Corona führte im Logistiksegment nur zu einem kurzen Innehalten. Schnell drehten die Zeichen wieder in Richtung Wachstum. Sind Logistikimmobilien jetzt sogar mehr wert als vor der Krise? Diese Frage stand im Zentrum der mittlerweile siebenten Auflage der Studie „Logistik und Immobilien 2021“ – und bot genügend Diskussionsstoff für eine angeregte Gesprächsrunde ausgewiesener Logistikimmobilien-Experten.
Autor der Studie war erneut das unabhängige Immobilien-Analysehaus bulwiengesa mit Unterstützung durch die Berlin Hyp AG, BREMER AG, GARBE Industrial Real Estate GmbH und Savills Immobilien Beratungs-GmbH.
Die wichtigsten Ergebnisse: Mit etwas weniger als fünf Milliarden Euro erreichten die Investitionen in Logistikimmobilien 2020 etwa das Niveau der beiden vorangegangenen Jahre. Die Summe der neu fertiggestellten Logistikflächen blieb jedoch mit 3,7 Millionen Quadratmetern deutlich hinter dem Vorjahreswert von 4,9 Millionen Quadratmetern zurück. Hauptgrund dafür waren verzögerte Baustarts aufgrund der Coronakrise. Vor dem Hintergrund einer starken Neubauaktivität werden jedoch für 2021 und 2022 jeweils deutlich über fünf Millionen Quadratmeter und somit neue Rekorde bei den Fertigstellungen erwartet. Bemerkenswert: Seit zwei Jahren profitieren auch periphere Logistikstandorte von der steigenden Nachfrage. Ihr Anteil am gesamten Fertigstellungsvolumen stieg von 14 Prozent im langjährigen Durchschnitt auf 20 Prozent im laufenden Jahr.
Logistik-Neubauten: Bewegung in den Rankings
Die Top Five der aktivsten Logistikflächen-Projektentwickler wird 2021/2022 von Panattoni (1,5 Millionen Quadratmeter) angeführt, gefolgt von GARBE Industrial Real Estate (1,0 Millionen Quadratmeter) und GLP (0,7 Millionen Quadratmeter), der Dietz AG (0,7 Millionen Quadratmeter) und Fiege (0,6 Millionen Quadratmeter). Betrachtet man den Zeitraum von 2016 bis 2021, nimmt die Goodman Group immer noch den ersten Platz des Rankings ein. Die Australier haben ihre Neubauaktivitäten in den letzten Jahren jedoch erheblich reduziert und sind daher bei der Projektpipeline 2020/21 nicht einmal mehr in den Top Ten.
Bezogen auf den Zeitraum von 2016 bis 2021, wird es bei den Fertigstellungen nach Regionen noch in diesem Jahr einen Führungswechsel geben: Wegen hoher Fertigstellungszahlen im Jahr 2021 (528.000 beziehungsweise 350.000 Quadratmeter) werden die Logistikregionen Berlin (1,7 Millionen Quadratmeter) und Rhein-Ruhr (1,6 Millionen Quadratmeter) an der Region Rhein-Main/Frankfurt (1,4 Millionen Quadratmeter) vorbeiziehen. Leuchtturm im Norden: Die Region Bremen und Nordseehäfen weist mit 467.000 Quadratmetern neuer Logistikfläche im laufenden Jahr eine ausgesprochen hohe Neubauaktivität auf.
Auffällig ist der in den vergangenen Jahren gewachsene Anteil spekulativer Projektentwicklungen. Betrug deren Anteil am Fertigstellungsvolumen im Jahr 2010 gerade ein Prozent, wird er in diesem und dem kommenden Jahr mit 31 beziehungsweise 32 Prozent bei knapp einem Drittel liegen.
Anforderungen an Werthaltigkeit gestiegen
Welche Trends auf Grundlage der Studienergebnisse beim Investment in Logistikimmobilien gegenwärtig zu erkennen sind und ob diese Assetklasse eventuell sogar mehr Wert ist als vor der Krise ist, diskutierte bulwiengesa mit den Partnern der Studie auf dem Online-Panel „Logistik und Immobilien“. Im Hinblick auf die gestiegenen Preise für Logistikimmobilien sagte Tobias Kassner, Head of Research bei GARBE, einem der führenden Projektentwickler für Logistik- und Unternehmensimmobilien, dass Investoren immer gründlicher prüfen, wie zukunftsfähig und werthaltig Standort und Immobilie sind.
Entscheidend sei nach wie vor die Lage. „Die zentrale Frage bleibe immer: Kann ich meinen logistischen Auftrag am Standort erfüllen?“, so Tobias Kassner. Flächen innerhalb oder im Umfeld von Metropolen werden auch weiterhin stark nachgefragt bleiben. „Sie werden aber zunehmend knapp. Deshalb rücken gut angebundene Nebenlagen häufiger als früher in den Fokus der Nutzer und somit auch der Investoren“, stellte der Immobilienexperte fest.
