Natürlich, nachwachsend, ressourcenschonend: Bauen mit Holz boomt. Auf freien Flächen im Grünen oder an Stadträndern setzen Projektentwickler zunehmend auf den umweltschonenden Baustoff. Im urbanen Kontext allerdings steht der Holzbau erst am Anfang. Dennoch wachsen auch hier weltweit immer häufiger Holzgebäude in die Höhe. Was trotz steigender Materialpreise für das Bauen mit Holz spricht.
Oona Horx-Strathern, Trend- und Zukunftsforscherin sowie renommierte Wohnexpertin des Zukunftsinstituts in Wien, nennt diese Entwicklung „Age of Timber“ und schreibt dazu in ihrem jüngsten Home Report 2022: „Im Zuge des Holz-Booms wandern Wälder (…) zunehmend in unsere urbanen Umwelten. Für die Beliebtheit von Holz in Stadtlandschaften ist neben dem Umweltaspekt auch die im Gegensatz zu Stahl und Beton eher weiche Optik des Materials bedeutend. Holzgebäude können die Stadtlandschaft auflockern und bringen Natur in die Architektur.“
Holzbau zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks
Mit seinem Projekt VINZENT möchte der Projektentwickler Bauwerk aktiv zum Umweltschutz beitragen: „In Europa sind Wohn- und Gewerbegebäude für etwa 40 Prozent des Energieverbrauchs und für 36 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Wir wollen unseren Beitrag leisten, diese Zahlen zu reduzieren“, sagt Jürgen Schorn, geschäftsführender Gesellschafter von Bauwerk. Mit VINZENT, dem ersten Holzhybrid-Ensemble für Wohnen und Arbeiten im Münchner Innenstadtgefüge, möchte das Unternehmen zeigen, dass Holzbau nicht nur auf der grünen Wiese, sondern auch in dicht bebauten Innenstadtlagen funktioniert.
Holz kehrt als Trendbaustoff in die Metropolen zurück
Bereits vor Jahrtausenden hat Holz im europäischen Bauwesen eine tragende Rolle gespielt. Ganze Städte wurden teilweise aus dem Baustoff errichtet. Im Zuge der Industrialisierung aber geriet er ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Vergessenheit. Maschinell hergestellte Baustoffe wie Ziegel oder Beton wurden zunehmend bevorzugt, weil sie günstiger, schneller und in großen Mengen produziert werden konnten. Zudem waren sie weniger brandanfällig.
Dass Holz nun als Trendbaustoff in die Metropolen zurückkehrt, wird getrieben durch den Megatrend der Neo-Ökologie, also dem gesellschaftlichen Veränderungsprozess in Richtung eines ressourceneffizienten, nachhaltigen Wirtschaftens. Denn Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der sich dauerhaft positiv auf die Klimabilanz auswirkt. Zum einen, weil bei seiner Herstellung keine Energie zugeführt werden muss und damit kein CO2 produziert wird. Zum anderen, weil Holz nicht nur als heranwachsender Baum Kohlenstoff bindet und damit klimaentlastend wirkt, sondern auch im gefällten Zustand – und zwar zwischen 40 und 100 Jahre lang.
Unser Special zum Thema Holzbau in Berlin
Holz ist nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip recyclebar
So werden im Münchner Projekt VINZENT insgesamt etwa 800 Kubikmeter Fichtenholz aus Deutschland und Europa verbaut – und damit rund 800 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre dauerhaft gebunden. Allein für diese eingesparte Menge CO2 könnte ein Mittelklasse-Wagen 80-mal die Erde umrunden oder ein Mensch 1.176-mal von München nach Mallorca fliegen. Zudem kann das verbaute Holz nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip bei einem späteren Rückbau der beiden Wohngebäude und des Büroneubaus recycelt werden.
Dass Bauen mit Holz boomt, hat neben der gesellschaftlichen Entwicklung jedoch noch einen weiteren wichtigen Grund: den Fortschritt der Digitalisierung. So ermöglichen technische Innovationen, die Tragfähigkeit und die Widerstandsfähigkeit von Holz gegen Brandverhalten optimal zu testen. Darüber hinaus können Holzfassaden durch den Einsatz neuer, erforschter Materialien langfristig vor Umwelteinflüssen geschützt werden.
„Ein echter Quantensprung sind zudem die CNC-Technologie und andere digitale Revolutionen. Denn durch sie kann Holz heute maschinell bis auf den Millimeter genau bearbeitet und vorproduziert werden. Das geschieht direkt in einer Werkstatt, wo die Bauteile im Trockenen vorgefertigt und teilweise schon aufgebaut werden können“, erläutert Ludwig Wappner, dessen Münchner Büro allmannwappner (vormals Allmann Sattler Wappner Architekten) für das architektonische Konzept von VINZENT verantwortlich zeichnet.
Schnellerer Bauablauf, leisere Baustelle
Der hohe Vorfertigungsgrad, den das Bauen mit Holz ermöglicht, hat nach den Worten von Alexander Sälzle, zuständiger Projektleiter bei Bauwerk, gleich zwei große Vorteile gegenüber herkömmlichen Bauweisen.
- Zum einen trägt es zu einem schnelleren Bauablauf bei. So verkürzt sich die Bauzeit beim Projekt VINZENT um drei bis fünf Monate gegenüber einem konventionellen Bau.
- Zum anderen sind weniger Transportfahrten für Baumaterial notwendig, da für die Gebäude vorgefertigte Module eingesetzt werden. Dadurch wird auf der Baustelle in München-Neuhausen weniger Platz benötigt und die Lärmbelastung für die Nachbarn erheblich reduziert.
Alexander Sälzle: „Zwar ist das Bauen mit Holz – nicht nur aufgrund der derzeitigen Knappheit – sehr viel aufwändiger und kostenintensiver als herkömmliche Bauweisen. Das Umdenken von Projektentwicklern lohnt jedoch, weil die Vorteile aus Umwelt-, Gesellschafts- und Bauablaufperspektive überwiegen und Investoren zunehmend auf nachhaltige Wohn- und Gewerbeflächen setzen.“