Lange Zeit spielte der Sozialwohnungsbau in Sachsen-Anhalt keine große Rolle, denn es gab überall ausreichend bezahlbaren Wohnraum. Inzwischen steigen aber auch in Halle und Magdeburg die Mieten. Vor allem die Landeshauptstadt steht durch die Intel-Investition vor großen Aufgaben.
Wie überall in Ostdeutschland war in Sachsen-Anhalt in den 2010er Jahren der Bestand an Sozialwohnungen deutlich gesunken, da für viele dieser Unterkünfte die Belegungsbindung endete. Dieser Trend kehrte sich erst in letzter Zeit um: Ende 2021 gab es nach Auskunft des Magdeburger Landesministeriums für Infrastruktur und Digitales zwischen Arendsee und Zeitz 4.458 Wohnungen mit einer Mietpreis- und Belegungsbindung – 948 mehr als 2019.
Sachsen-Anhalt konnte Mittel des Bundes für sozialen Wohnungsbau nicht abrufen
Da in der Vergangenheit ausreichend bezahlbarer Wohnraum verfügbar war, konzentrierte sich die Landesförderung auf die Modernisierung und Instandsetzung des leerstehenden Bestandes. Auf diese Weise wurden zwischen 2016 und 2021 rund 3.900 mietpreis- und belegungsgebundene Sozialwohnungen geschaffen. Erst seit 2021 fördert das Land den Neubau sozial gebundener Wohnungen, vorrangig im Lückenschluss und Ersatzneubau.
Nachdem sich der Bund im Zuge einer Grundgesetzänderung seit 2020 mit Finanzhilfen an landesgeförderten Investitionen im Sozialwohnungsbau beteiligen darf, standen Sachsen-Anhalt in den Jahren 2020 und 2021 rund 70 Millionen Euro zur Verfügung, die das Land zu rund einem Drittel hätte kofinanzieren müssen. Da dieser Eigenanteil jedoch nicht aufgebracht wurde, konnten die entsprechenden Bundesmittel nicht abgerufen werden. Für dieses Jahr werden die entsprechenden Planungen noch erarbeitet, heißt es aus dem Infrastrukturministerium. Außerdem müsse der Bundeshaushalt erst in Kraft treten, womit im Juni zu rechnen ist.
Steigende Mieten in den Großstädten Halle und Magdeburg
Bei der Opposition im Landtag stößt dieses Verhalten auf Kritik. Die Landesregierung verkenne das Problem des fehlenden bezahlbaren Wohnraums im Land, insbesondere in den Zentren. In der Tat sind gerade in den beiden Großstädten in den vergangenen Jahren die Mieten gestiegen. Nach einer Analyse des Eduard Pestel Instituts für angewandte Systemforschung und Prognose erhöhte sich in Halle zwischen 2015 und 2021 die Kaltmiete für einfach ausgestattete Wohnungen von 4,60 Euro pro Quadratmeter auf 5,40 Euro pro Quadratmeter.
Von einem ähnlichen Niveau (4,40 Euro pro Quadratmeter) kletterten die Mieten in Magdeburg auf ebenfalls 5,40 Euro pro Quadratmeter. Eine weitere Gemeinsamkeit gibt es außerdem bei der Anmietung geförderter Wohnungen per Wohnberechtigungsschein: In beiden Großstädten sind entgegen der andernorts üblichen Praxis Überschreitungen der Einkommensgrenzen möglich – in Halle bis 20 Prozent (in Einzelfällen sogar bis 60 Prozent) und in Magdeburg um bis zu 40 Prozent.
Halle: Konzept für den Wohnungsmarkt der Zukunft
In Halle hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Die langanhaltende Phase schrumpfender Bevölkerungszahlen und hohen Wohnungsleerstands mit daraus folgendem Rückbau scheint Geschichte zu sein. Um in Zukunft zielgerichtet Defizite zu beheben und vorsorgend Fehlentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken, beschloss der Stadtrat Ende Juni 2018 ein „Wohnungspolitisches Konzept“ mit sieben Handlungsfeldern und insgesamt 21 Maßnahmen.
Dazu zählt unter anderem, eine neue Wohnungsbauförderung einzufordern und preisgünstigen Wohnraum in der inneren Stadt zu erhalten. Denn seit einigen Jahren ist Gentrifizierung auch an der Saale zum Thema geworden, beispielsweise im vor allem bei Studenten und jungen Familien beliebten Paulusviertel.
Magdeburg: Wohnungen für tausende zu erwartende Neubürger
Die Landeshauptstadt steht in den kommenden Jahren in besonderem Maße vor der Herausforderung, einer breiten Bevölkerungsschicht bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. In der Vergangenheit war dies kein Problem: So lagen beispielsweise noch vor drei Jahren von den 19.500 Wohnungen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg (WOBAU) rund 10.000 in einem preislichen Bereich, der auch für Hartz-IV-Bezieher in Frage komme, sagte seinerzeit WOBAU-Geschäftsführer Peter Lackner.
Durch die Entscheidung von Intel, in den kommenden Jahren am Rande der Landeshauptstadt zwei hochmoderne Halbleiterfabriken zu bauen, in denen 3.000 dauerhafte High-Tech-Arbeitsplätze und zehntausende Jobs bei Zulieferbetrieben entstehen, wird sich der Magdeburger Wohnungsmarkt allerdings deutlich verändern und vermutlich weiter verteuern. Kommunalpolitiker gehen davon aus, dass circa die Hälfte der Beschäftigten der neuen Intel-Fabriken nach Magdeburg selbst ziehen wird. Rechnet man Partner und Kinder hinzu, stünde am Ende ein Bevölkerungsplus von deutlich mehr als 10.000 „Neu-Magdeburgern“.
Noch vorhandener Leerstand und relativ moderate Mieten könnten sich hier anfangs als vorteilhaft erweisen. Bei sehr preiswerten ebenso wie bei sehr teuren Wohnungen gebe es aktuell ein großes Angebot, sagt Norbert Steinborn, Geschäftsführer bei Engel & Völkers Commercial in Magdeburg. Was fehle, seien Quartiere im mittleren Preissegment sowie größere Wohnungen und Häuser für Familien.