Die SPD-Bundestagsfraktion möchte eine Wende in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik bewirken und für mehr bezahlbaren und klimafreundlichen Wohnraum einstehen. Auf der Fraktionsklausur in Wiesbaden wurde ein entsprechendes Positionspapier verabschiedet. Dieses sorgt nicht nur rund um den Punkt eines nachgeschärften Mietrechtes für Aufsehen.
Vom 28. bis 29. August 2023 fand in Wiesbaden die Fraktionsklausur der SPD statt. Diese stand unter dem Motto „Zukunft schaffen wir. Gemeinsam vor Ort" und führte zu diversen Beschlusspapieren. Besonderes Aufsehen erregte das Positionspapier „Maßnahmenpaket für bezahlbares Wohnen und zukunftsgerechtes Bauen“. Darin enthalten sind folgende Maßnahmen:
- ein Sofortprogramm „Bauen jetzt“ für mehr Wohnungsneubau und Sanierung,
- das Absenken der Hürden für den Eigentumserwerb,
- die Einführung der „Neuen Wohngemeinnützigkeit“,
- die Schaffung von Neubauimpulsen durch entsprechende Steuerpolitik,
- ein geschärftes Mietrecht für einen effektiven Schutz der Mieter,
- spürbare Maßnahmen zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung,
- schnell umsetzbare Förderprogramme für Kommunen,
- Maßnahmen für die Innenstädte von morgen, die lebendig, vielseitig und klimaresistent werden sollen,
- die Stärkung des Schulterschlusses mit Kommunen zur Städtebauförderung und zur Unterstützung bei der Schaffung einer zukunftsorientierten kommunalen Wärmeplanung.
Insbesondere Punkt fünf und eine darin beschriebene Maßnahme erregte sofort großes Aufsehen. Verena Hubertz, SPD-Fraktionsvorsitzende zur „Bild am Sonntag“:
„Wir brauchen eine Atempause für Mieter - wir brauchen einen Mietenstopp für die nächsten drei Jahre.“
Mietenstopp für ganz Deutschland
In dem Positionspapier heißt es zu dem Mietenstopp: „Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Absenkung der Kappungsgrenze wird der aktuell besonders kritischen Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht gerecht. Angesichts der enormen Mietanstiege der letzten Jahre und der vom Krieg ausgelösten drastisch zunehmenden Neben- und Heizkosten fordern wir deshalb einen bundesweiten Mietenstopp. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gestattet dieser eine maximale Mietsteigerung von sechs Prozent in drei Jahren bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete.“
Weitere Forderungen zum Schutz der Mieter
Darüber hinaus fordert die SPD-Bundestagsfraktion:
- die Schließung von Umgehungsmöglichkeiten der Mietpreisbremse,
- wirksame Regelungen zur Unterbindung von Mietwucher,
- eine Verbesserung des Kündigungsschutzes bei Eigenbedarfskündigungen,
- eine Regelung zum Mieterschutz bei Indexmietverträgen,
- eine Novelle der Fortschreibungsmöglichkeiten von qualifizierten Mietspiegeln,
- den Schutz von Mietern vor überbordenden Nebenkosten,
- die Verlängerung der Mietpreisbremse von 2025 bis 2029,
- die Absenkung der Kappungsgrenze von 15 auf 11 Prozent,
- qualifizierte Mietspiegel in Gemeinden mit über 10.000 Einwohnern,
- eine Erweiterung des Mietspiegelbetrachtungszeitraumes,
- die Ausweitung der Heilungswirkung von Schonfristzahlungen.
Das Postionspapier zum Download
Reaktionen auf das Maßnahmenpaket
Mieterbund unterstützt mietrechtliche Forderungen
Der Deutsche Mieterbund begrüßt das auf der Sommerklausur der SPD-Bundestagsfraktion in Wiesbaden diskutierte „Maßnahmenpaket für bezahlbares Wohnen und zukunftsgerechtes Bauen“ ausdrücklich: „Die Wohnkostenkrise mit steigenden Mieten und hohen Baukosten kommt mittlerweile flächendeckend bei den Menschen an, unabhängig davon, wo diese leben. Über sieben Millionen Haushalte sind bereits durch ihre Wohnkosten überlastet, es drohen soziale Verwerfungen, wenn die Politik nicht endlich handelt. Die Impulse der SPD-Fraktion sind daher dringend nötig und absolut richtig. Es braucht jetzt handfeste Maßnahmen, die den Mieterinnen und Mietern sofort helfen“, kommentiert Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes.
Der Druck auf die Mieten steigt gerade enorm. Nicht nur die Angebotsmieten bei Neu- und Wiedervermietung steigen aktuell, zum Beispiel in Berlin um 27 Prozent zweistellig, sondern auch die Bestandsmieten im Mietspiegel – zuletzt in München um 21 Prozent. Neben den Metropolen sind besonders auch die Angebotsmieten in ländlichen Wohnungsmärkten, wie zum Beispiel im Saarland (Plus 7,9 Prozent), Brandenburg (Plus 9,1 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (Plus 10,3 Prozent), betroffen. „Die aktuellen und flächendeckenden Mietpreissteigerungen zeigen eindeutig: Wir brauchen mietrechtliche Reformen mehr denn je, stattdessen erleben wir eine unzumutbare Blockadehaltung des zuständigen FDP-Justizministers Buschmann.