Für Bertrand Ehm, Director Industrial Investment von Savills, gab es an der Systemrelevanz der Logistik schon vor Corona keine Zweifel. Allerdings sei die wichtige Rolle der Logistik nun auch bei Investoren angekommen. Weil der Bedarf nach Logistikflächen steigt, verbessern sich auch die Zukunftsaussichten für Logistikimmobilien. „Treibende Kraft ist jetzt schon der wachsende Onlinehandel und wird es auch bleiben“, so seine Prognose. „Dazu gehören nicht nur die bekannten Player, sondern auch beispielsweise Firmen, die über Plattformen wie Amazon verkaufen.“ Ein wachsendes Segment sei auch die Lebensmittellogistik und in zunehmendem Maße Unternehmen, die moderne Lösungen der Kühllogistik anbieten.
Ökologie und Nachhaltigkeit – Umsetzung von ESG-Kriterien
Die Gebäudequalität sollte sich an den Nutzeranforderungen ausrichten, aber auch ökologische Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Michael Dufhues, Vorstand der BREMER AG: „Durch den höheren Qualitätsanspruch der Nutzer wird zunehmend wertiger gebaut. Eine lichte Hallenhöhe von zwölf Metern ist inzwischen Standard, ebenso wie eine gute Dämmung und große Lichtflächen für Dach und Wand. Zeitgemäße Gebäude sind auf die Installation von Photovoltaikanlagen vorbereitet und können im Idealfall eine hohe Bodenbelastung, Abdichtung unter der Hallensohle und eine größere Außenanlagenfläche vorweisen.“
Wenn der Kunde definiere, was ihm hier wichtig sei, könne dies alles realisiert werden – bis zu einer aufwändigen technischen Ausstattung für eine CO2-neutrale Produktion. Zum Thema Nachhaltigkeit gehöre es auch, bei der Errichtung eines Gebäudes bereits an das Ende des Lebenszyklus zu denken, so Michael Dufues. Der ökologisch sinnvolle Rückbau der Immobilie sei also mit einzuplanen. Um den Flächenverbrauch zu minimieren, sei Bauen im Bestand der Erschließung neuer Areale vorzuziehen. „Aus Nachhaltigkeitsgründen sollten auch vermehrt Brownfield-Entwicklungen möglich sein.“ Dieser Trend wird sich weiter verstärken, so Dufhues.
Bertrand Ehm bestätigte das: „Nachhaltigkeit hat inzwischen einen hohen Stellenwert bei den Kunden. Dies lässt sich bei Neubauten eher umsetzen, bei Bauwerken im Bestand ist das schon schwieriger.“ Auch werden vermehrt Kriterien einbezogen wie beispielsweise die gute Erreichbarkeit der Logistikstandorte per ÖPNV oder das Vorhandensein von Radwegen. „Dies kollidiert zuweilen mit dem Zwang, in Standorte zu investieren, die weiter entfernt von den Ballungszentren liegen“, weist Tobias Kassner auf ein Problem hin. Im Übrigen stimme es nicht, dass heutzutage nur Neubauten ökologisch beziehungsweise ESG-konform errichtet werden können. Denn oftmals sei die Ökobilanz bei Bestandsimmobilien besser. Sie seien nicht selten besser in gewachsene Lagen und somit auch in den ÖPNV integriert. Hier komme aber schon seit längerem das Angebot der Nachfrage nicht hinterher, was sich natürlich auch auf die Entwicklung der Mietpreise auswirke.
Bewertung von Logistikimmobilien
Assem El Alami, Leiter Ausland der Berlin Hyp, fügt hinzu: „Was die Bewertung der Logistikimmobilie betrifft, sind die ganz klassischen Parameter wie eine gute Lage in Hotspots ein wichtiger Aspekt. Gerade eine Mikrolage innerhalb eines Ballungszentrums ist besonders günstig für eine 24/7-Lieferfähigkeit. Wenn wir die Immobilie betrachten, sind Multi-Tenant- und Drittverwendungsfähigkeit oder flexible Bürokonzepte, etwa durch Mezzanine-Büros statt klassischer Büroriegel, besonders gefragt.“ Für Finanzierer wie die Berlin Hyp liege eine Herausforderung darin, die gerade in Toplagen steigende Verkehrswert-Entwicklung adäquat nachzuhalten. Hier seien dynamische Betrachtungsweisen den derzeit angewandten eher statischen Methoden vorzuziehen. Zugleich bestätigte er, dass die Finanzierung nicht-ESG-konformer Immobilien in jüngster Zeit deutliche schwieriger geworden sei.
