Die Eisenhüttenstädter Gebäudewirtschaft GmbH wurde im Oktober mit dem BBU-Qualitätssiegel „Gewohnt gut - fit für die Zukunft" ausgezeichnet – für den Umbau eines denkmalgeschützten Hauses in Demenz-WGs. Doch der demographische Wandel ist nicht die einzige Herausforderung für die Wohnungswirtschaft einer Stadt, die stetig schrumpft.
Das denkmalgeschützte Mehrfamilienhaus aus den 1960er Jahren im Zentrum von Eisenhüttenstadt stand lange leer. Das kommunale Unternehmen Eisenhüttenstädter Gebäudewirtschaft GmbH (GeWi) hat das Objekt in der Lindenallee 2018 für rund 2,1 Millionen Euro aus Eigenmitteln modernisiert und umgebaut, damit es anders genutzt werden kann.
In den oberen drei Etagen wurden in Kooperation mit der AWO jeweils vier Wohnungen für Demenz-Wohngemeinschaften zusammengelegt. Insgesamt sind 25 Zimmer für die Bewohner entstanden, dazu moderne Küchen und barrierefreie Bäder. Im Erdgeschoss betreibt die Volkssolidarität die erste Tagesstätte für psychisch erkrankte Menschen. Für dieses Projekt wurde die GeWi vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) im Oktober mit dem Qualitätssiegel „Gewohnt gut – fit für die Zukunft" ausgezeichnet.
Eisenhüttenstadt im Klammergriff der Demographie
GeWi-Geschäftsführer Oliver Funke freut die Auszeichnung. „Wir sind natürlich stolz darauf“, sagt er. Mit dem Projekt habe das Unternehmen erfolgreich Neuland betreten. „Die Wohnungsgemeinschaften sind voll belegt und es gibt Wartelisten für einen Platz“, sagt er. Weitere Umbauten für Senioren-WGs sind geplant. Denn es gibt in Eisenhüttenstadt – wie überall – zunehmend mehr alte Menschen und damit einen steigenden Bedarf an barrierefreien Wohnungen und Wohnformen für spezielle Bedürfnisse. Für das Unternehmen ist der Umbau von Bestandsobjekten zugleich ein Beitrag im Kampf gegen den Leerstand: Wer aus einer Wohnung in eine WG wechselt, zieht nicht in ein Seniorenheim um.
Seit der Wende schrumpft die ehemalige Kreisstadt Jahr für Jahr. Als die DDR zusammenbrach, lebten hier 50.000 Menschen. Mit einem Großteil der Arbeitsplätze im EKO-Stahlwerk ging auch ein großer Teil der Einwohner verloren. Sie zogen den Jobs hinterher. „Vor allem junge Menschen sind weggegangen“, sagt Oliver Funke. „Es fehlt eine ganze Generation, die hier keine Kinder bekommen hat.“ Heute zählt die Stadt nur noch rund 24.000 Einwohner, jedes Jahr verliert sie durch Sterbefälle und Wegzug 300 bis 400 Menschen mehr, als durch Geburten und Zuzug dazu kommen. Damit stehen pro Jahr weitere 200 Wohnungen leer.
Abriss als Strategie gegen eine Leerstandsquote von fast 20 Prozent
Im Rahmen eines großangelegten Stadtumbaus sind seit 2002 bereits rund 6.200 Wohnungen der ehemaligen Stahlarbeiter in Plattenbauvierteln abgerissen worden. Insgesamt hat Eisenhüttenstadt derzeit noch einen Bestand von rund 15.800 Wohnungen, die von den beiden großen Wohnungsunternehmen verwaltet werden. Die GeWi verfügt über rund 7.000 Wohnungen, die Eisenhüttenstädter Wohnungsbaugenossenschaft eG (EWG) über rund 5.000. Private Bestände gibt es kaum. Laut Auskunft von Michael Reh, als Bereichsleiter in der Stadtverwaltung für den Stadtumbau verantwortlich, beträgt die Leerstandsquote bei den beiden Großvermietern insgesamt rund 18 Prozent. Bis 2030 ist der Abriss von weiteren 945 Wohnungen geplant.