Die mietrechtlichen Forderungen, unter anderem nach einem bundesweiten Mietenstopp, waren nie dringender als jetzt, sind mit der FDP in der Ampel aber zurzeit nicht mehrheitsfähig. Dass selbst die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zum Mieterschutz noch nicht umgesetzt wurden liegt ganz offenkundig an der Blockadehaltung der FDP und zeigt, dass Bundesjustizminister Buschmann die Sorgen der Mieterinnen und Mieter nicht ernst nimmt. Ein politischer und sozialer Offenbarungseid“, kritisiert Siebenkotten.
IG BAU begrüßt die Mietpreisbremse
Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt: „Die von der SPD gemachten Vorschläge zur Verschärfung der Mietpreisbremse, insbesondere in angespannten Wohngegenden, sind ausdrücklich zu begrüßen. Es ist doch schon sehr, eigentlich müsste man sagen 'zu', lange bekannt, dass sich viele Menschen die oft horrenden Mieten nicht leisten können. Auch sollten die in Innenstadtlagen aufgerufenen Mieten nicht dazu führen, dass wenig begüterte Mieter an die Peripherie oder aufs Land verdrängt werden. Sozialauslese durch Mietpreise ist keine gute Idee. Auch der Vorschlag, die Indexmieten nicht mehr an die Inflation zu koppeln, trifft bei uns auf offene Ohren. Bei den derzeitigen Inflationsraten schießen die Mieten durch die Decke. Da werden die Mieter ja doppelt belastet, erst durch höhere Lebenshaltungskosten und dann auch noch durch höhere Mieten. Mietsenkend wirkt aber auf jeden Fall auch der Bau von neuen Wohnungen, deshalb will ich hier noch einmal unsere Forderung erneuern: Wir brauchen ein Sondervermögen von mindestens 50 Milliarden Euro, um genügend Sozialwohnungen bis zum Jahr 2025 zu bauen und weitere 22 Milliarden Euro noch in dieser Legislaturperiode, um auch Wohnungen zu erstellen, die bezahlbar sind. Der Mix aus beiden Vorschlägen wird sicherlich dazu führen, dass die soziale Schieflage abgemildert wird.“
IVD: SPD bremst Wohnungsneubau weiter aus
IVD-Präsident Dirk Wohltorf: „Die Ausweitung des Wohnungsangebots, also der Bau von neuen Wohnungen, ist das einzig wirksame Mittel gegen Wohnungsknappheit und steigende Mieten. Geht es nach der SPD, wird dem Wohnungsneubau nun vollends der Hahn abgedreht. Das unbeirrte Weiterdrehen der mietrechtlichen Regulierungsspirale stößt all diejenigen vor den Kopf, die bauen wollen, aber nicht können. Denn angesichts massiv gestiegener Bau-, Material- und Finanzierungskosten und vor allem immer höherer staatlich verordneter Baustandards, ist wirtschaftliches Bauen nicht mehr möglich. Dieses sogenannte Maßnahmenpaket der SPD ignoriert die Realitäten der vergangenen zwölf Monate: Bauanträge und -Genehmigungen sind um rund ein Drittel eingebrochen. Man könnte fast glauben, dass ChatGPT dieses Positionspapier mit der Vorgabe ausgespuckt hat: Trage möglichst viele der untauglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der angespannten Wohnungsmärkte aus den vergangenen Jahrzehnten zusammen.
Mit noch mehr Regulierungen wird die letzte Chance auf eine positive Trendwende auf den Immobilienmärkten verspielt. Der 9-Punkte-Maßnahmen-Plan konterkariert zudem die pragmatischen Überlegungen und Vorschläge der SPD- Bundesbauministerin. Was wir jetzt in dieser dramatischen Lage auf den Wohnungsmärkten nicht gebrauchen können, ist Ideologie. Wenn man den Wohnungsbau nicht endgültig zum Erliegen bringen will, geht es nur mit der Wohnungswirtschaft und nicht gegen sie. Wir benötigen eine Politik, die Investitionen fördert und Anreize schafft für Menschen, um den Schritt zum Hausbau und zur Bildung von Wohneigentum zu ermöglichen. Die von Frau Geywitz vorgeschlagene degressive Abschreibung für Abnutzung (AfA) muss zügig umgesetzt werden. Darüber hinaus muss die Grunderwerbsteuer gesenkt oder zeitweise ausgesetzt und die finanziellen Mittel für die Wohnraumförderung im Rahmen der Kfw-Förderung müssen dringend ausgeweitet werden.“
GdW: Mietrechtspläne der SPD desaströs – Neubaupläne zu verzagt
Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft bewertet die Pläne der SPD-Bundestagsfraktion mit Blick auf weitreichende Mietrechtsverschärfungen als desaströs und in puncto Wohnungsneubau als viel zu verzagt und deshalb für nahezu wirkungslos für die Zukunft des bezahlbaren Wohnens. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW: „Die Mietrechts-Vorschläge der SPD werden in der aktuellen Krise die ohnehin nur noch wenigen möglichen Bemühungen um bezahlbaren, zukunftsfähigen Wohnraum in Deutschland endgültig beerdigen. Den sozial orientierten Wohnungsunternehmen sind mit ihren günstigen Mieten von im Schnitt 6,25 Euro bundesweit angesichts massiver Kostensteigerungen bei Zukunftsinvestitionen bereits die Hände gebunden. Sie können sich das notwendige Engagement für Wohnungsneubau und Klimaschutz schon jetzt kaum bis gar nicht mehr leisten. Bauprojekte werden seit über einem Jahr reihenweise eingestellt und die Regierung schaut tatenlos zu. Es muss jetzt endlich ein funktionierendes Gesamtkonzept für das bezahlbare Wohnen geschaffen werden.
