den Serviced Apartment-Markt
Bei der SO!Apart in Leipzig, Deutschlands größter Fachveranstaltung zu diesem Segment, präsentierte Anett Gregorius, die den zehnten Geburtstag ihres Branchenevents feierte, noch mehr Zahlen. Mit einer Auslastungsquote von 77 Prozent (Stand Oktober 2022) sind die Serviced Apartments wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau. Mit knapp 45.000 Einheiten in knapp 800 Häusern (gezählt werden Häuser mit mehr als 15 Einheiten) nimmt das Segment lediglich 4,9 Prozent des Hotelmarktes ein. „Wir sind immer noch Nische, können aber selbstbewusst nach vorn blicken“, so Anett Gregorius. Die Aufenthaltsdauern sind eher rückläufig, was zum einen an der höheren Leisure-Komponente liegt und zum anderen an Betreibern, die auf Shortstay setzen.
Großer Hemmschuh: Stopp von Projekten
Die aktuelle Situation schlägt sich auch bei den Serviced Apartments nieder. „Die Immobilienpreise müssen eigentlich tagesaktuell festgelegt werden, was Entscheidungen schwierig macht“, sagte Anett Gregorius. Großer Hemmschuh: Viele Projektentwickler setzen Projekte auf Stopp oder beginnen gar nicht erst mit dem Bau. Konversionen oder die Übernahme von Konkurrenten gelten nun als die neuen Expansionsmöglichkeiten. Ein Beispiel: Brera Serviced Apartments übernimmt Anfang 2023 The Spot in München. Das sind 62 Einheiten, wenige Stationen vom Hauptbahnhof entfernt.
Dr. Josef Vollmayr, Co-Founder und Managing Director von Limehome, setzt auf Internationalisierung. Vor kurzem gab das Unternehmen eine Kapitalsammlung von 45 Millionen Euro bekannt. „Wenn wir in andere Märkte gehen, dann richtig. Das bedeutet bei uns mindestens 500 Units.“ Durch die Automatisierung sei die Expansion in Länder mit verschiedenen Regulatoriken für Limehome eher ein Problem als für klassische Hotelbetreiber. Trotzdem: „Wir sehen in Europa keinen Markt, der für uns nicht funktioniert.“ Neben der DACH-Region werden Spanien und Italien in Angriff genommen, nächste Schritte wären UK und Frankreich.
„ESG ist unumgänglich“
Nachhaltigkeit spielte ebenfalls eine große Rolle. „Früher war das eher eine Marketingplakette“, sagte Henrik von Bothmer, Head of Operated Living bei Union Investment Real Estate. „Heute ist ESG unumgänglich. Für uns als Investoren bedeutet das: Wir brauchen Produkte mit klarer Kante, kaufen nichts an, dass nicht taxonomiekonform ist.“ Alexander Lackner, Managing Partner beim Investor neworld (unter anderem bei The Base und STAYERY investiert), sagte: „Serviced Apartments sind prinzipiell sehr interessant für uns. Allerdings werden die kommenden Jahre sehr hart, auch dieses Segment wird die Auswirkungen der aktuellen Krise zu spüren bekommen.“
Standorte: B- und C-Destinationen rücken in den Vordergrund
„Noch vor einigen Jahren hätte ich nicht gedacht, dass B- und C-Städte in den Fokus rücken“, so Anett Gregorius. Matteo Ghedini, CEO von Brera Serviced Apartments, machte klar: „Wir haben gerade neue Suchkriterien aufgestellt.“ In B- und C-Städten seien der Druck und Wettbewerb geringer, die Pacht niedriger, die Raten allerdings nicht so viel niedriger. Brera hat sich beispielsweise für Singen als neuen Standort entschieden, einer Stadt im Süden Baden-Württembergs, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Konstanz.
Matthias Rincón, Gründer und Geschäftsführer von iPartment, stimmte zu, betreibt beispielsweise Häuser in Wolfsburg, Braunschweig, Osnabrück, Böblingen und demnächst in Leverkusen. „Das Geiertum in den Metropolen ist so groß geworden, dass wir sehr ernsthaft sogar über C-Städte nachdenken“, sagte er. Er stellte einen Aspekt hervor: das Klumpenrisiko. „Natürlich muss man vorsichtig sein, wenn man in einer Stadt von einem Arbeitgeber abhängig ist, wie in Wolfsburg.“ Und: Es funktionieren auch Häuser, „wo ich schon ein paar Nächte nicht so gut geschlafen habe“. Beispiel: 177 Einheiten am Frankfurter Flughafen. „Wer will schon am Flughafen längere Zeit wohnen? Wir haben dort eine Auslastung zwischen 95 und 97 Prozent.“
Natürlich muss es auch um schlanke Kostenstrukturen gehen, eines der USPs der Serviced Apartments. Dimitri Chandogin, Co-Founder & President von numa, fasste das kurz und kompakt zusammen: „Es geht über eine vollautomatische Abwicklung bei möglichst allen Prozessen. Wir können sehr genau sehen, was wann gebraucht wird.“ Housekeeping wird beispielsweise über Drittanbieter mit Mindestabnahmestunden gelöst, auch deren Einsatzplan wird automatisch erstellt. Da hörten vor allem die New Kids on the Block sehr gut zu. In dieser SO!APART-Kategorie dürfen sich neue Marken & Häuser dem Fachpublikum präsentieren. In diesem Jahr unter anderem: the place to be in Herzogenaurach mit Street Art und Penthäusern, FRIDAY APARTMENTS, SAVVY oder So.me.homes.