Eisenhüttenstadt: Erste Reißbrettstadt der DDR
Die Innenstadt von Eisenhüttenstadt mit ihren Stalin-Bauten und Wohnblöcken aus den 1960er Jahren ist das größte Flächendenkmal in Deutschland. Mit den Wohnkomplexen I-IV war sie die erste auf dem Reißbrett entworfene Stadt der DDR. Hier wird nicht abgerissen, sondern kräftig saniert und modernisiert. Ein Schwerpunkt ist Barrierefreiheit, um die älter werdende Bevölkerung mit bedarfsgerechten Wohnungen zu versorgen.
Das jetzt ausgezeichnete Objekt in der Lindenallee gehört dazu. Aber auch in der denkmalgeschützten City stehen Wohnungen leer. Die Kaltmieten liegen bei Neuvermietung im Durchschnitt bei 5,50 Euro pro Quadratmeter, sagt Oliver Funke. Geförderte Wohnungen werden für 4,90 Euro vermietet. Von diesen Preisen können Mieter in Metropolen nur träumen. Einen Mietspiegel gibt es nicht. Oliver Funke sagt: „Wir haben einen Mietermarkt, der Mietspiegel wird als Instrument zur Bestimmung der Miethöhe nicht gebraucht, das regelt der Markt – nicht zum Nachteil der Mieter.“
Aus sich selbst heraus kann die Stadt den zunehmenden Leerstand nicht aufhalten. Oliver Funke sagt: „Eine Lösung kann nur Zuwanderung bringen.“ Arbeit gibt es, Fachkräfte werden in vielen Bereichen gesucht. Die Arbeitslosenquote liegt bei 6,8 Prozent. Die Stadt will daher Neubürger gewinnen und ehemalige Hüttenstädter zur Rückkehr bewegen. Michael Reh hat eine ganze Liste von Maßnahmen, mit der die Kommune das weitere Schrumpfen aufhalten will – von der Ansiedlung neuer Unternehmen bis zur identitätsstiftenden Kulturarbeit. Eisenhüttenstadt hat einiges zu bieten: ein Theater, ein eigenes Krankenhaus, Kitas, Schulen, das Museum Utopie und Alltag. Das Umland ist von der Oder, dem Naturpark Schlaubetal und viel Grün geprägt.
Hoffnung dank Probewohnen und Tesla?
Oliver Funke peilt für das nächste Jahr ein neues Projekt an: Probewohnen. „Wir wollen Menschen anbieten, mal einen Monat hier zu wohnen und die Stadt mit ihren vielfältigen Kultur- und Sportangeboten kennenzulernen“, sagt er. Auch von der neuen Tesla-Fabrik erhofft er sich einen Schub, obgleich sie rund 90 Kilometer entfernt liegt. In den nächsten zehn Jahren sollen für die Produktion von E-Autos rund 40.000 Arbeitsplätze in der Region entstehen. Seine Hoffnung speist sich aus einem weiten Blick in die Zukunft. „In der ersten Welle werden wir nicht davon profitieren", sagt er.
Frankfurt/Oder und alle nähergelegenen Gemeinden mit einer direkten Anbindung über die Straße oder die Bahn sind im Vorteil. Aber er sieht eine zweite Welle kommen. „Wenn sich Zulieferbetriebe entlang der Autobahn A12 ansiedeln und deren Entfernung nach Eisenhüttenstadt nur noch 30 Kilometer beträgt“, sagt er, „dann wird das Wohnen hier vielleicht interessant.“ Auch für Freiberufler und Senioren, denen Großstädte zu teuer werden, sieht er in Eisenhüttenstadt eine gute Alternative. „Wir hätten für Berliner schöne, preisgünstige Wohnungen zu bieten und freuen uns über jeden, der kommt."