Nach Angaben der globalen Branchenführer, die im „Emerging Trends in Real Estate® Global Outlook 2023“ vom Urban Land Institute (ULI) und PwC zusammengetragen wurden, ist der Ausblick für die Immobilienbranche durch erhebliche Unsicherheiten geprägt, die durch weiter steigende Zinsen und den Mangel an verfügbarem Fremd- und Eigenkapital verursacht werden.
Dies führt zu einer geringen Liquidität, Bedenken bezüglich der Refinanzierung laufender Darlehen und einer insgesamt abwartenden Haltung der Branche. Eine Schlüsselfrage ist, ob ein Mietwachstum vor dem Hintergrund einer stagnierenden Wirtschaft, eines sich abkühlenden Konsumklimas, eines anhaltenden Strukturwandels und eines steigenden Investitionsbedarfs realisierbar ist.
Immobilienbranche ist beunruhigt
Die Folgen der Geldpolitik der Zentralbanken und der steigenden langfristigen Zinssätze werden sich erst noch in vollem Umfang zeigen, aber der Rückzug institutioneller und privater Anleger aus Fonds beunruhigt die Immobilienbranche. Bei den institutionellen Anlegern ist der Rückzug teilweise eine Reaktion darauf, dass in ihren Portfolien die Aktienkurse sinken und demnach die Immobilienquote zu hoch ist.
Das größte Hindernis für den Abschluss von Transaktionen in diesem Jahr ist die Preisfindung. Haupttreiber dafür ist die Ungewissheit darüber, wo und wann sich die Zinssätze einpendeln werden.
Die Preise für Logistikimmobilien hingegen scheinen sich auf den wichtigsten Märkten weitgehend stabilisiert zu haben und die Hoffnung, dass die langfristigen strukturellen Veränderungen im Einzelhandel nun eingepreist sind, wächst. Auf den Büroimmobilienmärkten aber besteht weiterhin große Unsicherheit.
Abwartende Banken sorgen für eine Finanzierungslücke
Die Fremdfinanzierung ist ein wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Investitionsmarktes. Die Banken verhalten sich jedoch abwartend, und es wird sich zeigen, ob andere Kreditgeber die Gelegenheit nutzen, die Finanzierungslücke zu schließen. Finanzierungen für Neu- und Umbauten sind knapp, da hohe Baukosten, anhaltender Arbeitskräftemangel und eine unsichere Nutzernachfrage für die meisten Banken ein zu großes Risiko darstellen. Da laufende Kredite refinanziert werden, ist eine Notlage vom Ausmaß der globalen Finanzkrise nicht zu erwarten. Viele Investoren werden die Auswirkungen aber durchaus bei neuen Konditionen spüren.
In unserem Podcast mit Sabine Georgi vom Urban Land Institute sprechen wir über eine Urbanisierungswelle für Deutschland:
Gleichzeitig besteht ein enormer Bedarf an der Transformation von Objekten und einer Beschleunigung der ESG-Agenda, nicht zuletzt, um Gebäude weiterhin vermietbar zu halten. Dies bringt die Branche in eine schwierige Lage, da es eventuell nicht mehr möglich ist, Modernisierungen und Investitionen aufzuschieben.
Büromarkt steht vor Umwälzungen
Vor diesen Herausforderungen steht vor allem der Büroimmobilienmarkt. Es verstärkt sich der Eindruck, dass dem Sektor ähnliche Umwälzungen bevorstehen wie dem Einzelhandel. Die meisten Branchenführer gehen davon aus, dass die Vermietung von Büroflächen tendenziell rückläufig sein wird. Zudem sind sie fest von einer Trennung zwischen Premium- und Sekundärstandard, ESG-konformen und nicht ESG-konformen Immobilien überzeugt.
Der Einzelhandel selbst sendet ermutigende Signale aus. Investmentmanager stellen eine starke operative Performance in ihren Einzelhandelsportfolios in den USA und Europa fest, und zwar nicht nur in den relativ widerstandsfähigen Teilsektoren wie Verbrauchermärkten, Lebensmittelgeschäften und Fachmarktzentren.
Wohneigentum für immer mehr Menschen unbezahlbar
Wohneigentum ist für immer mehr Menschen nach wie vor nicht finanzierbar, auch wenn steigende Zinssätze die Nachfrage gedämpft und den Anstieg der Wohnungspreise auf einigen Märkten abgekühlt haben. Das weit verbreitete Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hat zu einer Umverteilung von Kapital geführt, wodurch der Wohnungs- den Bürosektor überholt hat und seit der Pandemie der größte Immobiliensektor nach Transaktionsvolumen ist.
Der in den letzten Jahren zu beobachtende Trend setzt sich fort: Investoren fokussieren sich zunehmend auf verschiedene Arten von Wohnimmobilien, sowohl unter dem Gesichtspunkt eines attraktiven Risiko-Rendite-Verhältnisses als auch unter dem Aspekt der sozialen Wirkung. Die aktuellen Marktbedingungen unterstützen eine Konzentration auf defensivere Immobilientypen mit zuverlässigeren laufenden Erträgen, darunter Mehrfamilienhäuser, Seniorenwohnungen und Studentenapartments.
Bepreisung von Kohlendioxid-Emissionen
Der Bericht stellt ein geringes, jedoch wachsendes Interesse an der Bepreisung von CO2-Emissionen als treibende Kraft der Dekarbonisierung fest. Die Berücksichtigung von CO2-Emissionen als Kosten soll eine wichtige Steuerungsfunktion in Immobilienunternehmen entfalten. Die von den Regierungen erhobenen CO2-Steuern sind in der Regel zu niedrig, um eine Änderung zu bewirken, während die von den Unternehmen selbst festgelegten CO2-Preise in der Regel höher sind und sich in Europa auf etwa 90 Euro pro Tonne belaufen.
Lisette van Doorn, CEO des ULI Europe: „Die Verantwortlichen in der Immobilienbranche stellen sich auf die voraussichtlich länger anhaltenden höheren Zinssätze ein und müssen eine neue Normalität mit höheren Finanzierungskosten und minimalem Kapitalwachstum akzeptieren. Der Erfolg - Betriebsführung und Mietwachstum - hängt davon ab, dass die Investments zweckmäßig und ESG-konform sind. Die Branche kann nicht länger abwarten und hoffen, dass die Bau- und Finanzierungskosten sinken, denn die Nutzer werden ihre Gesamtkosten bei der Erneuerung des Mietvertrags kritisch überprüfen. Die Anpassung an ihre Flächen- und ESG-Strategien ist entscheidend: Wird nicht gehandelt, kann dies sehr bald zu einem Verlust von Mieteinnahmen führen.“