Soziale Infrastruktur: „Dass Verwaltungen mit niemanden sprechen wollen, ist ein Märchen"

Soziale Infrastruktur: „Dass Verwaltungen mit niemanden sprechen wollen, ist ein Märchen"

Soziale Infrastruktur: „Dass Verwaltungen mit niemanden sprechen wollen, ist ein Märchen"
Verwaltungen haben oft einen schlechten Ruf. Im Interview geht es auch um dieses Vorurteil und was man dagegen tun kann. Quelle: garten-gg/Pixabay

Dirk Fischer, Senior Teamleiter bei Drees & Sommer in Nordrhein-Westfalen, ist Experte für soziale Infrastruktur. Er räumt mit dem Mythos der unwilligen Verwaltung auf und spricht über Partizipation.

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IMMOBILIEN AKTUELL (IA): Was ist das Besondere an der Zusammenarbeit mit Verwaltungen? Gibt es etwas, dass Sie überall vorfinden?

Dirk Fischer (DF): Grundsätzlich kann ich aus meiner Erfahrung sagen, dass alle mit großem Herzblut bei der Sache sind. Verwaltungen, das sollten wir nicht vergessen, haben keine Marketingabteilung, sie werden nicht promotet. Sie sind dafür da auf die Einhaltung der Gesetze zu achten und müssen das sehr akribisch tun. Ja, vielleicht manchmal in einer sehr speziellen Art und Weise und sicherlich finden sich wie überall auch schwer verständliche Strukturen. In den Verwaltungen herrscht Personalmangel, nicht zuletzt wegen einer anderen Gehaltsstruktur als in der freien Wirtschaft. Dass sie aber prinzipiell nicht reden wollen, ist ein Märchen. Es geht einfacher, wenn man sich auf den etwas höheren Abstimmungsbedarf einstellt. Das sind keine Familienunternehmen, wo nur einer das Sagen hat.

IA: Drees & Sommer ist in welchen Bereichen für die öffentliche Hand tätig?

DF: Wir decken die komplette Wertschöpfungskette ab, also Beratung, Planung, Steuerung, Baumanagement. Wir beteiligen uns an vielen Ausschreibungen. Eine Erkenntnis ist: Je besser wir gleich am Anfang spezifizieren und die Rahmenbedingungen abstecken, umso besser funktionieren die Projekte am Ende.

IA: Sie sind Experte für Soziale Infrastruktur, womit meist Schulen und Kitas verbunden werden. In welchen Bereichen sind Sie noch unterwegs und können Sie Trends formulieren?

DF: Neben Schulen und Kitas geht es um die Kritische Infrastruktur, wie zum Beispiel Polizei, Feuerwehr und Krankenversorgung. Hierzu gehören Leitstellen oder Ausbildungsgebäude, aber auch um Justizvollzugsanstalten. Meiner Ansicht nach werden wir in den kommenden Jahren das Auflegen verschiedener Modelle im Katastrophenschutzes sehen, beispielsweise das Bauen von sicheren Orten, also Orten, an denen sich Menschen beispielsweise bei unvorhergesehen Naturereignissen in Schutz bringen können.

Dirk Fischer ist bei Drees & Sommer Nordrhein-Westfalen Experte für soziale Infrastruktur. Quelle: Drees & Sommer

IA: Welche Rolle spielen Umwidmungen?

DF: Flächenkonversion ist hier der bessere und größere Begriff. Denken Sie an die ehemaligen Militärstützpunkte der britischen Streitkräfte in Westfalen, die sehr früh mit Konzepten für einen urbanen Mix versehen worden. Oder das ehemalige Rheinmetall-Gelände in Düsseldorf, in dem auch unser Büro ist: Hier stehen Wohnen und Büro nebeneinander, hier findet sich alles, was es in einem Quartier braucht. Im Kleinen gibt es das allerdings bisher noch nicht. Ich hätte aber direkt gleich Ideen für in Schräglage geratene Krankenhäuser. Da kann man Seniorenwohnen draus machen, aber was spricht gegen ein Restaurant oder einen Club in ehemaligen Operationssälen? Sie haben zumindest schon einmal eine sehr gute Be- und Entlüftung.

IA: Bei der öffentlichen Hand wird ganz genau hingeschaut und das meint hier nicht die Finanzen: Öffentliche Wahrnehmung spielt eine Rolle, Beteiligung ebenfalls. Wie blicken Sie auf dieses Thema?

DF: Gesetzlich ist doch eigentlich alles geregelt. Natürlich muss man die Menschen einbeziehen, ihnen bestimmte Dinge erklären. Wenn es für die Daseinsfürsorge wesentlich ist, sollte man die Kirche im Dorf lassen. Wenn ein Konzept von einem einzelnen zerstört wird, dann muss man sich fragen, ob das im allgemeinen Interesse ist. Nur: Wie wiegt man das Allgemeinwohl gegen das Wohl einer kleinen Gruppe auf? Das ist wie immer ein Ding des Maßes.

IA: Was ist mit den sozialen Medien?

DF: Ein delikates Thema. Noch einmal: Wir sollten mit den Menschen, die es betrifft, sprechen. In den sozialen Medien diskutiert ein Großteil mit, der davon gar nicht betroffen ist und deshalb gar nicht die Kompetenz hat. Diskussionen führen oft zu besseren Produkten. Aber wenn wir einen wirtschaftlichen Standortvorteil nicht umsetzen können, dann stellt sich wieder die Frage der Abwägung und welche Nachteile das für wie viele Menschen hat.

IA: Viele Kommunen haben komplizierte Grundstücke, oft mit verschiedenen Problematiken wie Altlasten im Boden beispielsweise, die seit Jahren nicht angefasst werden. Ist die Krise der Immobilienwirtschaft jetzt eine Chance für solche Liegenschaften?

DF: Ja, das ist eine Chance. Wenn eine Kommune sich das leisten kann, vielleicht auch Fördertöpfe dafür bereitstehen, ist das fast schon eine Voraussetzung. Ich sehe die Aufgaben der Gemeinden vor allem darin, dass sie die Grundstücke aufbereiten und dann an Investoren verkaufen. Das wäre eine Partnerschaft zwischen Kommunal & Privat: Beide Seiten haben ein Risiko und jeder übernimmt das Risiko, das er fachlich am besten schultern kann. Das halte ich für eine erfolgsversprechende Vision.