Wird der bauliche Infektionsschutz zum neuen Brandschutz? Welche Rolle spielt dieser bei Immobilieninvestments? Ein Kommentar von Arne Clodius, Building Consultancy, CBRE.
Unser Verständnis von Brandschutz hat lange Jahre und viele tragische Unglücke gebraucht, bis es auf dem heutigen Niveau angekommen ist. Dabei leistet er einen vorbeugenden und im Falle eines Brandes oder einer Rauchentwicklung aktiven Beitrag zum Schutz der Menschen. Ich gehe davon aus, dass der bauliche Infektionsschutz einen ähnlichen Stellenwert erlangen muss – also ebenfalls umfangreich gesetzlich verankert wird. An sich ist das Thema nicht neu: Man denke nur einmal an die Legionärskrankheit in den 1970er Jahren oder auch an die Spanische Grippe. Die aktuelle Corona-Situation erfordert es jedoch, dass wir schnell reagieren, denn ansonsten können Immobilien leicht zur Kulisse für Superspreader-Ereignisse werden.
Baulicher Infektionsschutz im Healthcare-Bereich
So haben sich angesichts Covid-19 vor allem Alten- und Pflegeimmobilien – also Gebäude mit Nutzern, deren Immunsystem ohnehin geschwächt ist – als tendenziell verwundbar gezeigt. Um dort eine Ansteckung untereinander zu vermeiden, hatte das Robert-Koch-Institut frühzeitig empfohlen, die Bewohner in drei räumlich getrennte Gruppen aufzuteilen: eine Gruppe mit positiv getesteten Bewohnern, eine mit solchen, die Verdachtsmomente aufweisen, und eine mit negativ getesteten Menschen. Allerdings sind die baulich-räumlichen Voraussetzungen dafür selten gegeben: Nicht jedes Alten- oder Pflegeheim hat drei Gebäudeflügel mit eigenständiger Versorgung.
Wenn also für besondere Gebäudetypen wie Pflegeheime ein baulicher Infektionsschutz diskutiert wird, dürften Flächenkonfigurationen wie diese eine entsprechende Rolle spielen: Bei der Neuplanung oder beim Umbau sind die baulichen Voraussetzungen zu schaffen. Zudem ist es die Aufgabe eines Heims, seinen Bewohnern die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sowie von Gruppenaktivitäten zu ermöglichen, um eine Vereinsamung zu verhindern. Auch dies ist gesetzlich vorgeschrieben.
Der bauliche Infektionsschutz kann die Voraussetzung für beides bieten: Sicherheit und Teilhabe. Er kann anstelle der Besuchsverbote treten, die wir in der aktuellen Krise erlebt haben. Dies könnte beispielsweise so aussehen, dass Bewohner und Besucher einen Besuchsraum durch separate Eingänge betreten und sich anschließend – getrennt durch eine Plexiglasscheibe – direkt gegenübersitzen. Dazu müssten allerdings Fassaden geöffnet und der Grundriss verändert werden, falls die bauliche Bestandsstruktur diese Maßnahme nicht zulässt.
Gesetzliche Schwerpunkte wie beim Brandschutz?
Dieses Beispiel aus dem Healthcare-Bereich lässt sich auf andere Assetklassen übertragen. Denn auch bei der Büroarbeit sowie in der Welt des Einzelhandels existieren potenzielle Infektionsherde; beispielsweise kann dies im Bürogebäude die Cafeteria oder der Aufzug sein, im Einzelhandel kann unter anderem der enge Kassenbereich zur Gefahr werden. Genau wie beim Brandschutz könnte es mittel- bis langfristig je nach Gebäudenutzung also eigene gesetzliche Schwerpunkte geben, um die Sicherheit all derer zu gewährleisten, die sich in den Immobilien aufhalten.
Auch mit Blick auf Immobilieninvestments kann der bauliche Infektionsschutz wichtig werden: Sind die räumlich-architektonischen Voraussetzungen nicht gegeben, drohen Wertabschläge – denn der Käufer muss das Versäumte nachholen. Auch wenn es noch keine gesetzliche Pflicht gibt, kann die technische Due-Diligence-Prüfung den Käufer schon heutzutage auf mögliche Risiken hinweisen. Letztendlich geht es um Menschenleben.