Die Errichtung weiterer Logistikflächen ist notwendig, aber viele Kommunen verfügen über keine oder zu kleine Gewerbeflächen für großflächige Logistik. Darüber hinaus gibt es gegenüber der Ansiedlung von Logistikfirmen in den Kommunen Vorurteile in der Bevölkerung: zu viel Lärm und hohes Verkehrsaufkommen, fehlende Distanz zur Wohnbebauung und eine nicht tarifgemäße Entlohnung der Mitarbeiter. „Hier sollte von vornherein ehrlich kommuniziert werden“, riet Ehm. Es sei zu verdeutlichen, dass Logistik elementar für die Versorgung der Bevölkerung sei.
Spekulative Projekte: Passende Objekte an attraktiven Standorten
Gefragt, ob Banken auch spekulative Projekte finanzieren, bejahte das Assem El Alami. Für die BerlinHyp gelte dies allerdings nur in Ausnahmefällen, so der Manager. Voraussetzung sei, dass es sich dabei um ein sehr gutes Asset eines bekannten und gut vernetzten Investors handele. Einige Projektentwickler versuchen, Logistik-Immobilien teilspekulativ zu errichten, das heißt, sie bringen bereits einen Teil der künftigen Nutzer mit. Dies sei dann auch für Banken interessant.
Bertrand Ehm von Savills bestätigte das: „Passende Objekte an attraktiven Standorten werden auch finanziert. Sie lassen sich auch ohne Nutzer zu einem auskömmlichen Preis verkaufen – und dies schnell, was für uns besonders wichtig ist, denn da gilt das alte Sprichwort: „Liquidität ist Developers‘ Liebling.“ Vor allem bei Industrieimmobilien sei eine Steigerung der Sale-and-Lease-Back-Transaktionen festzustellen, so Patrik Völtz, Senior Consultant bei bulwiengesa, der die Studienergebnisse präsentierte. Zugleich sei der Anteil der Eigennutzer von 57 Prozent im Jahr 2010 auf 38 Prozent in diesem Jahr zurückgegangen. Für 2022 wird hier ein Anteil von 34 Prozent prognostiziert. Das Modell Sale & Lease Back (SLB) sei besonders bei maßgeschneiderten Immobilien mit nicht standardisierten Boxen anzutreffen, so Bertrand Ehm. Dies seien oft keine klassischen Logistikimmobilien, sondern betreffen spezielle Assetklassen mit hoher Betriebsmittelausstattung, beispielsweise für die Kühl- oder Produktionslogistik. Generell gelte: Je spezifischer die Logistikimmobilie, umso interessanter werde sie für ein SLB-Modell.
Arbeitskräfte werden zunehmend knapp
Auf das Problem der verfügbaren Arbeitskräfte ging Tobias Kassner ein. Es sei zunehmend ein Problem, in den Hotspots noch geeignetes Personal zu finden. „Da ist der Markt praktisch leergefegt“, sagte er. Statt nach München gingen Investoren dann beispielsweise nach Leipzig oder Erfurt, wo noch Fachleute zu finden seien – vorausgesetzt, man finde dort einen geeigneten Standort. Am Ende komme es immer auf den perfekten Dreiklang von Grundstück, Lage und Nutzer an, so der GARBE-Manager. Darüber hinaus seien auch Kommunen ein limitierender Faktor, da sie zum einen zu wenig Logistikflächen ausweisen und es auch bei den Belieferungskonzepten für die Innenstädte Nahholbedarf gibt.
Künftige Treiber im Logistikmarkt – Blick in die Glaskugel
Laut Michael Dufhues wird der Markt der Logistikimmobilien in Zukunft von den Themen Nachhaltigkeit sowie verbesserte technische Ausstattung und Drittnutzungsfähigkeit der Objekte geprägt. Bertrand Ehm erwartet, dass sich der Bestand weiter verteuern und demzufolge die Rendite für Investoren weiter sinken wird. Dies liege auch daran, dass die Hotspots mittlerweile ausverkauft seien, so dass neue Standorte erschlossen werden müssen. Somit könnte sich die gesamte Logistikkette verteuern, was dann auch Auswirkungen auf den Preis der Endprodukte haben könne. „Notfalls muss der Verbraucher damit rechnen, dass seine Tiefkühlpizza teurer wird“, so Bertrand Ehm.
Mit einem positiven Ausblick beschloss Andreas Schulten von bulwiengesa die Gesprächsrunde. In der Bevölkerung gebe es heute ein höheres Bewusstsein dafür, dass Logistik das Rückgrat eines funktionierenden Wirtschaftssystems sei. „Viele schauen nicht mehr nur allein auf die externen Kosten zulasten der Umwelt wie Flächenversiegelung und Emissionen. Die Nachfrage von Investoren und Nutzern nach attraktiven Lagen, hohen Gebäudequalitäten und unterschiedlichen Logistikdienstleistungen führen zu Wertsteigerungen in jeder Hinsicht“, so der Generalbevollmächtigte des Berliner Analyseunternehmens.