Im Auftrag der beiden Verbände der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalts (VdW - Verband der Wohnungswirtschaft und VdWg - Verband der Wohnungsgenossenschaften) hat die ImmobilienResearch GmbH die Situation und die Perspektiven der Wohnungsunternehmen im ländlichen Raum Sachsen-Anhalts analysiert. Derzeit sind die Bedingungen noch einigermaßen auskömmlich, jedoch kommen auf die Wohnungsunternehmen große Herausforderungen zu. Bei heute schon hohem Leerstand ist zukünftig aufgrund eines drastischen Rückgangs der Haushalte ein erheblicher Anstieg der Leerstände zu befürchten. In der Studie werden verschiedene Handlungsempfehlungen diskutiert.
Die Studie analysiert die bisherigen Entwicklungen und die Perspektiven der Wohnungsmärkte und Wohnungswirtschaft im ländlichen und schrumpfenden Raum Sachsen-Anhalts. Schon in den letzten Jahren gab es im ländlichen Raum Sachsen-Anhalts aufgrund sinkender Haushaltszahlen einen Nachfragerückgang, der aber von den Wohnungsunternehmen kompensiert werden konnte. Die Unternehmen weisen teilweise noch ein auskömmliches Finanzergebnis auf, was aber nur eine Momentaufnahme ist. Zumal im Juli dieses Jahres die erste kommunale Wohnungsbaugesellschaft Umland in Egeln (Salzlandkreis) Insolvenz angemeldet hatte. Zukünftig werden sich die Rahmenbedingungen verändern und die Abwärtsbewegung im ländlichen Gebiet wird weiter anhalten.
Demografischer Wandel befeuert den Leerstand in Sachsen-Anhalt
Bei den Veränderungen der Rahmenbedingungen im ländlichen Raum sind die demografischen Trends hervorzuheben. Es ist von anhaltenden Bevölkerungsverlusten auszugehen, die zu einem Einbruch bei den Haushaltszahlen führen. Die Bevölkerung werde laut der Studie bis 2035 um bis zu 17 Prozent zurückgehen. Das hätte einen starken Rückgang der Nachfrage nach Wohnungen zur Folge. Hinzu kommen mehr Alternativen aufgrund des Neubaus von Wohnungen, auch in Mehrfamilienhäusern.
Schon heute ist der Leerstand in den ländlichen Kreisen überdurchschnittlich hoch. 2021 lag er bei 8,1 Prozent und damit deutlich über den bundesweiten (2,8 Prozent) und den ostdeutschen (6,2 Prozent) Vergleichswerten. Der Leerstand werde zukünftig ohne Gegenmaßnahmen noch weiter zunehmen. Die Leerstände sind überaus nachhaltig und lassen sich nur äußerst schwer beheben. Dieser Trend bedroht die wirtschaftlichen Grundlagen der Wohnungsunternehmen, denn er bewirkt vergleichsweise niedrige Wohnungsmieten. Die Vermeidung und der Abbau von Leerstand - etwa durch Rückbau - sind daher von großem gesellschaftlichen Interesse in den ländlichen Regionen Sachsen Anhalts.
Laut der Studie ebenso wichtig: die Investition in einen zukunfstfähigen Wohnungsbestand. Studienautor Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum, sieht den Mangel an geeignetem Wohnraum nämlich als einen der größten Abwanderungsgründe im ländlichen Raum. Viele Gebäude in Sachsen-Anhalt seien älter und nicht mehr zeitgemäß. Das mache es für die Wohnungsunternehmen nicht eben leichter, Wohnungen zu vermieten und eine rentable Bewirtschaftung sicherzustellen.
Wohnungsunternehmen in ihrer Existenz gefährdet
Neben der demografischen Entwicklung kommen neue Herausforderungen auf die Unternehmen zu: politische, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen. Wohnungsunternehmen in ländlichen Regionen stehen vor komplexen Herausforderungen, die sich sowohl aus den besonderen Merkmalen der ländlichen Regionen als auch aus den allgemeinen Trends des Wohnungsmarkts ergeben. Die Studie benennt
- Altschulden des DDR-Wohnungsbaus und neue Schulden aus der ersten Modernisierungswelle, um den DDR-Bestand fit zu machen
- Klimaneutralität des Gebäudebestandes bis 2045
- Zweite Modernisierungswelle mit einem überdurchschnittlich starkem Anstieg der Investitionen
- Bezahlbares Wohnen
- Altengerechter Umbau von Wohnungen, um der grauen Wohnungsnot entgegenzuwirken (2035 soll ein Drittel der sachsen-anhaltischen Bevölkerung älter als 65 Jahre sein)
- Unterbringung von Flüchtlingen
- Arbeits- und Fachkräftemangel
- Monetäre Herausforderungen (Inflation, Energiekosten, Baukosten, steigende Zinsen,...)
Die betriebswirtschaftlichen Risiken durch hohe Leerstände sowie schwierige Perspektiven gefährden die Wohnungsunternehmen in Sachsen Anhalt in ihrer Existenz.
Umbauprogramm „Wohnen im ländlichen Raum“
Aus eigenem Interesse sind die Wohnungsunternehmen daran interessiert, einen attraktiven und an die Bedürfnisse der Mieter angepassten Wohnungsbestand anzubieten. Die dafür notwendigen Investitionen können angesichts der derzeitigen finanziellen Lage viele Wohnungsunternehmen noch selbst finanzieren. Die Studie benennt folgende Handlungsmöglichkeiten:
- Schaffung von konkurrenzfähigem, attraktiven Wohnungsangeboten
- Augenmerk auf die Verbesserung der Quartiere / des Wohnumfeldes
- Steigerung der Effizienz der Wohnungsunternehmen
Die hohen und zunehmenden Leerstände gefährden aber die Handlungsfähigkeit der Wohnungsunternehmen, sodass staatliche Maßnahmen wie Förderungen (Städtebauförderung, KfW, Programme zur Leerstandsbekämpfung) notwendig sind. Lösungen für die anstehenden Probleme können nicht ohne die Unterstützung von Politik und Gesellschaft erreicht werden; notwendig ist unter anderem ein Umbauprogramm „Wohnen im ländlichen Raum“.