Die SPD-Vorschläge sind in ihrer Gesamtheit leider das Gegenteil. Es gibt keinerlei Klarheit, wie die zusätzlichen Ideen in welcher Größenordnung finanziert und gegenfinanziert werden sollen. Und mit dem Heizungsgesetz verursacht die Bundesregierung massive Kosten inmitten einer existentiellen Krise der Wohnungswirtschaft. Mit ihren Mietrechtsvorschlägen versucht die SPD-Fraktion, diese Kosten wegzuleugnen – sie sind aber vorhanden. Die Fehler werden nicht behoben, sondern vergrößert. Wenn den sozial orientierten Wohnungsunternehmen ihre einzige Einnahmequelle mehr oder weniger genommen wird, dann sind die – einzeln betrachtet vielen richtigen – Vorschläge der SPD für mehr Wohnungsbau reine Makulatur. Denn der Bau lässt sich schlicht nicht finanzieren. Schlimmer noch: Im Zuge der Inflation haben sich auch die Instandhaltungskosten verdrei- bis vervierfacht, so dass viele Vermieter auch hier zunehmend in die Bredouille kommen, weil die finanziellen Mittel nicht mehr ausreichen.
Es droht ein Teufelskreis von nicht mehr möglichen Instandhaltungsmaßnahmen und Mietminderungen, der schwerwiegende Auswirkungen auf die Qualität der Wohnungen in Deutschland und das generell gute Vermieter-Mieter-Verhältnis hat. Wohnungsneubau wird dann komplett unmöglich sein, weil er wirtschaftlich nicht mehr darstellbar ist. Schlagworte aus den SPD-Neubauvorschlägen wie ‚Fast-Lane‘-Genehmigungen, Fertigstellungsprämien, Förderung der Gebäudeaufstockung und so weiter sind fast allesamt richtig – aber sie sind zu kleinteilig, werden in ihrer Umsetzung viel zu lange dauern und sie werden von den Mietrechtsplänen im Zuge der massiven finanziellen Einschränkungen für die Wohnungsunternehmen komplett konterkariert. Das einzige, was in der aktuellen Krise schnell und wirksam hilft, ist die Wiederherstellung einer auskömmlichen und verlässlichen Förderung für bezahlbares Wohnen. Wenn dazu noch der immer weiter getriebenen Verschärfung von teuren Effizienzstandards für den Neubau Einhalt geboten wird, und stattdessen auf bezahlbare Standards in Kombination mit einem intelligenten Energieversorgungskonzept im Quartier gesetzt wird, wären wir schon ein gutes Stück weiter. Insofern begrüßen wir ausdrücklich den Vorstoß von Bundesbauministerin Klara Geywitz, den Neubaustandard nicht weiter zu verschärfen.
Das in Deutschland gut funktionierende System der ortsüblichen Vergleichsmieten, das eine moderate Mietentwicklung mit jährlichen Steigerungsraten von nur rund 1,5 bis 2,5 Prozent und damit unterhalb der Lohn- und Gehaltsentwicklung absichert, würde durch die SPD-Vorschläge quasi außer Kraft gesetzt. Auch das zeigt die Hilflosigkeit und das Unverständnis der Zusammenhänge beim bezahlbaren Bauen und Wohnen, von denen die SPD-Vorschläge geprägt sind. Statt sich widersprechender, scharfer Mietrechtsverschärfungen auf der einen und Neubau-Stückwerk auf der anderen Seite braucht Deutschland vor allem ein verlässliches Förder-Engagement der Regierung für bezahlbaren, nachhaltigen Wohnungsbau für die Mitte der Gesellschaft.“
Weitere Zustimmung und Ablehnung
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sagte der Funke Mediengruppe, dass ein Mietenstopp den Wohnungsbau noch weiter bremsen würde und die Verunsicherung bei Investoren erhöhe. Auch Kai Warnecke, Präsident des Immobilieneigentümerverbands Haus & Grund, ist sich sicher, dass der Mietenstopp den Wohnungsbau endgültig abwürgen werde. Gegenwind kommt auch aus CDU und FDP, die auf Berlin und die dortige Regulierungswut inklusive deren Folgen (der Mietendeckel sei genannt) referenzieren. Unterstützung erfahren die Vorschläge der SPD durch die Grünen.