Auch wenn es für Rot-Rot-Grün im Bund nicht gereicht hat – ein Grund zum Aufatmen ist das Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 trotzdem nicht. Eine erste Einschätzung haben jetzt Jürgen Michael Schick, Immobilienunternehmer und Präsident des IVD, sowie der BZ-Kolumnist Gunnar Schupelius gegeben.
Eine große Befürchtung vieler Immobilieneigentümer und Akteure der Immobilienbranche ist nicht Realität geworden: Für Rot-Rot-Grün im Bund hat es nicht gereicht. Ein Grund zum Aufatmen ist das Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 trotzdem nicht. Die Linken haben zwar vier Prozent an Stimmen im Vergleich zur vergangenen Wahl verloren und sitzen nur dank dreier Direktmandate im neuen Bundestag – dafür haben die SPD und die Grünen insgesamt Stimmen gewonnen.
„Das ist kein glasklarer Sieg“
Jürgen Michael Schick, Geschäftsführer der Michael Schick Immobilien GmbH und Präsident des Immobilienverband Deutschland (IVD), kommentierte in einem gemeinsamen Brennpunkt-Webinar mit dem Journalisten Gunnar Schupelius nach der Wahl: „Es war eine hauchdünne Entscheidung. Es waren nur wenige Stimmen, die uns von einer Volksrepublik-Koalition entfernt haben. Das ist kein glasklarer Sieg.“
Gunnar Schupelius rechnet mit einer Ampel-Koalition. Die CDU hat sich als Gesprächspartner angeboten, falls die Verhandlungen zwischen den Grünen , der FDP und der SPD scheitern. Michael Schick sieht für die FDP die Chance, in Sachen Wohnungsbaupolitik stärker zu verhandeln. „Wir brauchen eine echte Kurskorrektur in der Wohnungsbaupolitik. Das weiter so an Regulierung gilt es zu durchbrechen.“ Doch ist das in einer Koalition mit Rot-Grün realistisch? Bei SPD und Grünen steht weitere Mietregulierung im Programm, darunter die Verschärfung der Mietpreisbremse, die weitere Begrenzung der Modernisierungsumlage und das Ausdehnen des Betrachtungszeitraums im Mietspiegel von acht Jahren (SPD) und 20 Jahren (Grüne). Und wird die FDP eine Vermögenssteuer verhindern können?
Keine Vermögenssteuer mit der FDP?
„Die FDP wird die Vermögensteuer verhindern müssen. Das ist eine rote Linie, die diese Partei setzt. Aber es gibt eben andere Gebiete, auf denen Kompensationen heimlich, still und leise geleistet werden können“, sagte Gunnar Schupelius. Diese Meinung wird von Jürgen Michael Schick geteilt. „Ich glaube nicht, dass die Vermögensteuer mit der FDP kommt.“
Anders sieht er die Situation bei der Frage nach dem Wegfall der Spekulationsfrist von zehn Jahren. Es geht um den Paragraph 23 Einkommenssteuergesetz, der den steuerfreien Verkauf einer fremdgenutzten Immobilie nach zehn Jahren erlaubt. „SPD und Grüne haben ausdrücklich diese Spekulationsfrist zum Thema ihrer Wahlprogramme gemacht, insofern ist davon auszugehen, dass darüber diskutiert wird.“
Wie die Diskussion am Ende ausgeht, ist im Moment noch offen. Wenn die Spekulationsfrist abgeschafft wird, dann geht Jürgen Michael Schick davon aus, dass Alteigentümer nicht davon betroffen sein werden. „Da ist steuerbar nur der Wertzuwachs zwischen dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung und dem Verkauf. Da muss man den Wertzuwachs in dieser Periode analysieren. Wer noch in der Spekulationsfrist ist, der muss seinen Gewinn versteuern.“ Es sei nicht davon auszugehen, dass es eine Art Abgeltungssteuer geben werde. „Wahrscheinlich greift man auf den individuellen Steuersatz zurück.“
Was passiert mit den Immobilienpreisen?
