Im Rahmen einer Pressekonferenz stellte der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) am 10. Mai 2023 die Zahlen zur Jahresstatistik 2022 vor und hielt fest, dass es kein leichtes Geschäftsjahr war.
Gern zeigt Miriam Philipp, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG), Fotos von Neubauprojekten. Die in ihrem Verband organisierten Unternehmen haben bisher jährlich 300 bis 500 Wohnungen errichtet. Doch aktuell ist die Stimmung getrübt: 2022 waren es nur 240 Wohnungen, 81 weniger als geplant.
Mehr als die Hälfte der neuen Häuser entstanden in Dresden und Umgebung, die meisten anderen in Leipzig und Chemnitz. Da in der Regel ein drei- bis vierjähriger Planungsvorlauf erforderlich ist, wurden die Bauprojekte noch unter günstigeren Bedingungen und Preisen begonnen. Nun ist die Aussicht schlecht, zahlreiche Bauprojekte wurden verschoben oder ganz aufgegeben.
Selbst krisenfeste Genossenschaften brauchen Planungssicherheit
„Mir wird angst und bange, wenn das so weitergeht“, sagte Miriam Philipp beim Vorstellen der Bilanz für das vergangene Jahr. Zwar seien Genossenschaften krisenfest, aber auch sie brauchten Planungssicherheit sowie verlässliche und realistische Vorgaben. Gute grüne Ideen würden aktuell durch ideologisch unterwanderte Zielstellungen kaputtgemacht. „Da kommen wir als Wohnungsgenossenschaften nicht hinterher.“ Im Elfenbein-Turm in Berlin denke man in der Kategorie der Einfamilienhäuser, bedauert sie. „Sollten sich die Baupreise nicht wieder deutlich entspannen, besteht die Gefahr, dass die Neubautätigkeit komplett zum Erliegen kommt“, so Philipp.
Bei Baukosten von 4.000 Euro pro Quadratmeter führe das ohne Förderung zu Kaltmieten von 13 bis 18 Euro pro Quadratmeter. Das wiederum könnten nur noch wenige Mieter bezahlen. Für dieses Jahr sind 278 Neubauwohnungen geplant.
Sächsische Wohnungsgenossenschaften investierten 575 Millionen Euro
Die 207 Wohnungsgenossenschaften mit 296.796 Wohnungen haben rund 575 Millionen Euro für Neubau, Instandhaltung und Modernisierung investiert. Auch wenn der Wert deutlich über dem – coronabedingt niedrigen – des Vorjahres liegt, bleibt er rund 75 Millionen Euro unter der Prognose. Unter Berücksichtigung der um etwa 20 Prozent gestiegenen Baukostensteigerungen bedeutet das einen realen Rückgang der Bauleistungen.
Bitter für die Genossenschaften sei auch der Rückgang bei den Instandhaltungen und Modernisierungen um 6,6 beziehungsweise 13,9 Prozent. „Die Instandhaltungskosten pro Quadratmeter betragen mittlerweile 20,38 Euro. Das sind 30 Cent mehr als im Vorjahr“, so die Vorstandschefin. Im Vergleich dazu waren es 2004 noch 7,31 Euro pro Quadratmeter. Aktuell müssen die Wohnungsgenossenschaften rund 29 Prozent der Nettokaltmiete in die Instandsetzung stecken. Für eine durchschnittlich 60 Quadratmeter große Wohnung benötigen die Genossenschaften vor einer Neuvermietung etwa 50.000 Euro. Starke Preisanstiege für Bauleistungen und Material führten letztlich zu einem realen Rückgang an Instandhaltungsmaßnahmen. Unter dem Strich haben die Genossenschaften mehr für weniger Leistung ausgeben.
Das sei besonders angesichts der notwendigen zweiten Sanierungswelle kritisch zu betrachten. Theoretisch müssten die Ausgaben der Unternehmen mindestens in dem gleichen Maße steigen wie die Baukosten“, rechnet Sven Winkler, Referent Betriebswirtschaft des VSWG, vor. Das hieße 100 Millionen Euro zusätzliche Investitionen. Aber das sei mit den niedrigen Mieten und vielerorts steigenden Leerständen nicht refinanzierbar.
Mieten ziehen leicht an, Betriebskosten galoppieren davon
Zu den besonderen Merkmalen der Genossenschaften gehören günstige Mieten. Die Nettokaltmiete betrug sachsenweit 5,31 Euro pro Quadratmeter. Das waren 15 Cent mehr als im Jahr zuvor. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Mieten in den großen Städten und im abgelegenen ländlichen Raum.
Allerdings sind die Betriebskosten, getrieben von den Heizkosten, fast viermal stärker gestiegen als die Kaltmiete. Ein durchschnittlicher Anstieg von 55 Cent je Quadratmeter auf 2,80 Euro ist zu verzeichnen. Durch den Beginn des Kriegs in der Ukraine hat sich die Dynamik noch einmal verschärft. Der größere Schock dürfte dabei aber noch bevorstehen, denn für rund 53 Prozent der Wohnungen hatte die Genossenschaften bis Ende 2022 noch günstige Festpreisverträge beispielsweise fürs Gas. Zudem ist unklar, wie es nach dem Auslaufen des Energiepreisdeckels im April nächsten Jahres weitergeht. Die Nutzungsgebühr, so sie Statistik der VSWG, liegt im Durchschnitt bei 8,11 Euro pro Quadratmeter, 70 Cent über dem Vorjahr.
„Da stimmt doch etwas nicht!“
73 Prozent der Genossenschaftswohnungen in Sachsen werden mit Fernwärme versorgt. Das ist angesichts der aktuellen Energiepolitik eine sehr gute Ausgangssituation. Angesichts angestrebter Klimaneutralität und der geplanten Gesetzesänderungen im von den Grünen geführten Wirtschaftsministerium rechnet Miriam Philipp mit Zusatzkosten von 18 Milliarden Euro bis 2045. Das hieße 800 Millionen Euro im Jahr bei aktuellen Investitionen von 575 Millionen Euro. „Da stimmt doch etwas nicht!“ Die Genossenschaften wollten gern mittun, aber mit diesen überambitionierten und ideologisch unterwanderten Forderungen werde jedes zarte Pflänzchen kaputtgetrampelt, bedauert sie. Die Immobilienwirtschaft sei wie ein Tanker und brauche Zeit, Geld und Planungssicherheit für Veränderungen.
Der Leerstand lag bei den sächsischen Wohnungsgenossenschaften bei 8,7 Prozent. Allerdings gibt es auch hier große Unterschiede. Während er in Dresden unter drei Prozent liegt, verzeichnen acht Landkreise mehr als zehn Prozent. Im Raum Zwickau ist er mit über 15 Prozent besonders hoch. Für den Laien schwer verständlich ist der Rückbau von 326 Wohnungen im Jahr. 2022 wurden etwa 1.200 Wohnungen an Flüchtlinge aus der Ukraine vermietet.