Das IW Köln hat im Auftrag von The Grounds den Wohnungsmarkt in 53 Berliner Umlandgemeinden analysiert. Der Umlandreport 2022 weist eine dynamische Entwicklung des ersten und auch des zweiten Umlandringes aus.
Das Berliner Umland hat sich kräftiger entwickelt als die Hauptstadt. Das geht aus dem Umlandreport 2022 hervor, den das Immobilienunternehmen The Grounds beim IW Köln zur Analyse des Wohnungsmarktes in Auftrag gegeben hat. Jacopo Mingazzini, Vorstand von The Grounds, sagt: „Die dem Umlandreport zugrunde liegenden Untersuchungen erlauben es uns und anderen Marktteilnehmern erstmalig, die subjektiv schon seit Längerem beobachteten Tendenzen im Berliner Umland mit objektiven Indikatoren zu belegen.“ Untersucht wurden Wirtschaftsindikatoren wie Demographie, Bevölkerungsdichte, Kaufkraft, Breitbandverfügbarkeit, Mieten sowie Kaufpreise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohngen. Michael Voigtländer vom IW Köln, betont:
„Die Zahlen sprechen für die Dynamik des Umlandes.“
Berlin wächst nur um 0,4 Prozent
So ist die Einwohnerzahl von Berlin in den letzten drei Jahren lediglich um 0,4 Prozent gewachsen, die der Umlandgemeinden dagegen um 1,2 Prozent. Und auch bei der Analyse der vergangenen zehn Jahre liegt das Umland mit 1,2 Prozent einen Zehntelpunkt vorn. Besonders stark sind die Gemeinden Schönefeld am Hauptstadtflughafen BER mit 2,9 Prozent, Bestensee mit 2,6 Prozent und Wustermark mit 2,5 Prozent gewachsen. Keine der 53 untersuchten Gemeinden ist in diesem Zeitraum geschrumpft. Die am dichtesten besiedelten Gemeinden nach Berlin sind Glienicke/Nordbahn, Eichwalde und Kleinmachnow. Derzeit leben in Berlin rund 3,7 Millionen Menschen, im Umland inzwischen eine Million.
Kaufkraft im Berliner Umland stärker
Auch bei der Kaufkraft machen die Umlandgemeinden das Rennen. Die Haushalte im Umland haben 27 Prozent mehr für Konsum verfügbares Einkommen als in Berlin. Pro Person gerechnet: immerhin noch zwölf Prozent mehr. Bei diesem Faktor sticht die Gemeinde Kleinmachnow im Süden Berlins hervor, wo die Kaufkraft pro Haushalt mehr als 68.000 Euro beträgt. Zum Vergleich die Berliner Zahl: 41.500 Euro.
Die Arbeitslosigkeit in Berlin liegt mit 5,4 Prozent höher als im Umland. Dort beträgt sie lediglich 2,3 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Umland auch während der Pandemie nicht gestiegen. Der Vergleich von derzeitigem Niveau und Entwicklung kann als Indikator für die Entwicklung einzelner Gemeinden gesehen werden. Die Analyse zeigt, dass sich Gemeinden im zweiten Umlandring wie Spreenhagen und Gosen-Neuzittau, nahe der neuen Tesla-Fabrik, dynamisch entwickeln. Auch die Stadt Bernau im Norden Berlins hat in den Jahren stark aufgeholt.
„Metropole dehnt sich aus“
Die Wohnungsmärkte der verschiedenen Umlandgemeinden sind im Detail unterschiedlich, weisen insgesamt aber eine positive Entwicklung auf. Die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sind in den letzten drei Jahren durchschnittlich um 16 Prozent pro Jahr gestiegen. Die höchsten Kaufpreise für Bestandsobjekte wurden in Kleinmachnow mit 7.202 Euro pro Quadratmeter und in Potsdam mit 5.897 Euro registriert. Zum Vergleich: In den beiden teuersten Berliner Teilbezirken Charlottenburg und Steglitz lagen sie bei 7.793 Euro beziehungsweise 6.674 Euro.
