Christian Benzing, Leiter der Region West bei Hendricks & Schwartz, hat eine klare Position zu diesem so wichtigen Thema für die Immobilienbranche. Er reagiert damit auf die Steile These von Ivette Wagner im Urban Futures von Ehret + Klein.
Die Akzeptanz für Neubauprojekte ist derzeit auf einem Tiefpunkt. Ob es sich um Hotelneubauten, Logistikzentren, Gewerbeansiedlungen, neue Kindergärten, Krankenhauserweiterungen oder Wohnquartiere handelt – all diese wichtigen Vorhaben stoßen auf Widerstand und Proteste. Bei den Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien ist die Situation besonders angespannt.
Wenn dadurch die Projektentwicklung zunehmend unsicher wird, entstehen erhebliche Hürden für Investitionen in den Wirtschaftsstandort. Markus Söder sah sich im Sommer bereits dazu gezwungen, die Abschaffung der Bürgerentscheide in Bayern zu fordern.
Dabei hat die Öffentlichkeit doch ein berechtigtes Interesse an der Gestaltung ihrer Nachbarschaft, ihrer Umgebung, ihrer Stadt. Große Vorhaben beeinflussen das Lebensumfeld der Menschen – daher ist es nur richtig, dass Partizipation als ein ernstzunehmendes Element demokratischer Willensbildung betrachtet wird. Zudem können wir die Realität nicht ignorieren: Wenn die Öffentlichkeit ein Vorhaben ablehnt, kann es oft im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten verhindert werden.
Ganz klassisch stoßen wir dabei immer wieder vor das klassische Problem des Beteiligungsparadoxons. Die Einflussmöglichkeiten der Betroffenen sind zu Beginn des Planungsprozesses am größten, doch das Interesse ist oft gering. Erst später, wenn die Betroffenheit steigt, schwindet zugleich der Raum für Mitgestaltung. Änderungen in einer späten Planungsphase sind dabei besonders kostspielig.
Eine frühzeitige und durchdachte Kommunikation mit der Öffentlichkeit ist daher unerlässlich. Die Gestaltung dieser Kommunikation muss auf den Einzelfall abgestimmt sein. Wichtig ist es, die relevanten Akteure vor Ort gezielt zu analysieren, um zu entscheiden, wie Information und Dialog ablaufen sollten. So lässt sich erkennen, ob ein Informationsbedarf besteht, wie die Öffentlichkeit das Vorhaben wahrnimmt und ob Risiken in der Projektplanung liegen. Es gilt zu prüfen, welche Formen der Beteiligung angemessen sind: Muss die Öffentlichkeit von Beginn an mitgestalten, oder reicht es, sie kontinuierlich über die Pläne zu informieren?
Was heute oftmals nicht mehr ausreicht, ist der Rückzug auf die gesetzlichen Beteiligungsinstrumente, zum Beispiel i.S.d BauGB. Diese formellen und oftmals bürokratischen Instrumente können nicht dazu führen, eine Akzeptanz für ein Vorhaben zu erzeugen. Hier muss es mehr geben.
Ivettes steile These im Podcast Urban Futures von Ehret + Klein
Eine wahre Sternstunde der Menschheit! Was für eine fantastische Idee: Wir alle können nicht nur zuschauen, wie Entscheidungen getroffen werden – nein, wir dürfen sogar selbst mitreden. Fast so, als wären wir wirklich gefragt. Meine These: Partizipation ist eine Illusion. Und: Partizipation macht träge. Wer ständig gefragt wird, verliert die Fähigkeit, schnelle und mutige Entscheidungen zu treffen. Fast immer.
Und das ist meiner Meinung nach so, weil:
Die meisten Beteiligungsverfahren nur als Feigenblatt dienen, um die Interessen einzelner zu befriedigen.
Zu viel Partizipation zu Stillstand führt: Wenn jeder mitentscheiden will, bewegt sich am Ende nichts mehr.
Demokratische Partizipation nicht immer das Gemeinwohl fördert. Manchmal setzen sich laute Minderheiten gegen die stillen Mehrheiten durch.
Und damit sind aus meiner Sicht bereits die Eckpfeiler benannt. Nun tönen – nicht nur in der Politik – sehr viele, dass wir mitten in einer Zeitenwende sind, eine Transformation sich vollziehe. Nur: Wo bleiben dabei die Ideen für sinnvolle Partizipation? Ja, es gibt einige wenige Beispiele. Bei denen zwei Bebauungspläne der Stadtgesellschaft vorgestellt und erklärt werden, im Nachgang alle darüber entscheiden konnten. Das erfordert Mut, denn hier ist nicht klar, in welche Richtung das Pendel schlägt.
Womit ich bei dem nächsten Punkt wäre: Mut. Den muss die Branche endlich aufbringen, verinnerlichen und dann in die Verwaltungen und die Politik einbringen. Viele Jahre nahmen die Immobilienunternehmen Stillstand durch Partizipation in Kauf. Nun allerdings haben sich die Umgebungsvariablen so geändert, dass das niemand mehr kann und will. Die Kosten steigen unkalkulierbar an, jede neue Runde wird zu einem Pokerspiel. Manchmal scheint es, als würden Verwaltungen und Politik annehmen, dass genau dieses Pokerspiel mit Spielgeld abgehandelt wird. Nein, es ist Geld, dass am Ende für die Innovation, für Sonderwünsche fehlt.
Apropos Wünsche: Die Immobilienbranche wünscht sich seit Jahren weniger Regularien. Fakt ist: Jedes Bundesland hat eine Landesbauordnung, dazu gibt es ein Baugesetzbuch, eine Baunutzungsverordnung. Es sind Profis am Werk, die planen, gestalten, genehmigen und bauen. Profis, die wissen, was geht und was nicht. Stellen wir uns vor, dass alle beispielsweise sich beteiligen dürften, wenn es um die Herstellung von Pesto geht. Die einen würden Pinienkerne als Zutat bevorzugen, die anderen Zitrone. Wieder andere mögen Schärfe, während wieder andere eher saures Pesto bevorzugen. Und wieder ganz andere würden sagen: Ist mir egal, ich mag kein Pesto. Würden wir jemals fertig werden? Nein! Weil man es nicht jedem Recht machen kann. Doch genau das wird sehr oft mit Partizipation versucht. Dazu kommt, dass jene, die alle Regeln der Kommunikation – von sozialen Medien bis zur Lautsprecherfunktion – verstehen, ihre Wünsche als isolierende Decke über der stummen Mehrheit abwerfen. Ganz abgesehen davon, dass ich sehr oft beobachten konnte, dass Partizipation eine Lagerbildung nach sich zog, Feindbilder installiert worden, der zwischenmenschliche Umgang litt.
Partizipation, wie sie heute mehrheitlich bei Bauprojekten gelebt wird, gehört in die Geschichtsbücher. Es braucht neue und vor allem sinn volle Ideen und Ansätze, die eine Stadtentwicklung für alle möglich machen.