Wie sehr trifft die Gröner-Krise den Wohnungsbau, Herr Beyerle?

Wie sehr trifft die Gröner-Krise den Wohnungsbau, Herr Beyerle?

Wie sehr trifft die Gröner-Krise den Wohnungsbau, Herr Beyerle?
Quelle: ??

Thomas Beyerle ist Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Biberach. Im RND-Interview spricht er über die Jahre des Booms und den harten Aufprall danach, über die Auswirkungen der Gröner-Insolvenz – und über Chancen für betroffene Kommunen.

Keine News mehr verpassen: Der Immobilien-Aktuell-Newsletter

Viele Immobilienprojekte in Deutschland tragen die Handschrift von Christoph Gröner. Jetzt ist seine Unternehmensgruppe insolvent. Für die betroffenen Städte ist das eine Katastrophe, sagt Immobilienexperte Thomas Beyerle – der aber auch eine Chance sieht, wenn sie es geschickt anstellen.

Herr Beyerle, die Gröner-Gruppe ist insolvent. Müssen Leute, die dort Projekte haben, jetzt zittern?

Ja, auf jeden Fall, denn es läuft ja nicht nach Plan. Jemand, der dort investiert ist, muss sich Gedanken machen. Bei einer solchen Insolvenzbewältigung müssen wird aber zunächst drei Phasen voneinander unterscheiden: Die Eröffnungsphase, die Wohlverhaltensphase und die Restschuldenbefreiung. Aktuell geht es um die Eröffnungsphase – also um die Frage, was an Werten verfügbar ist und wer welchen Anteil hat.

Was heißt das?

Da schaut sich ein Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzgericht an, was überhaupt noch da ist. Es ist oftmals so, dass die Wohnungen noch nicht errichtet wurden, aber schon Anzahlungen bei Vertragsabschluss gemacht wurden. Oder es kann sein, dass bereits ein Rohbau steht – das ist dann auch ein Vorteil. Denn Banken, die mit einem Kredit in dem Projekt sind, werden alles dafür tun, damit sich die Kräne weiterdrehen. Aber derjenige, der das Ganze erwirbt, wird es nicht zum Verkehrswert vor der Insolvenz kaufen. Wir reden dann von Abschlägen in der Größenordnung von minus 40 bis 70 Prozent.

Was hat in die Insolvenz geführt?

Da kommen mehrere Dinge zusammen: In der Hochphase vor 2021 waren Grundstücke sehr teuer. Wer ein Grundstück gekauft hat, musste deshalb viele Wohneinheiten errichten. Das hat funktioniert, die Nachfrage war ja real da. Dann kam aber die Zinserhöhung und viele klassische Kapitalanleger warteten erst einmal ab, beziehungsweise konnten aufgrund der höheren Tilgungsraten nicht mehr kaufen. Parallel wollte die Bank aber von Herrn Gröner natürlich die Zinszahlung. Wenn folglich kein Kapital reinkommt für den Bau, lassen sich auch keine Bankkredite bedienen. Er ist damit nicht allein: Jeder Projektentwickler in Deutschland kam seit 2022 unter Druck. Er hat etwas versprochen, was er dann nicht liefern konnte.

Wie hätte man so etwas verhindern können?

Wir haben 2018 schon gesehen, dass sich die Kaufpreise von den Grundstückpreisen und den Mietansätzen entfernen. In dem Moment ging das los, was wir heute Blase nennen. Fairerweise muss man aber auch dazu sagen: Um sein Kapital gewinnbringend anzulegen, waren in dieser sogenannten Nullzinsphase eigentlich nur Immobilien attraktiv. Dann stiegen die Kapitalmarktzinsen wieder und die Konstellation wurde gefährlich. Ein Projektentwickler sollte, wie ein privater Häuslebauer auch, aber für solche Fälle über ausreichend Liquidität verfügen. Projektentwicklung ist ja auch deshalb so attraktiv, weil eine Rendite von rund 25 Prozent drin ist für denjenigen, der die Objekte in Vorleistung erstellt. Dafür trägt er aber das Risiko. Wir hatten die ganze Klaviatur in diesem Jahr schon bereits im Falle Signa mit Herrn Benko.

Benko und Gröner einte ja zumindest eine hohe Risikobereitschaft.

Um es positiv zu formulieren: Am Ende des Tages braucht es Macher, die Visionen haben und eine Geschichte erzählen. Das sehen wir auch am Kapitalmarkt, am Automarkt und in vielen anderen Märkten jeden Tag. Bei Immobilien war es jetzt schlicht und einfach so, dass wir uns 2022, nach elf Jahren durchgängigen Aufschwungs, am Ende eines Zyklus befanden. Im Falle Signa handelt es sich allerdings primär um Shoppingcenter und Büros, bei Gröner hauptsächlich um Quartiersentwicklungen und um Wohnraum.

Wie sehr trifft die Gröner-Krise den Wohnungsbau?

Das ist genau das Drama: Das Ganze fällt in eine Situation, in der Wohnraum massiv nachgefragt wird. Der Wohnungsbau müsste eigentlich boomen. Und auch wenn manche jetzt zu Häme neigen: Die Projekte, die Gröner gemacht hat, waren ja nicht falsch. In seiner Kalkulation und Präsentation der Projekte hat er beispielsweise explizit auch auf modulares Bauen gesetzt und konnte vergleichsweise günstiges Bauen anbieten. Für die betroffenen Städte ist das jetzt natürlich eine Katastrophe, weil wichtiges Wohnraumangebot fehlt. Die Banken werden sich zurückziehen und Investoren werden Geld verlieren. Und zwar nicht wenig. Ich sehe aber auch eine Chance.