In Marzahn-Hellersdorf wurden rund 4.800 Euro pro Quadratmeter verlangt. Im Umland lagen die Preise in 30 der 53 untersuchten Gemeinden oberhalb von 4.000 Euro pro Quadratmeter. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Preise zwischen Hauptstadt und nahem Umland angleichen. Wer ein preisgünstigeres Haus sucht, muss noch weiter rausziehen. Im Fokus sind inzwischen Städte mit Bahnanbindung an die Hauptstadt wie Brandenburg an der Havel. „Das ist ganz logisch, die Metropole dehnt sich weiter aus“, erklärte Michael Voigtländer mit Blick auf andere Großstädte.
Mietniveau im Umland gleicht sich Berliner Zahlen an
Nicht anders sieht es bei den Wohnungsmieten aus: Hier reicht die Spanne in den Berliner Bezirken von 8,70 Euro pro Quadratmeter und Monat in Lichtenberg bis zu 14,30 Euro pro Quadratmeter und Monat in Friedrichshain-Kreuzberg. Im Umland wurde das höchste Mietniveau mit zwölf Euro je Quadratmeter in Grünheide (Mark) registriert, gefolgt von Gosen-Neu-Zittau mit 11,50 Euro. Beide Gemeinden liegen nahe an der Tesla-Fabrik und haben einen relativ geringen Mietwohnungsbestand.
In Städten wie Bernau und Strausberg werden dagegen Mietwohnungen noch unterhalb von zehn Euro pro Quadratmeter und Monat angeboten. Doch auch hier gehen die Mieten rauf: Die Städte verfügen über einen S-Bahnanschluss und sind deshalb für Berliner, die eine Wohnung suchen, eine Alternative. Es zeigt sich deutlich, dass sich das Mietniveau im Umland zunehmend dem Berliner Niveau angleicht.
Wichtige Wachstumsfaktoren für Umlandgemeinden: Anbindung an Berlin und Breitbandausbau
Für den Umlandreport wurden auch zwei Faktoren untersucht, die das Wachstum einer Gemeinde begünstigen. Zum einen die Anbindung an Berlin durch den öffentlichen Nahverkehr, zum anderen der Breitbandausbau. Im Gegensatz zu Berlin, wo rund 97 Prozent der Einwohner Zugang zum schnellen Internet mit 100 Mbit haben, sind es in den Umlandgemeinden nur rund 86 Prozent. In 13 Gemeinden hatten sogar 25 bis 50 Prozent der Einwohner kein schnelles Internet. Bei der Erreichbarkeit des ÖPNV zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang: „Je höher eine Gemeinde im Niveauranking steht, um so besser ist ihre Erreichbarkeit“, heißt es in der Analyse. Generell zeigt sich, dass die Erreichbarkeit in den östlichen Gemeinden schlechter ist als in den westlichen Gemeinden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Blick auf die Gemeinde Grünheide, nahe der Tesla-Fabrik. Sie gehört zu den Gemeinden, in denen die Versorgung mit schnellem Internet noch ein Problem ist und bei der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr rangiert sie auf Platz 51. Gleichzeitig gehört sie – ebenfalls wie das nahegelegene Gosen-Neuzittau oder Spreenhagen – zu den Gemeinden, die sich sehr dynamisch entwickeln. Jacopo Mingazzini konstatiert: „Hier gibt es noch einen erheblichen Investitionsbedarf.“ Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung im Südosten Berlins gab er sich optimistisch, dass die positive Entwicklung anhalten wird.
„Starke Aufholtendenz im Umland“
Diesen Optimismus teilt auch Michael Voigtländer vom IW Köln:
„Insgesamt beobachten wir eine starke Aufholtendenz im Umland gegenüber Berlin, vor allem im zweiten Umlandring.“
Dass die Preise in nächster Zeit signifikant nachgeben, hält er für unwahrscheinlich. „Es gibt einen erheblichen Nachfrageüberhang.“ Inzwischen weichen Berliner nicht mehr nur auf der Suche nach einem billigeren Zuhause ins Umland aus, sondern um überhaupt eine Wohnung oder ein Haus zu finden, aber auch um der Schul-, Behörden- und Verkehrsmisere der Hauptstadt zu entgehen. Zudem entwickelt das Umland mit dem BER und den Ansiedlungen von Unternehmen wie Tesla eigene Wirtschaftskraft. Michael Voigtländer sagt: „Die aktuelle Energiekrise wird die Entwicklung möglicherweise etwas verlangsamen, aber nicht grundsätzlich verändern, sodass wir langfristig mit einer ähnlichen Entwicklung wie etwa im Münchener Umland rechnen.“