„Beim ADR ist in Deutschland Luft nach oben“
Denise Seeholzer, Senior Account Manager bei STR, gab einen globalen Überblick. „Die Nachfrage kommt zurück, die Auslastung ist wieder gut, was sich im Revenue Per Available Room (RevPar) widerspiegelt“, so die aus London eingeflogene Expertin. „Bei der Average Daily Rate (ADR) ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch Luft nach oben.“ Asien falle aufgrund der immer noch sehr restriktiven Pandemie-Regelungen weiter zurück.
Reiseverhalten der Unternehmen ändert sich: Rückgang um 30 Prozent
Den kompletten Markt verbindet eines: Gruppen lassen weiter auf sich warten. „Dazu kommt, dass der Rotstift als erstes an den Reisebudgets der Unternehmen angesetzt wird“, so Anett Gregorius. Was nicht zwangsläufig schlechter sein muss: „Es wird nicht mehr so viel, dafür länger gereist“, so Inge Pirner, Vizepräsidentin des Verbandes Deutsches Reisemanagement e.V. (VDR). „In Verbindung mit geänderten Officewelten, also mit Remote-Arbeit, zahlt das auf die Serviced Apartments ein.“ Denn die bieten Flexibilität und die Möglichkeit zum Arbeiten. Aber: Unternehmen achten immer mehr auf Nachhaltigkeit, werden das in Zukunft noch stärker von Betreibern abfordern.“ Zudem sei die Sichtbarkeit der einzelnen Häuser in den Buchungstools der Firmen zwingend notwendig. „Für die Transparenz, die Fürsorgepflicht der Unternehmen für die Mitarbeiter und die internen Zahlungsregelungen ist eine Kundenbeziehung zwingend notwendig. Das ist sehr aufwendig, muss aber sein.“ Noch haben die Hotels bei Dienstreisenden die Nase weit vorn. Der Verband geht in den kommenden drei bis fünf Jahren von einem Rückgang der Reisetätigkeit von etwa 30 Prozent aus.
„Serviced Apartments müssen als Unterklasse in Baunutzungsverordnungen“
Ein Herzensthema für Anett Gregorius bekam ebenfalls eine große Bühne: die Anerkennung der Serviced Apartments in den Baunutzungsverordnungen. Uwe Niemann, Leiter Markt Hotelfinanzierungen bei der Deutschen Hypothekenbank, verlas ein Positionspapier. In aller Kürze: Serviced Apartments müssen eine eigene Unterklasse innerhalb der Beherbergung werden, da sie sich nicht so richtig einordnen lassen. „Die jetzigen Verordnungen kennen kein Temporäres Wohnen“, so Uwe Niemann. „Das bringt ein großes Potenzial an Unklarheiten mit sich und lässt sehr viel Raum für Fehlinterpretationen.“
Mietmangel Heizung: „Keiner weiß, wie das geht“
Weiteres Potenzial für Irritationen zeigte Marc P. Werner, LL. M. (Miami), Office Managing Partner bei Hogan Lovells International LLP, in einem mehr als unterhaltsamen Vortrag auf. „Als Developer wäre ich mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich nicht auf eine Pandemieklausel bestehen würde“, sagte der Rechtsanwalt mit mehr als 30 Jahren Erfahrung im Beherbungssegment. Die derzeitige Situation bringe aber noch ganz andere Herausforderungen: Garantie der Fertigstellungsdaten und Preisunsicherheit, die nachteilig für Pachtverträge sein kann. Dazu kommen Mietgleitklauseln: „Wir knacken bald den Rekord von 100-seitigen Mietverträgen – ohne Anhang.“
Doch damit nicht genug. Denn keiner wisse, was beispielsweise durch die Grundsteuerreform auf das Segment zukomme. „Wir müssen nur auf die CO2-Klauseln schauen, die wir mühevoll im vergangenen Jahr erfunden haben. Die sind nicht mehr gültig“, so Marc P. Werner. „Was ist, wenn die Heizung nicht geht? Ist das ein Mietmangel? Das weiß hier im Raum niemand und auch sonst niemand in ganz Deutschland.“ Zudem brauchen auch die Serviced Apartments einheitliche ESG-Reportingklauseln. „Wenn wir aus der Nische herauskommen wollen, dann müssen wir professioneller werden.“