Eine Verkaufswelle erwartet Jürgen Michael Schick nicht. Jedenfalls nicht, wegen einer möglichen Abschaffung der Spekulationsfrist. Er hält es dafür möglich, dass viele Eigentümer aufgeben, wenn ein Klima-Sanierungszwang kommt. Doch die eigentliche Gretchenfrage lautet: Werden die Immobilienpreise fallen? „Es kommt entscheidend darauf an, wie viele der mietrechtlichen Vorschläge nachher durchsetzbar sind und wie viele sich verhindern lassen. Das ist noch nicht ganz absehbar.“
Aber klar ist: Wenn die Mieten nach unten reguliert werden, sinkt der Verkehrswert der Immobilien. Ein Beispiel: Würde der Betrachtungszeitraum für den Mietspiegel auf 20 Jahren ausgedehnt, wie es die Grünen fordern, dann sänken die Mietspiegelwerte in Deutschland mit einem Schlag um rund 25 Prozent. Das hat eine Berechnung des Center für Real Estate Studies (CRES) Freiburg ergeben. Das heißt für den Privatvermieter, der als Altersvorsorge eine Eigentumswohnung gekauft hat: Die Wohnung wäre nicht mehr 200.000 Euro wert, sondern nur noch 150.000 Euro. „Damit findet eine substanzielle Vermögensvernichtung statt.“
„Man drängt private Unternehmen ganz bewusst raus“
Für Gunnar Schupelius passt das alles zusammen. Privateigentum und gewinnorientierte Unternehmen seien nicht mehr gewollt. „Tatsache ist, dass sich viele Entscheidungsträger aus den drei linken Parteien dieser Idee bereits angeschlossen haben. Man drängt private Unternehmen ganz bewusst raus und erklärt den Leuten, das ist dann billiger und lebenswerter.“
Immobilien seien nur der Anfang. „In Berlin gibt es das Angebot der öffentlichen Hand an die Privaten, na dann verkauft doch eure Wohnungen an uns.“ Doch es werde eine falsche Rechnung aufgemacht. Denn die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin sind mit mehr als 14 Milliarden Euro verschuldet. „Die senken die Miete künstlich. Sie bilden eine Miete ab, die die Kosten überhaupt nicht deckt. Das ist völlig außer Konkurrenz und auch bewusst gemacht. Die sechs können ja nicht pleitegehen. Wenn die in das negative Eigenkapital gehen, ja dann kommt halt der Steuerzahler.“
Weitere Stimmen zur Bundestagswahl aus der Immobilienbranche
Jens Nietner, Geschäftsführer der HIH Real Estate: „Das Ergebnis der Bundestagswahl hat gezeigt, dass Klimaschutz, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit eine große Bedeutung für die Menschen in Deutschland haben. Wir gehen davon aus, dass in Folge die Maßnahmen für den Klimaschutz verstärkt werden. Das ist auch dringend notwendig, um den Klimaschutzplan der Bundesregierung einzuhalten und die Klimaneutralität des Gebäudebestandes in Deutschland zu erreichen. Vor dem Hintergrund der Debatte um bezahlbare Mieten rechnen wir damit, dass die Regulierung auf dem Mietwohnungsmarkt weiter zunimmt.“
Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG: „Aus meiner Sicht ist eine Koalition aus SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP als nächste Bundesregierung am wahrscheinlichsten. Es handelt sich dabei zwar nicht um meine Wunschkonstellation, aber ich bin zunächst einmal froh, dass Rot-Rot-Grün keine Option ist. Meiner Meinung nach können von einer Ampel-Bundesregierung wichtige Impulse ausgehen. Der Blick in das Wahlprogramm von SPD, Grünen und FDP zeigt wenig überraschend, dass die Vorstellungen der FDP auf der einen Seite und der Grünen auf der anderen Seite in Bezug auf die Immobilienwirtschaft, insbesondere die Regulierung des Wohnungsmarktes sehr unterschiedlich ausfallen. Die Rolle der FDP wird dabei sein, zu viel Regulierung zu verhindern und auf pragmatische Kompromisse hinzuarbeiten.“
Jacopo Mingazzini, Vorstand der The Grounds Real Estate Development AG: „Das wichtigste Ergebnis der Bundestagswahl ist sicherlich, dass die Wählerinnen und Wähler Rot-Grün-Rot auf Bundesebene klar verhindert haben. Bei allen anderen möglichen Koalitionen bin ich optimistisch, dass eine Beteiligung der FDP für den notwendigen Pragmatismus bei der Lösung anstehender Probleme sorgen und zu Ergebnissen führen wird, die für die Wirtschaft auch verträglich sind. Mit Blick auf die Wahl in Berlin bleibt zu hoffen, dass sich starke pragmatische Kräfte in der SPD durchsetzen und eine Wende hin zu einer konstruktiven Wohnungspolitik ermöglichen, beispielsweise durch die Bildung einer neuen Regierungskoalition.“
Einar Skjerven, Geschäftsführer Skjerven Group: „Die CDU ist die Verliererin der Wahl und könnte doch am Ende den Kanzler stellen, was ich sehr begrüßen würde. Dass nicht immer die stärkste Partei die Regierung führen muss, ist ein Gedanke, an dem man sich in Deutschland erst gewöhnen muss. Jetzt geht es um die Frage, wer das Bündnis mit der breitesten Mehrheit am besten managen kann.“
Rainer Schorr, Geschäftsführer der PRS Family Trust: „Deutschland, der Hort der Stabilität, ist zu einem Land mit wechselnden politischen Mehrheiten geworden. Das bedeutet eine große Verantwortung für die handelnden Personen. Aber eben auch ein höheres Maß an Variabilität. Wenn die FDP die ihr gegebene Chance jetzt wahrnimmt, bleiben der Immobilienwirtschaft viele regulatorische Zumutungen erspart. Im Sinne des für den Wohnungsbau erforderlichen Schubs, wäre dies nur zu begrüßen.“
Marko Broschinski, Geschäftsführer des Ökosystem-Anbieters easol: „Für die digitalen Dienstleister in der Immobilienbranche ist der Wahlkampf bereits ein Erfolg gewesen – unabhängig von der künftigen Regierung. Denn Digitalisierung ist nun endlich auf die Agenda aller etablierten Parteien gelangt: flächendeckendes schnelles Internet über Breitbandausbau, weniger bürokratische Hürden für Startups und mehr staatliches Kapital für die Digitalwirtschaft finden sich in allen Programmen. Da die Parteien auch Nachhaltigkeit unisono priorisieren, bin ich zuversichtlich, dass die neue Bundesregierung ihren Einfluss in Europa nutzen wird, rasch verbindliche ESG-Standards auf den Weg zu bringen. Klare Kriterien auf diesem Feld werden einen entscheidenden Beitrag für die zu entwickelnden Datenstandards leisten.“